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07.05.11 / Der verweigerte Warnschuss / Jugendgewalt: Rot-Rot will auch nach jüngsten Exzessen weder mehr Streifen noch Kameras

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 18-11 vom 07. Mai 2011

Der verweigerte Warnschuss
Jugendgewalt: Rot-Rot will auch nach jüngsten Exzessen weder mehr Streifen noch Kameras

Im Februar traten Jugendliche einen Maler in der U-Bahn ins Koma, im März prügelten andere einen 17-Jährigen krankenhausreif, als dieser einen Streit schlichtete. Vor Tagen traten zwei 18-Jährige auf einen 29-Jährigen ein, auch als der schon am Boden lag. Wieder wurde Berlins U-Bahn Kulisse für versuchten Totschlag. Die Häufung extremer Übergriffe facht die bisher ergebnisarme politische Diskussion wieder an.

Der Täter Torben P. stammt zwar aus gutbürgerlichem Hause, war jedoch in der Schule zurückgefallen und in die Punkerszene abgetaucht. Er und ein Komplize traten dem Opfer mehrfach bis zur Bewusstlosigkeit gegen den Kopf. Der 29-Jährige hätte sterben können. Eine Anklage wegen versuchten Mordes hat Torben nicht zu fürchten, denn: Die dafür ausschlaggebenden „niederen Motive“ wollen die Strafverfolger nicht erkennen. Indes: Der Haupttäter steht fest und ist geständig. Videobilder haben ihn überführt. Nur dank dieser Beweise plant der Staatsanwalt eine tatzeitnahe Anklage. Die Bilder zeigen, wie anlasslos und brutal die Tat war. Die Veröffentlichung der Aufnahmen hat Druck auf den Täter ausgeübt, sich zu stellen. Trotz der Schwere des Delikts erhielt er Haftverschonung. Das löst öffentliche Empörung aus. Die trifft auch den Senat.

Joachim Lenders, Vorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), hat wenig Verständnis für den schonenden Umgang mit den Gewalttätern: „Es kann nicht sein, dass nach einer solchen Prügelattacke die beiden 18-Jährigen auf freien Fuß gesetzt werden.“ Er und andere Polizisten sehen den im rot-roten Berlin auf Vorbehalte stoßenden Warnschussarrest als wirksame Maßnahme gegen junge Täter. Helmut Rüster, Sprecher der Opferschutzorganisation Weißer Ring, fordert hingegen „konsequentere Sanktionen“ für Intensivtäter. Für ihn zählt vor allem die tatzeitnahe Verurteilung: „Die Strafe muss wie eine schallende Ohrfeige auf dem Fuße folgen, sonst verstehen sie nicht, was sie verbrochen haben.“

Die Bundesregierung will den Warnschussarrest nun bundesweit ermöglichen. Ein entsprechendes Papier bereitet die bekennende linksliberale Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) vor. Der Arrest soll demnach in Ergänzung zu einer Bewährungsstrafe junge Kriminelle abschrecken. Die Strafe könne dem Täter „seine Verantwortlichkeit für das begangene Unrecht und die Folgen weiterer Straftaten“ verdeutlichen. Es gehe darum, den Jugendlichen aus dem Milieu mit „schädlichen Einflüssen herauszunehmen“, sagt die Ministerin.

Bei führenden SPD-Politikern stößt sie damit weiterhin auf Widerstand: „Ich denke, dass wir ein völlig ausreichendes Sanktions-Instrumentarium haben“, meint der Innenexperte der SPD-Bundestagsfraktion, Dieter Wiefelspütz. Das Jugendstrafrecht sei stark pädagogisch, „und das ist auch gut so“, ergänzt er ganz im Tenor von Berlins Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD). Der hatte im Februar bereits vom Kriminologen Christian Pfeiffer harte Kritik für seinen Umgang mit Jugendgewalt erhalten. Berlin „verwalte“ das Problem bloß, so Pfeiffer. Zur Jugendgewalt in öffentlichen Verkehrsmitteln sagte Wowereit im April, dass mehr Sicherheit nur „durch deutlich höhere Ticketpreise finanziert“ werden könne. Also bleibt alles, wie es ist.

Dabei ist das Problem seit Jahren bekannt. Seit Wowereit sich gegen die Grünen als Regierungspartner entschied, versucht selbst deren Berliner Spitze, einen härteren Kurs in Sachen Jugendgewalt zu finden und der SPD Wähler abzuwerben. So verkündete Grünen-Fraktionschef Volker Ratzmann 2008: „Wir stehen in Berlin an einer Schwelle, an der man handeln muss.“ Er wirft dem Senat vor, zu gewalttätigen Jugendlichen „keine Meinung“ zu haben. Allerdings trifft Ratzmann auch in der eigenen Partei auf heftigen Widerstand: Berliner Grüne wie Hans-Christian Ströbele können härteren Strafen wenig abgewinnen. Ströbele will stattdessen mehr Personal an den S- und U-Bahnhöfen in der Nacht. Der Senat hält dagegen, die geringe Wirkung von mehr Streifendienst sei erprobt. Schon 2003 reduzierten BVG und Polizei die Personalpräsenz vor Ort.

Nach den jüngsten Taten sicherte Polizeipräsident Dieter Glietsch allerdings zu, Streifen an Haltestellen mit hoher Kriminalität wieder einzuführen. Der Senat sieht darin wegen hoher Kosten und geringer Fahndungserfolge aber kein wirksames Mittel. Die Videoüberwachung, deren Ausweitung der Senat lange blockierte, erscheine geeigneter. Innensenator Ehrhart Körting (SPD) befürwortet nun jedoch deren Ausweitung auf Bahnhofsvorplätze und öffentliche Gebäude: „Der eine oder andere Datenschutzfreak“ wehre sich noch, sonst keiner, so Körting lakonisch.

Nicht belehren lassen wollen sich die Grünen auch in Sachen Videoüberwachung. Sie beharren auf ihrer grundlegenden Ablehnung. Dass Berlins Ermittler vor allem dank Überwachungsvideos Erfolge erzielen, spräche eigentlich für Erhalt und Ausbau des Kamerasystems. Dennoch setzen die Grünen als einzige weiter fast völlig allein auf „Vorbeugung“. In der grünen „Werkstatt Innenpolitik“ im Dezember wurde über „gewaltlegitimierende Männlichkeitsnormen“ gesprochen und „welche Erziehungsmaßregeln und Zuchtmittel (§ 5 JGG) überhaupt wirksam sowie welche Alternativen zu Arrest und Jugendstrafe möglich sind“. Von „vermeintlich steigender Brutalität“ ist dort die Rede, als wäre dies keine Tatsache – die grüne Ankündigung, „Kuschelpädagogik“ zu beenden, erscheint da manchen als Phrase.        SV


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