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30.04.11 / Streiter wider den Zeitgeist / Der Erfurter Maler Friedrich Nerly kämpfte gegen die Modernisierung Venedigs im 19. Jahrhundert

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 17-11 vom 30. April 2011

Streiter wider den Zeitgeist
Der Erfurter Maler Friedrich Nerly kämpfte gegen die Modernisierung Venedigs im 19. Jahrhundert

Es sind ihre Schönheit und ihre Melancholie, die sie ausstrahlt und die seit Jahrhunderten Reisende wie auch Künstler in ihren Bann ziehen. Venedig, die zauberhafte Lagunenstadt, ist seit Canalettos Zeiten (1697–1768) immer wieder Anziehungspunkt und Thema unterschiedlichster Künstler gewesen.

Die besondere Lage der „Serenissima“, die Pracht der Paläste, Gondeln und Kanäle sowie nicht zuletzt das besondere Licht zogen viele Künstler nach Venedig. Die Ausstellung „Venedig-Bilder in der deutschen Kunst des 19. Jahrhunderts“ war zuvor in Karlsruhe zu sehen (PAZ 5/2011). Jetzt werden die mehr als 100 Gemälde, Aquarelle, Zeichnungen und historischen Fotografien von Malern, Zeichnern und Fotografen aus dem deutschsprachigen Raum in Paderborn ausgestellt. Maler aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert wie Oswald Achenbach, Ludwig Dill, Max Liebermann, Hans Makart und Carl Spitzweg waren fasziniert von der unvergleichlichen Lage der einstigen „Königin der Meere“ und ihren reichen Kunstschätzen. Viele Künstler verbrachten längere Zeit in Venedig und mieteten sich Ateliers. Andere kehrten immer wieder in die Stadt der Gondeln, Brücken und Kanäle zurück und blieben dort bis zum Lebensende.

Dem morbiden Charme der Stadt nahezu verfallen scheint Friedrich Nehrlich gewesen zu sein. Geboren 1807 in Erfurt, kam er nach dem frühen Tod seines Vaters 1815 zu einem Onkel nach Hamburg. Der erkannte bald die künstlerische Begabung des Jungen. Ersten Zeichenunterricht bekam er unter anderem von einem weiteren Onkel, Heinrich Joachim Herterich, der ihn später auch als Lehrling in seine lithographische Werkstatt aufnahm. Die Bekanntschaft mit dem Mäzen Freiherr Karl Friedrich von Rumohr sollte für den jungen Nehrlich weitreichende Folgen haben. Er wurde 1823 Schüler von Rumohr und begleitete diesen 1827 auf eine ausgedehnte Reise, die sie über Weimar, wo Nehrlich Goethe kennen lernte, schließlich nach Italien führte. Nach Rom reiste Nehrlich Ende 1828 allein weiter, um vorerst dort zu bleiben. Der Erfurter war derart von Italien begeistert, dass er in diesem Jahr seinen Namen in „Nerly“ änderte. Ende Oktober 1835 ließ der Künstler sich dann in Venedig nieder und etablierte sich bald in der dortigen Kunstszene. Er wurde Ehrenmitglied der Akademie zu Venedig und zum Professor ernannt. In der Lagunenstadt fand der Erfurter die Motive, mit denen er weltweit bekannt wurde. „Unermüdlich skizzierend und aquarellierend eignete sich Nerly ein auf Architektur und Staffagefiguren konzentriertes Motivrepertoire an, das als Grundlage für seine Gemälde und für großformatige, sorgfältig durchgearbeitete Aquarelle von bildhaftem Anspruch diente“, schreibt Ursula Merkel im Begleitbuch zur Ausstellung (Michael Imhoff Verlag, 29,95 Euro).

Die Italiensehnsucht des Nordens bereitete Nerly das Feld, so dass er als „Porträtist Venedigs“ bald gut davon leben konnte. Neben einzelnen Gebäuden interessierten ihn auch die aus den unterschiedlichen Epochen stammenden Fassaden. Sein Herz hing zweifellos an Venedig und so empörte er sich über die rasant fortschreitenden Modernisierungsmaßnahmen seiner Zeit. 1858 schrieb er: „Mit der Sucht und Schönheitswut die Städte anziehender zu machen, kömmt allenthalben ein theuers Leben, besonders auf Kosten des fremden Publicums bei modernen Städten, wo dem zugleich aber doch wenigstens auch die Comforts sich verbessern, geht das noch an, wo durch jeden Schritt Modernisierung die Schönheit dieser einzigen Stadt immer mehr zu Grunde gerichtet wird, ist es … würklich schmerzhaft, den sogenannten fortschreitenden Zeitgeist sich breit machen zu sehen…“ Nerlys Darstellungen von Venedig aus dem 19. Jahrhundert sind somit auch ein wertvolles Zeugnis der alten Architektursubstanz.

Seine Kunden fand Nerly sogar in höchsten Kreisen. So verlieh ihm der König von Württemberg 1852 als Anerkennung und Dank das Ritterkreuz 1. Klasse des Ordens der Württembergischen Krone, mit dem der persönliche Adel verbunden war. Nach dem Tod Friedrich Nerlys 1878 in Venedig gelangte der künstlerische Nachlass nach Erfurt. Damit wurde der Grundstein für die Gemäldegalerie im Angermuseum der Landeshauptstadt gelegt.      Silke Osman

Die Ausstellung ist in der Städtische Galerie in der Reithalle Paderborn, Schloss Neuhaus, bis zum 3. Juli dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr zu sehen, feiertags geöffnet.


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