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23.04.11 / Wider die grüne Versuchung / Während Union und FDP Künast und Co. kopieren, geht die SPD inzwischen bewusst auf Distanz

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 16-11 vom 23. April 2011

Wider die grüne Versuchung
Während Union und FDP Künast und Co. kopieren, geht die SPD inzwischen bewusst auf Distanz

Nachdem die SPD bei den letzten drei Landtagswahlen weitere Stimmenverluste hinnehmen musste, hat sie nun ihre Nähe zu den Grünen als Grund hierfür ausgemacht.

CDU und FDP haben aufgrund sinkender beziehungsweise desaströser Landtagswahlergebnisse erkannt, dass ihre Parteien ein neues Profil brauchen. Sehnsüchtig blicken sie auf die Grünen, die von einem Umfragehoch ins nächste vorstoßen. Ihr Wunsch, es den Grünen gleichzumachen, hat dazu geführt, dass beide Parteien nun versuchen, die Grünen links zu überholen. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat hierin schon Erfahrung, schließlich hat sie in den letzten Jahren in Sachen Klimaschutz selbst das Engagement der Grünen blass aussehen lassen. Das Atom-Moratorium der schwarz-gelben Bundesregierung nach dem Unfall im japanischen Kernkraftwerk Fukushima und die angekündigte Energiewende verdeutlichen, dass die beiden Parteien dort ansetzen wollen, wo sie den Erfolg der Grünen vermuten.

Dass dieser Kurs allerdings keinen Erfolg verspricht, davon könnte SPD-Parteichef Sigmar Gabriel den Regierungsparteien ein Lied, genauer ein Klagelied, singen. Die Sozialdemokraten sind Union und FDP hier nämlich schon einige Jahre voraus. Der Niedergang der großen Volkspartei setzte bereits markant in der Großen Koalition mit der Union ab 2005 ein. Plötzlich erreichte die SPD nur noch Umfrage- und Wahlergebnisse von unter 30 Prozent. Inzwischen freut man sich schon fast über alles, was über 25 Prozent liegt. Zwar hat der Niedergang der SPD eine lange Vorgeschichte, nur da die klassische Klientel, die Arbeiter, anfangs nur langsam „ausstarb“, war die Not der Partei, sich neu zu erfinden, nicht existenziell. Als sie es wurde, startete die Sozialdemokratie zahlreiche Versuche, neue Wählerschichten zu erreichen, doch bisher missglückte alles. Nach der „Partei der Mitte“ und SPD-Chef Gerhard Schröder, versuchte man danach erfolglos, die Partei „Die Linke“ zu kopieren, in den letzten Jahren wurden die Grünen das Vorbild. Doch inzwischen hat die SPD-Führung unter Gabriel und Generalsekretärin Andrea Nahles erkannt, dass ihre Partei immer dann besonders stark verliert, wenn sie besonders stark auf grüne Themen setzt. Offenbar wählen die Deutschen dann doch lieber gleich das grüne Original, wenn es um Umweltschutz und ähnliches geht. Die SPD muss also wieder SPD werden, so die Schlussfolgerung im Willy-Brandt-Haus. Nur wie?

Distanz zu den Grünen schaffen, lautet nun offenbar die neue Parole. Und so wirft der SPD-Chef den Grünen eine illusionäre Haltung zum Atomausstieg und eine unkalkulierbare Außenpolitik vor, während seine Leute im Hintergrund versuchen, Themengebiete zu finden, auf denen sich ihre Partei profilieren könnte. Im Vordergrund attackiert Gabriel also die Bundesregierung und die Grünen und lässt die Debatte, wer denn möglicher SPD-Kanzlerkandidat werden könnte, laufen, um seine Partei im Gespräch zu halten, als hätte sie eine reelle Chance, einen Kanzler zu stellen. Im Hintergrund versuchen Nahles und der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach derzeit, die Partei auf einen neuen Entwurf für eine Bürgerversicherung einzuschwören, mit der die Partei demnächst die deutschen Wähler umwerben will. Ziel des überarbeiteten Konzeptes ist es vor allem, sich von den Grünen abzusetzen. Gleichzeitig will man natürlich das soziale Profil schärfen und so sieht auch der überarbeitete Entwurf vor, die privaten Krankenkassen abzuschaffen, so dass künftig alle Bürger in das gesetzliche Gesundheitssystem einzahlen. Die privaten Krankenkassen dürften nach den Plänen der SPD keine neuen Kunden werben, die Altkunden bekämen die Möglichkeit, in die gesetzliche Kasse zu wechseln, aber die Privaten dürften die Altersrücklagen behalten, um sich selbst abzuwickeln. Während die Kassenpatienten weniger zahlen sollen, wird den Arbeitgebern eine Erhöhung ihres Anteils auf 7,08 Prozent an der gesetzlichen Sozialversicherung aufgebrummt. Auch soll für den Arbeitgeberanteil künftig keine Beitragsbemessungsgrenze mehr gelten. Diese liegt derzeit bei einem Jahresbruttogehalt von 44500 Euro. Für den Versicherten soll diese Grenze jedoch weiterhin gelten, was für die SPD ein spektakulärer Bruch mit ihren bisherigen Plänen ist. Doch die Partei weiß auch, dass, so sie denn wieder bessere Wahlergebnisse erzielen will, sie auch die Mittelschicht ansprechen muss. Zwar verzeichnen die Grünen auch in der gut verdienenden Mittelschicht steigende Anhängerzahlen, obwohl sie genau dieser Klientel finanziell ans Leder wollenl, aber hier will sich die SPD ja gerade von den Grünen unterscheiden. Auch wird im überarbeiteten Entwurf zur Bürgerversicherung Abstand von der Idee genommen, künftig Krankenkassenbeiträge nicht nur auf Gehälter, sondern auch auf Kapitaleinkünfte und Mieteinnahmen zu erheben. „Zu bürokratisch“, heißt es aus dem Kreis um Nahles und Lauterbach, obwohl derartige Bedenken die SPD bisher noch nie von ihren Plänen abgehalten haben. Da aber die Grünen Beiträge auf Krankenkassen und Mieteinahmen erheben wollen, will man es ihnen ja nicht gleichtun.

Allerdings hat die SPD-Führung ein Problem und zwar den linken Flügel in den eigenen Reihen. Der findet derartige Pläne gar nicht sozial. Und um zu beweisen, dass die Spitze in Berlin nicht einfach neue Wege gehen kann, vollführten dieser Tage Jusos und die Arbeitsgemeinschaft 60plus laut „Spiegel“ eine eindrucksvolle Rolle rückwärts in die Vergangenheit: Sie forderten die Abschaffung der Riester-Rente und wollen, dass die gesetzliche Rente wieder „vorrangig und verlässlich“ einen angemessenen Lebensabend sicherstelle. Zudem sollten Freiberufler und Selbstständige mit in die gesetzliche Rente einzahlen und die Rente mit 67 solle abgeschafft werden. Jusos und die Arbeitsgemeinschaft 60plus taten in ihrer Forderung so, als gäbe es den demographischen Wandel und die Erkenntnise und Debatten der letzten Jahre nicht. Rebecca Bellano


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