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14.05.11 / Thälmann grüßt 600 Mal / CDU protestiert: Überall in Brandenburg sind noch Straßen nach Kommunistenführern benannt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 19-11 vom 14. Mai 2011

Thälmann grüßt 600 Mal
CDU protestiert: Überall in Brandenburg sind noch Straßen nach Kommunistenführern benannt

Mehr als 20 Jahre nach der Revolution gegen das SED-Regime sind im Land Brandenburg immer noch zahlreiche Straßen und Plätze nach Kommunisten-Führern benannt. Die CDU-Fraktionschefin im Potsdamer Landtag, Saskia Ludwig, möchte das ändern. Der Eindruck einer „Kleinen DDR“ drängt sich allerdings nicht nur bei der monotonen Aneinanderreihung von Luxemburg- und Thälmannstraßen in Brandenburgs Straßen auf.             

Hinter einer Kleinen Anfrage, die CDU-Fraktionschefin Saskia Ludwig am 26. April im Potsdamer Landtag eingebracht hat, verbirgt sich einiger Aufwand für das Brandenburger Innenministerium. Ludwig fordert eine detaillierte Auflistung über die Straßennamen in den 14 Landkreisen und vier kreisfreien Städten des Landes. Die Parlamentarierin sieht einen Teil der Namensgeber kritisch und will eine Überprüfung von Straßen erreichen, die zum Beispiel nach wie vor nach SED-Politikern benannt sind. Vertreter der deutschen Wissenschaft, preußische Künstler und den Widerstandskreis um Claus von Stauffenberg sieht die CDU-Politikerin deutlich unterrepräsentiert.

Die Beispiele, die angeführt werden, sind tatsächlich fragwürdig. Etwa die obligatorischen „Thälmannstraßen“ – der erklärte Feind der Weimarer Republik ziert deutschlandweit noch immer 600 Plätze und Straßen. Ludwig will auch wissen, warum im Potsdamer Ortsteil Glienicke eine Straße nach dem KPD-Funktionär und Chef der Volkspolizei Kurt Fischer benannt ist. Dieser hatte in der Nachkriegszeit eine verhängnisvolle Rolle im Zuge der sogenannten Bodenreform im Land Sachsen gespielt. Selbst in den eigenen Reihen sah sich der Funktionär Vorwürfen der Unterschlagung und Bereicherung ausgesetzt, seine Rolle beim Tod des ersten sächsischen Ministerpräsidenten der Nachkriegszeit, Rudolf Friedrichs, ist nach wie vor umstritten.

Die Rolle, die der Kommunist Fischer bei der Ausschaltung von Sozialdemokraten innerhalb der zwangsvereinigten SED gespielt hat, ist hingegen hinreichend geklärt. Dass die SPD, die in Potsdam seit der Revolution durchgängig den Oberbürgermeister stellt, in den mehr als 20 Jahren keinen Anlass gesehen hat, die Ehrung einer so belasteten Figur wie Kurt Fischer zurück zu nehmen, lässt sich nur mit der politischen Kultur und dem Diskussionsklima im Nachwende-Brandenburg erklären.

Seit 1990 haben die regierenden Sozialdemokraten eine wirklich kritische Auseinandersetzung mit der Geschichte der SED-Diktatur vermieden. Zunächst fand dies mit Rücksicht auf Ministerpräsident Manfred Stolpe statt, der sich mit dem Vorwurf einer Zusammenarbeit mit der Stasi ausgesetzt sah. Auch unter seinem Nachfolger Matthias Platzeck und dessen Koalitionspartner, der PDS, dann Linkspartei, hat sich das nicht geändert.

Schweigen und Verdrängen machen sich nicht nur an Äußerlichkeiten wie Straßennahmen fest. Während Platzeck in den USA versuchte, Wirtschaftskontakte zu knüpfen, holten ihn Schlagzeilen aus der Heimat ein. Mehrere Richter der Brandenburger Justiz stehen im Verdacht, in der Vergangenheit mit dem Staatssicherheitsdienst zusammengearbeitet zu haben.

Während es in einigen Bundesländern inzwischen erste Überlegungen gibt, ob die seit zwei Jahrzehnten arbeitenden Stasi-Beauftragten ihre Aufgabe erfüllt haben und das entsprechende Amt wieder abgeschafft werden kann, hat Brandenburg als letztes Bundesland erst im Februar 2010 überhaupt eine entsprechende Behörde geschaffen. Die Versäumnisse sind erwartungsgemäß groß. Vom neuen Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen Roland Jahn wird das Niveau der Debatte in Brandenburg beklagt. Sein Eindruck über den Stand der Brandenburger Diskussion: „Wie Anfang der 90er Jahre“. Die Versäumnisse setzten sich bei der Bildungspolitik fort. Bereits im Jahr 2008 wurde bekannt, dass Brandenburger Schüler Schlusslicht sind, wenn es um Kenntnisse über die SED-Diktatur ging. Der Leiter des Forschungsverbunds SED-Staat an der Freien Universität Berlin kritisierte, dass bundesweit nirgends die Wissensdefizite so dramatisch groß waren wie bei Brandenburger Schülern.

Aus dem Unterricht war die politische Entwicklung Mitteldeutschlands zwischen 1945 und 1989 weitgehend herausgehalten worden. Die Landeszentrale für politische Bildung führt ein ehemaliges SED-Mitglied. Viele bezweifeln, dass dies die richtige Person ist, um die Defizite in der politischen Aufklärung zu beseitigen.

Befürchtet wird, dass die Antwort des Brandenburger Innenministeriums auf die Anfrage der CDU-Fraktionschefin ohnehin nicht allzu ausführlich ausfällt – die Benennung von Straßen und Plätzen liegt nämlich in kommunaler Verantwortung.

Für Brandenburger Verhältnisse wäre es jedoch bereits ein Fortschritt, wenn überhaupt eine öffentliche Diskussion über die Geschichtsklitterung per Straßenbenennung in Gang kommt. Der CDU-Politiker Jörg Schönbohm war in der Vergangenheit bereits innerhalb der eigenen Partei nicht vorangekommen, als er die anachronistischen Straßennamen und Denkmäler Brandenburgs zum Thema machen wollte.         Norman Hanert


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