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23.04.11 / Wie ein Krebsgeschwür

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 16-11 vom 23. April 2011

Wie ein Krebsgeschwür
von Wilhelm v. Gottberg

In Europa ist im letzten Jahr über die völlig überschuldeten Staaten Griechenland, Irland und Portugal viel gesprochen und geschrieben worden. Die Zahlungsfähigkeit dieser Staaten konnte nur mit millionenschweren Zuwendungen aus dem europäischen Rettungsfonds gewährleistet werden. Niemand weiß genau, ob nicht in naher Zukunft weitere hochverschuldete Euro-Staaten diese Hilfe benötigen. Die Wahrscheinlichkeit ist groß. Ob der nun eingerichtete Stabilitätsmechanismus (ESM) die Dauerexistenz des Euro garantieren kann, ist keinesfalls ausgemacht. Griechenland und Portugal können aus eigener Kraft die erhaltenen Kredite nicht zurückzahlen. Wie lange wird die europäische Solidarität mit den Kostgängern währen?

Die Bemühungen um den Erhalt und die Stabilität des Euro haben in Europa den Blick auf ein sehr viel größeres Konfliktpotenzial für die Weltwirtschaft und das Weltfinanzsystem verstellt: Es ist die furchterregende Überschuldung der USA, die per 31. März 2011 14,2 Billionen Dollar betrug. Bis zur – vom Kongress genehmigten – Schuldenobergrenze sind es nur noch 76 Milliarden Dollar. Eine lächerlich geringe Summe, die nach Auskunft des US-Finanzministers am 16. Mai aufgezehrt sein wird. Die Zahlungsunfähigkeit der USA war nur noch eine Frage von wenigen Wochen.

Vor 14 Tagen haben sich Republikaner und Demokraten gemeinsam geeinigt, im laufenden Haushaltsjahr 39 Milliarden Dollar einzusparen. Diese Einsparung wird nicht reichen, um die steigenden Zinsen für die aufgenommenen Kredite zu kompensieren. Haushaltsgründe zwangen die USA, ihre Beteiligung am Libyen-Konflikt zurückzufahren.

Obamas Finanzberater, der zugleich Mitvorsitzender der „Nationalen Kommission für fiskalische Verantwortung“ ist, führte kürzlich vor dem Finanzausschuss des Senats aus: „Diese Verschuldung und diese Defizite, die wir uns laufend einhandeln, sind wie ein Krebsgeschwür und werden dieses Land von innen zerstören; außer wir zeigen gesunden Menschenverstand und machen etwas dagegen … Das Problem ist real, die Lösung ist schmerzhaft und wir müssen handeln. Die Märkte werden uns völlig vernichten, wenn wir nicht handeln.“

Präsident Obama hat nun als Ziel vorgegeben, in den nächsten zwölf Jahren vier Billionen Dollar einzusparen. Das ist unrealistisch, weil bisher in den letzten Jahren die jährliche Neuverschuldung eine Billion Dollar oder mehr betrug. Obamas Glaubwürdigkeit zum Sparen ist gering, da er bisher mit „Maß halten“ nicht aufgefallen ist. Bei Beginn seiner Amtszeit lag die Gesamtverschuldung der USA bei 10,7 Billionen Dollar. Erst, als die Republikaner mit deutlich schärferen Sparvorschlägen die Verschuldung thematisierten und damit politisch punkten konnten, wurde von der Regierung hastig ein eigenes Schuldensenkungsprogramm konzipiert. Der Streit über Einsparungen im US-Haushalt wird das beherrschende Wahlkampfthema bei der Präsidentenwahl 2012 sein. Obama und seine Demokraten wünschen Steuererhöhungen für Reiche und Gutverdienende. Die Republikaner lehnen Steuererhöhungen generell ab. Ein besonderes Problem der amerikanischen Verschuldung sind die drei Billionen US-Dollar Devisenreserven Chinas. Der größte Teil der chinesischen Fremdwährungsbestände lautet auf Dollar. China ist Amerikas größter Gläubiger. Was das bedeutet, wenn aus den Reibereien bei den Handelsbeziehungen der beiden Staaten ein ernsthafter Konflikt wird, kann man sich schwer vorstellen. Man erinnere sich deshalb an den 29. Oktober 1929.


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