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23.04.11 / Als die ersten »Aviatiker« kamen / Der Flughafen Fuhlsbüttel feiert 100. Geburtstag, doch die Wiege der Hamburger Luftfahrt stand im preußischen Wandsbek

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 16-11 vom 23. April 2011

Als die ersten »Aviatiker« kamen
Der Flughafen Fuhlsbüttel feiert 100. Geburtstag, doch die Wiege der Hamburger Luftfahrt stand im preußischen Wandsbek

Hamburg gehört mit seinem Flughafen Fuhlsbüttel, dem Airbus-Werk und der Lufthansa-Basis zu den bedeutendsten Luftfahrtstandorten Europas. Wenn in diesem Jahr mit vielen Veranstaltungen der 100. Geburtstag des ältesten deutschen Flughafens gefeiert wird, bleibt zumeist unerwähnt, dass die Anfänge der Hamburger Luftfahrt in der damals noch zu Preußen gehörenden Stadt Wandsbek lagen.

Nichts deutet heute mehr darauf hin, dass es im damals noch preußischen Wandsbek Anfang des 20. Jahrhunderts ein Flugfeld gab. Nach der Gründung des Deutschen Reiches 1871 wurde Wandsbek Garnison des preußischen Husaren-Regiments Nr. 15. Um die Truppe unterbringen zu können, kaufte die Reichsregierung 1880 am südlichen Stadtrand ein Gelände, auf dem sie eine Kavalleriekaserne errichten ließ. Östlich davon wurde ein Übungsgelände mit einem Exerzierplatz, Schießständen und weiteren Anlagen für die reiterliche und die infanteristische Ausbildung angelegt.

Die absolut ebene und weitläufige Exerzierfläche übte einen natürlichen Reiz auf einige bekannte „Aviatiker“ aus, die hier ab 1907 mit Segel- und Motorflugzeugen nicht nur ihre Probeflüge unternahmen, sondern sogar Flugrekorde aufstellten, die in ganz Deutschland mit Spannung verfolgt wurden. Am Rande des Exerzierplatzes wurden zwei Schuppen errichtet, um die empfindlichen Fluggeräte aus Holz, Draht und Leinwand unterzustellen. Im Jahre 1909 unternahmen die beiden Ingenieure F. Sternemann und W. Siebert hier die ersten Flugversuche mit einem von ihnen konstruierten Drehflügler mit zwei Rotoren, der als Vorläufer des Koaxialhubschraubers gilt. Zwei Jahre später gründete der aus Netra in der preußischen Provinz Hessen-Nassau stammende Flugpionier und Flugzeugkonstrukteur Carl Caspar in Wandsbek sein „Centrum für Aviatik“. In einer kleinen Baracke betrieb er sein Konstruktionsbüro und eine angeschlossene Flugschule.

Unterdessen war in Hamburg-Fuhlsbüttel mit Unterstützung des Senats die „Hamburger Luftschiffhallen GmbH“ gegründet und mit dem Bau einer großen Halle der Grundstein für den Flughafen gelegt worden. Caspar erkannte, welche Möglichkeiten sich ihm hier boten, und er zog 1912 mit seiner Firma von Wandsbek nach Fuhlsbüttel um. Im gleichen Jahr gründete er die Hanseatische Flugzeugwerke Carl Caspar AG und begann mit der Lizenzfertigung des von Igor Etrich entworfenen Eindeckers „Taube“, aus dem später die legendäre „Rumpler Taube“ hervorging. Damals schossen die Flugzeugfabriken wie Pilze aus dem Boden und der harte Konkurrenzkampf besiegelte das Schicksal vieler kleinerer Firmen. Caspars Unternehmen fusionierte kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges mit den Brandenburgischen Flugzeugwerken in Briest an der Havel zur Hansa- und Brandenburgische Flugzeugwerke AG (HBF).

