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23.04.11 / Bleibende Spuren hinterlassen / Die christliche Religionsgemeinschaft der Aramäer wehrt sich gegen ihre Vernichtung

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 16-11 vom 23. April 2011

Bleibende Spuren hinterlassen
Die christliche Religionsgemeinschaft der Aramäer wehrt sich gegen ihre Vernichtung

Vor allem in Nordamerika und Europa leben die aus ihrer Urheimat vertriebenen Aramäer. Ostern ist für sie alle ein Fest, an dem sie ihrer Wurzeln gedenken.

Anfang April empfing Papst Benedikt in Rom die Bischöfe der syrisch-malabarischen Kirche aus Indien, die rund 3,8 Millionen Gläubige im südlichen Bundesstaat Kerala zählt. Die indischen Bischöfe berichteten dem Kirchenoberhaupt bei ihrem turnusmäßigen „Ad-Limina-Besuch“ (an den Gräbern der Apostel) über ihre blühenden Gemeinden. Doch auch die Probleme blieben nicht unerwähnt. Wie es später diplomatisch hieß, habe ihnen Benedikt das Verständnis der christlichen Ehe, die ständige Weiterbildung der Ordensleute in der christlichen Lehre und die Auswahl der Bischöfe besonders „ans Herz“ gelegt.

Diese indische Teilkirche der römisch-katholischen Christenheit wächst heute stark und führt sich direkt auf die Gründung des „ungläubigen“ Apostels Thomas zurück. „Syrisch“ nennen sich diese Christen seit alters her, weil sie von der palästinisch-aramäischen Christenheit abstammen. Wie ihre Mitbrüder im ehemaligen (As)-Syrien und in Palästina haben die indischen Christen die alt-aramäische Sprache in ihrer Liturgie bis heute bewahrt.

Ganz im Gegensatz zum lahmenden Christentum in unseren Breiten können sich die Klöster und Orden in Indien über mangelnden Nachwuchs nicht beklagen. Die Priesterseminare sind trotz des Zölibats überfüllt. Daher konnten in den letzten vier Jahrzehnten über 500 indische Priester als Missionare und Pfarrer nach Europa, Australien und in die USA gesandt werden.

Wer sich heute auf die Suche nach weiteren „syrischen“ Kirchen im Nahen und Mittleren Osten macht, stößt auf die orthodoxe Christenheit, die heute in Syrien, im Libanon, der Türkei sowie im Irak und Iran in kleinen Gemeinden und Kirchentümern lebt. In diesem Gebiet des alten Assyrien, das bereits von den ersten Aposteln Jesu missioniert wurde, sprechen die Menschen bis heute das Aramäische in östlichen und westlichen Dialekten.

Im Raum des heutigen Syriens und dem Irak entstand in der zweiten Hälfte des ersten nachchristlichen Jahrtausends eine Hochkultur, die eine Synthese aus griechischen, islamischen und christlichen Strömungen bildete. Sie wirkte über Jahrhunderte zusammen und ließ wissenschaftliche und philosophische Werke hoher Güte entstehen. Archäologen fördern aus dieser Zeit ehemals prachtvolle Bauwerke zu Tage. In alten Kirchen oder Wohngebäuden in Palästina werden aramäische Inschriften oder kostbare Bodenmosaiken entdeckt. Vom Griechischen ins Aramäische übersetzte Bibeln und Predigten zeugen vom Leben dieser Epoche.

Erst im zweiten Jahrtausend wandelte sich die Situation der Christen im Nahen Osten grundlegend. Dazu trugen die Kreuzzüge ebenso bei wie die Abschottung des Islam gegenüber einer christlich geprägten Kultur, Wissenschaft und Philosophie. Seit den turkmenischen und arabischen Eroberungszügen wurde die christliche Minderheit von der islamischen Mehrheitsbevölkerung immer stärker benachteiligt und unterdrückt.

Seit dem Ende des 20. Jahrhunderts gerieten die Christen zusätzlich zwischen die Konfliktlinien im Nahen Osten. Zuerst im türkisch-kurdischen Grenzkrieg seit den 80er Jahren, dann seit 2002 in dem von den USA angeführten Irakkrieg. Von etwa einer Million orthodoxer Christen des Landes mussten etwa 600000 fliehen. So ergibt sich heute ein paradoxes Bild. Die große Mehrheit der palästinisch-aramäischen Christenheit lebt heute als Vertriebene in Europa oder Nordamerika. Wer etwa das Osterfest der „syrisch-orthodoxen“ Christen mitfeiern will, braucht nur in das Telefonbuch irgendeiner europäischen Großstadt zu schauen, um die Gottesdienste in urchristlicher Liturgie einmal mitzuerleben. Hinrich E. Bues


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