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14.05.11 / Jonglieren mit Worten / Sigrid Sandmann möchte ihre Mitmenschen zum kreativen Umgang mit Worten anregen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 19-11 vom 14. Mai 2011

Jonglieren mit Worten
Sigrid Sandmann möchte ihre Mitmenschen zum kreativen Umgang mit Worten anregen

Die Hamburgerin Sigrid Sandmann arbeitet mit Sprache und fasst ihre Einfälle in außergewöhnliche Projekte. Ihre Schöpfungen sind mittlerweile international gefragt. Oft geistern Sigrid Sandmann ungewöhnliche Worte durch den Kopf – „Kunstkarotten“ und „Uralterzukunftsgedanke“ beispielsweise. Diese schreibt sie nicht einfach nur auf, sondern gestaltet sie kreativ. Gerne trägt die Künstlerin ihre Wortkunstwerke in den öffentlichen Raum. Dabei ist es ihr sehr wichtig, dass die Schöpfungen genau zu den Plätzen passen, wo sie ausgestellt werden. Und aus dem Grunde setzt sich Sandmann intensiv mit der Historie der Orte auseinander, spricht mit Menschen, die dort leben oder die Orte kennen.

So war es auch bei einem ihrer Lieblingsprojekte – einem fast 450 Quadratmeter großen Transparent, das im Sommer 2007 an den Grindel-Hochhäusern in Hamburg zu deren 50-jährigem Bestehen hing. Hierfür führte sie Interviews mit älteren Mietern, die schon lange in den Hochhäusern leben. Sie erzählten von der schwierigen Wohnsituation nach dem Krieg und von besonderen Nachbarschaften.

Die Wortkunstwerke der Künstlerin sind auch in beruflichen oder privaten Räumen anzutreffen. So haben einige Menschen einzelne Wörter aus dem ehemaligen Transparent als „Einwortwerke“ erworben und damit ihr Büro oder ihr Eigenheim geschmückt. Eine Beraterin hat das Wort „seelig“ gekauft, das die Künstlerin unkorrekter weise mit doppeltem Vokal geschrieben hat. Die Frau meinte, es passe gut in ihr Büro, weil sie täglich mit der Seele von Menschen zu tun habe. Auch eine IT-Firma nutzt eines der Einwortwerke der Künstlerin im beruflichen Kontext. Die Firma entschied sich für „machen“. Das Eimsbütteler Standesamt ist ebenfalls mit einem Wort aus dem Transparent geschmückt, dessen Bedeutung keiner weiteren Erläuterung bedarf: An der Wand prangt ein überdimensionales „Ja“.

Auch auf internationalem Boden spielt Sigrid Sandmann am liebsten mit Sprache: Bei ihrem nächsten Vorhaben, das in Sydney stattfinden wird, möchte sie Menschen dazu ermuntern, sich selbst auszudrücken und im öffentlichen Raum frei zu äußern. Die Menschen sollen hierzu an ein Rednerpult treten und in ein Mikrofon sprechen, ihre Äußerungen sollen dann sichtbar und unzensiert per Lichtprojektion in Leuchtschrift auf einem historischen Cottage erscheinen.

Solche interaktiven Projekte liegen der Künstlerin besonders am Herzen, denn sie möchte die Menschen ermuntern, selbst kreativ zu werden. Auch in der Hansestadt hatten bereits einige Kunstfreunde die Möglichkeit, an einem solchen Projekt mitzuwirken: Im Juni 2010 war Sandmann mit dem „Wortfindungsamt“ beim Stadtteilfest in Ottensen zu Gast. Für einige Wochen wurde sie dort zur Kunstbeamtin: In einem Bauwagen empfing sie Bürgerinnen und Bürger mit deren Wortwünschen. Diese wurden auf Hartschaumplatten in Schilderform gedruckt. Mit weißem Hintergrund und schwarzer Schrift erinnern sie ein wenig an Straßenschilder – und ganz fern ist dieser Gedanke auch nicht. Für einige Wochen waren die Wortkreationen, ebenso wie Straßenschilder, im gesamten Stadtteil zu sehen, da die Erfinderinnen und Erfinder dafür einen geeigneten Ort auswählten und sie dort aufhängten. Solche Wortkreationen erzählen oft ganz persönliche Geschichten, wie beispielsweise der „Blickflirt“, der von Sandmann für eine junge Frau angefertigt wurde: Die Frau platzierte das Schild genau an dem Ort, an dem sie jeden Morgen auf dem Weg zur Arbeit mit einem unbekannten Mann einen kurzen Blick austauscht. Da sie selbst so viel Freude an dem Projekt hatte und es auch bei vielen Menschen sehr gut ankam, kann sich die Künstlerin gut vorstellen, ihr „Amt“ noch an vielen verschiedenen Orten zu eröffnen – eine Fortsetzung folgt zunächst im September in Krefeld.       Corinna Weinert


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