Als er eingezogen wurde, trennte sich Caspar von seinen Anteilen. Den Krieg erlebte er als Kampfflieger und flog den ersten Bombenangriff auf England. Nach seiner Entlassung aus dem Militärdienst kaufte er seine Firmenanteile 1917 zurück, gründete die Hanseatischen Flugzeugwerke in Hamburg neu und übernahm das ehemalige Fokker-Werk in Travemünde. Bei Kriegende 1918 hatte er bereits über 6000 Beschäftigte. 1921 wandelte er seine Firma in die Caspar-Werke um und schied bald danach aus dem Unternehmen aus. Wenige Jahre später gerieten die Flugzeugwerke, die Sport- und Reisemaschinen sowie die ersten Agrarflugzeuge der Welt produzierten, in finanzielle Schwierigkeiten. Die Reichsmarine kaufte sie über eine Tarnfirma auf und ließ die von den Caspar-Werken produzierten Flugzeugteile nach Schweden bringen, wo sie zu Kampfflugzeugen zusammengebaut wurden. Dadurch sollte der Versailler Vertrag umgangen werden, der Deutschland den Bau von Militärflugzeugen verbot. Als dies bekannt wurde, ging Caspars Lebenswerk im Zuge der „Lohmann-Affäre“, die mehrere Militärs und Politiker das Amt kostete, in Konkurs.

Doch auch nach Cas­pars Weggang ging der Flugbetrieb in Wandsbek weiter. Im März 1912 erschien erstmals ein Flugzeug über der Hamburger Innenstadt.  Am Knüppel des Eindeckers „Oertz V2“ saß der holländische Flugpionier Henry Wynmalen. Aus dem Heideort Schneverdingen in der preußischen Provinz Hannover kommend, kreiste er über der Stadt, bevor er in Wandsbek seinen „Fernflug“ über 75 Kilometer beendete. Der Konstrukteur der Maschine war der in Berlin aufgewachsene Werftbesitzer Max Oertz, einer der bekanntesten deutschen Yachtkonstrukteure seiner Zeit. Auch der marinebegeisterte Kaiser Wilhelm II. gehörte zu seinen Kunden, für den er die berühmten Yachten „Meteor IV“ und „Meteor V“ konstruierte. Doch Oertz baute auf seiner Werft in Hamburg-Neuhof nicht nur Segel- und Motorboote, sondern er machte sich auch mit der Entwick­lung von Flugzeugen und sich selbst stabilisierenden Fesselballonen einen Namen. Sein erstes Motorflugzeug baute er bereits im Jahre 1909, zwei Jahre später entwickelte er den ersten aerodynamischen geschlossenen Flugzeugrumpf. Im Auftrag der Berliner Wright GmbH baute die Werft zudem einige Exemplare des Doppeldeckers der Gebrüder Wright und konstruierte für die Marine Flugboote. Die Testflüge wurden vom eigenen Werkflugplatz in Schneverdingen aus durchgeführt. Seine „V2“ blieb eine Woche als ein wahrer Publikumsmagnet in Wandsbek und machte viel beachtete Schauflüge.

Bei Kriegsausbruch 1914 wurde der Flugbetrieb in Wandsbek eingestellt. Doch einige Jahre später erfüllte wieder Motorengedröhn die Luft über der preußischen Stadt. Die Wandsbeker Großgärtnerei Neubert nutzte den ehemaligen Exerzierplatz als Wirt-schafts­­flugplatz, um Maiglöck­chen per Flugzeug nach Amsterdam und von dort weiter in alle Welt zu exportieren. Der Gärtner und Lebensmittelgroßhändler

Erich Neubert kultivierte großflächig die damals „in Mode“ gekommenen Maiglöckchen. Sein Unternehmen hatte auf diesem Gebiet landes- und auch weltweit Geltung, denn Neubert hatte ein Verfahren entwickelt, die Keime tiefzukühlen. Seine „Eis-Keime“ ermöglichten es ihm, zu jeder Jahreszeit blühende Maiglöckchen zu liefern. Die Nachfrage war so groß, dass er den Transport nur mit Hilfe des Flugzeugs bewältigen konnte. In den Jahren 1935/36 errichtete die Wehrmacht auf dem ehemaligen Exerzierplatz die Douaumont-Kaserne, in der sich heute die Universität der Bundeswehr befindet.

Damit fand der Flugbetrieb in Wandsbek, das zwei Jahre später nach Hamburg eingemeindet wurde, sein endgültiges Ende. Allerdings war der noch nicht bebaute Bereich des Militärgeländes noch lange als Notlandeplatz ausgewiesen. Im Laufe der letzten Jahrzehnte wurden alle noch freien Flächen des ehemaligen Militärübungsplatzes bebaut, so dass heute nichts mehr an die Wandsbeker Flugfelder und die ersten Anfänge der Luftfahrt in Hamburg erinnert.  Jan Heitmann


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