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23.04.11 / Der Sprung nach Europa / Vor 1300 Jahren begann

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 16-11 vom 23. April 2011

Der Sprung nach Europa
Vor 1300 Jahren begann von Afrika aus die islamische Invasion auf der iberischen Halbinsel

Mit der Landung in Gibraltar vor 1300 Jahren fasste der Islam erstmals in Europa Fuß. Auch heute noch beherrschen Fragen der afrikanischen Migration die gesellschaftliche Diskussion in Spanien.

Am 28. April 711 landet der Gouverneur von Tanger, der islamisierte Berber Tariq ibn Ziyad, mit seiner ebenfalls aus Berbern bestehenden Truppe von 7000 Mann an dem Flachstrand, der den Felsen namens Calpe mit dem spanischen Festland verband – genau nördlich von Ceuta an der afrikanischen Gegenküste, das von den Moslems zwei Jahre vorher besetzt worden war. Er errichtete vorsichtshalber erst ein an den Berg angelehntes Befestigungswerk. Das nannte er „Dschebel al Tariq“, „Berg des Tariq“, woraus die Spanier später „Gibraltar“ machten. Die Kähne, auf denen er übergesetzt hatte, ließ er verbrennen, denn : „Wir sind nicht hierher gekommen, um wieder zurückzukehren. Entweder werden wir uns hier erobernd festsetzen oder wir werden umkommen.“

Seine Gegner waren die christlichen Westgoten, die seit dem späten 5. Jahrhundert den größeren Teil der iberischen Halbinsel zu ihrem Königreich gemacht hatten. Ihr König hieß seit einem Jahr Roderich (Rodrigo), er musste nun von einem Feldzug gegen die stets aufmüpfigen Basken weg nach Süden hasten. Dort verlor er gegen Tariq im Juli 711 Schlacht und Leben, wahrscheinlich am Rio Guadalete, in der Nähe des heutigen Arcos de la Frontera. Seine Mitstreiter bargen den Leichnam und bestatteten ihn in Viseu, das im heutigen Portugal liegt, das damals noch nicht existierte.

Tariq stieß nun verblüffend schnell mit verschiedenen Kolonnen auf Malaga, Cordoba und sogar auf die westgotische Hauptstadt Toledo vor. Ihm war einer der folgenreichsten Siege der Geschichte gelungen, man kann nur die näheren Umstände nicht zuverlässig rekonstruieren. Die Verwandtschaft von Roderichs Vorgänger Witika, die bei der Thronfolge übergangen worden war, soll die Moslems verräterischerweise zu Hilfe gerufen haben – aber die historische Kritik hat diese Version nicht bestätigt. Es gibt auch die Geschichte, der westgotische Graf von Ceuta habe die Moslems auf den König gehetzt, um Rache für die Entehrung seiner Tochter zu nehmen. Die Entscheidungsschlacht soll acht Tage gedauert haben, islamische Historiker beziffern das westgotische Heer auf 1000000 Mann, die Moslems auf 12000; Tariq hatte vor der Schlacht Verstärkung bekommen.

Für seine militärischen Erfolge erntete Tariq jedoch nicht etwa Dank und Anerkennung. Vielmehr war er für seinen Auftraggeber Musa ibn Nusair, den Statthalter von „Ifriqiya“ („Afrika“, Maghreb-Region), zu erfolgreich geworden, denn Musa ibn Nusair hatte nur einen Streifzug ohne Schlacht gewollt. Musa rückte im Jahre 712 mit 18000 Mann, unter denen die Araber dominierten, auf die Halbinsel nach. Er tadelte Tariq offiziell, aber setzte mit ihm, da die Aussicht auf Beute prächtig war, den Feldzug bis an die Pyrenäen fort. Da fiel ihnen der Kalif von Damaskus in den Arm, weil diesem so viel Erfolg seiner Untergebenen unheimlich wurde. Musa und Tariq wurden in die Zentrale zurückbeordert und mit ihrer Karriere war es aus.

Später gründeten die Moslems in Spanien ein eigenes Kalifat, das von Cordoba, in Konkurrenz zu dem mittlerweile von Damaskus nach Bagdad umgezogenen. Dieses Kalifat von Cordoba hat eine geradezu multikulturelle Blüte aus islamischen, christlichen und jüdischen Elementen hervorgebracht, in Wissenschaft, Literatur, Musik und Architektur, mit einer Nachblüte im Emirat Granada (14./15. Jahrhundert). Besonders islamische Autoren weisen heute wieder, in einer Zeit erstarkenden muslimischen Selbstbewusstseins, auf die Strahlkraft des Kalifats von Cordoba in „Al Andalus“ hin. Einer von ihnen, Jamal Ahmad, zitiert in seinem Werk „100 große Moslems“, zu denen er auch Tariq ibn Ziyad zählt, einen – nicht näher bezeichneten – „gut bekannten christlichen Schriftsteller“: „Die Mauren (Moslems) organisierten dieses wundervolle Königreich von Cordoba, das das Wunder des Mittelalters war und das, als ganz Europa in barbarische Ignoranz und Zwietracht versunken war, als einziges die Fackel der Wissenschaft und der Zivilisation hell und strahlend der westlichen Welt vor das Antlitz hielt.“

Jedenfalls haben die spanische „reconquista“ (Wiedereroberung) und die mit ihr verbundenen, rigiden Disziplinierungsmaßnahmen der spanischen Könige wie Zwangstaufen, Kontrolle durch die Inquisition und Vertreibungen die Halbinsel fraglos zu einem Bestandteil der christlich-abendländischen Welt gemacht. Deshalb gibt es auch im heutigen Spanien Unbehagen über die Migration von Moslems aus Afrika. Migrationsfragen sind auch in spanischen Wahlkämpfen zu Top-Themen avanciert.

Ab 2008 wurde Spanien von einer Wirtschaftskrise erfasst, die die Migranten als billige und daher bis dahin geduldete, wenn auch nicht integrierte Arbeitskräfte besonders traf. Das Schlagwort von der „Festung Europa“ bekam einen neuen Kurswert, ganz zu schweigen von der unterschwelligen Assoziation der am Rande der Gesellschaft lebenden Migranten mit dem internationalen Terrorismus. Setzt Tariq erneut nach Gibraltar über?          Bernd Rill


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