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14.05.11 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 19-11 vom 14. Mai 2011

Der Wochenrückblick mit Hans Heckel
Arm durch Aufschwung / Wie hohe Steuereinnahmen zu tiefen Schlaglöchern führen, wo das viele Geld hin ist, und warum Hellas erst später pleitegehen darf

Endlich eine gute Nachricht: Die Steuereinnahmen sprudeln so kräftig wie noch nie. Im kommenden Jahr nehmen Bund, Länder und Gemeinden voraussichtlich 21 Milliarden Euro mehr ein als bisher gedacht. Bis 2014 summieren sich die unverhofften Mehreinnahmen gar auf stolze 136 Milliarden. Wir schwimmen im Geld, wie herrlich! In keinem vergleichbaren Zeitraum in der Geschichte der Bundesrepublik waren die Steuer­erlöse so üppig, wie sie es in den Jahren 2012 bis 2014 sein werden.

Ja, und in keinem vergleichbaren Zeitraum in der Geschichte der Bundesrepublik waren die Straßen so löchrig, die Brücken so zerschlissen, die Schulen so marode und die Staatsschulden so hoch, wie sie es in den kommenden Jahren sein werden. Für den Neubau von Fernstraßen, die noch nicht angefangen sind, sei ab 2012 überhaupt kein Geld mehr da, heißt es aus Fachkreisen. Die alten Pisten benötigen nur noch einen oder zwei harte Winter bis zur Sperrung oder zum Tempo-30-Schild: „Vorsicht Straßenschäden“. Und innerorts? Die Gemeinden warnen hinsichtlich Schul- oder Straßensanierung eindringlich vor „zu hohen Erwartungen“.

Die öffentlichen Schulden sollen bis 2016 dennoch munter weiter wachsen, ab da dürfen sie es (offiziell) nicht mehr wegen der „Schuldenbremse“. Oder war es bis 2020? Ist auch egal, denn bis dahin ist der Politik bestimmt etwas eingefallen, wie man sich der lästigen Bremse elegant entledigt. Wieso sollte es dem deutschen Schuldenstopp anders ergehen als den dunnemals „unverhandelbaren Regeln des Euro-Systems“.

Schon komisch, nicht wahr? Auf der einen Seite drückt eine Monsterwelle von Steuergeldern ins Rohr unserer öffentlichen Finanzen, doch auf der anderen Seite tropft nur ein immer spärlicher werdendes Rinnsal wieder heraus. In der Mitte muss irgendwo ein Loch sein.

Diesen Verdacht hegte auch Dieter Spethmann, ein erfahrener Wirtschaftskapitän, stolze 18 Jahre lang Chef der großen Thyssen AG. Spethmann wurde fündig und erschrak dermaßen, dass er seine Entdeckung gleich im „Focus“ veröffentlichte: Danach stehe Deutschland für 391 Milliarden Euro in den verschiedenen Rettungsschirmen gerade – wenn man  Griechenpakete, den deutschen Anteil an den IWF- und EZB-Mitteln und was noch alles zusammenrechnet. (Was Politiker tunlichst vermeiden. Jetzt wissen wir, warum.)

Was laut Spethmann aber noch viel härter wirkt und vor allem: die Deutschen längst ganz persönlich in die Brieftasche zwickt, dass sei der „Mehrzins“, den die Deutschen wegen des Euro zu zahlen hätten: Bei uns seien die Kredite teurer geworden, damit sie in den ehemaligen Weichwährungsländern billiger werden konnten. Laut dem Ex-Thyssen-Chef müssten die Deutschen aus privaten wie öffentlichen Kassen dafür jährlich rund 100 Milliarden Euro mehr an Zinsen berappen, als sie es ohne den Euro hätten tun müssen.

Dazu bezahlten die Deutschen über die Europäische Zentralbank EZB für die ungedeckten Importe unserer schwächeren Euro-Partner, macht laut Dieter Spethmanns Berechnung noch einmal 150 Milliarden pro Jahr. Alles zusammengenommen kommt der Topmanager a.D. auf 1542 Milliarden Euro, welche die Deutschen seit Einführung des Euro 1999 haben abdrücken müssen.

Dabei hat Spethmann eine Sache ausgelassen, auf die uns Ifo-Chef Hans-Werner Sinn unlängst aufmerksam machte: Früher haben Banken, Versicherungen und große Anlagefonds das Geld der deutschen Einzahler hauptsächlich in Deutschland angelegt – wegen der zu hohen Risiken bei Anlagen außerhalb des eigenen Währungsraums. Seit Euro-Einführung sei das ganz anders geworden: Von den rund 1500 Milliarden Euro, welche die Deutschen in der ersten zehn Euro-Jahren seit 1999 angespart hätten, seien zwei Drittel ins Ausland abgeflossen, beispielsweise in diese sagenhaften spanischen Immobilienprojekte, die ungeheure Renditen versprachen. Oder in griechische Staatsanleihen. Deshalb habe die deutsche Konjunktur trotz „Exportweltmeisterschaft“ jahrelang gedümpelt, sei Deutschland das einzige (!) Euro-Land gewesen, in dem die Reallöhne von 1999 bis 2008 gesunken seien.

Kurzum: Rund 2500 Milliarden Euro, soviel wie das gesamte deutsche Bruttoinlandsprodukt, sind seit 1999 Euro-bedingt sonstwohin gegangen – und fehlten im Land. Da passt die Geschichte von sprudelnden Steuerquellen und einem vergammelnden Land mit bestenfalls stagnierenden Reallöhnen doch wieder recht gut zusammen. Der Export bricht alle Rekorde, die Wirtschaft boomt, die Steuerquellen speien Geld ohne Unterlass – nur speien sie es eben woandershin.

Das Glück derer, die dafür verantwortlich sind, besteht darin, dass eine blühende Konjunktur den Deutschen in den kommenden Jahren so viel Bares in die Taschen stopfen soll, dass sie die vielen klebrigen Fremdfinger darin kaum spüren werden.

Was passiert, wenn es wieder mau wird mit der Konjunktur, ist bereits vorhersehbar: Schon die letzten Jahre haben die Deutschen auf die wachsende Belastung reagiert, indem sie für immer weniger Geld immer härter und effizienter gearbeitet haben. Die Länder, in die das Geld floss, haben mit den vielen deutschen Euros derweil immer teureren, immer größeren Blödsinn angestellt.

Daraus erwuchsen die so bitter beklagten „Ungleichgewichte“ in der EU. Angeführt von Frankreich beschweren sich die Südländer lautstark darüber, dass die Deutschen den schwächeren Ländern mit ihrer teutonischen Wirtschaftsstärke die Luft zum Exportieren nähmen. Vor allem, weil wir zu wenig konsumierten, unsere Löhne zu niedrig seien und wir deshalb alle mit unseren Waren überschwemmten.

Das ist wirklich hässlich von uns. Eine Lösung wäre ja, sie gäben uns einfach unser Geld zurück, dann könnten die Firmen höhere Gehälter zahlen und die Deutschen mehr ausgeben – unsere Produkte würden teurer (weniger Wettbewerbsvorteil für „Made in Germany“) und wir könnten mehr importieren.

Das geht aber nicht, aus zwei Gründen: Erstens wäre es unsozial und uneuropäisch, denn sozial und europäisch ist es nur, wenn Deutschland zahlt. Zweitens geht es auch gar nicht, denn die haben das Geld ja längst verjubelt.

Bleibt also nur eine Lösung: Die Belastungen für die Deutschen müssen zugunsten unserer europäischen Partner noch einmal deutlich erhöht werden, insbesondere, wenn wir wie angenommen unsere Wirtschaft tatsächlich ab jetzt jahrelang wächst. Wir können also davon ausgehen, dass wir aus diesem „Jahrhundert-Boom“ spürbar ärmer herauskommen werden, als wir hineingegangen sind.

Aber das ist ja noch Jahre hin. Jetzt gilt es erst einmal, die nächsten Klippen zu überwinden, konkret: die unvermeidliche Pleite Griechenlands so lange wie möglich hinauszuschieben. Je früher die nämlich kommt, desto mehr müssen die Banken und Versicherungen, die großen Pensions- und Investmentfonds bluten, wenn die griechischen Staatsanleihen in ihren Depots nur noch die Hälfte wert sind nach dem gefürchteten „Schuldenschnitt“.

Daher kaufen die Regierungen und die EZB, Löwenanteil jeweils Deutschland, derzeit wie die Gesengten griechische Schulden von den Banken etc. auf mit den Milliarden aus den Rettungsschirmen oder aus dem Säckel der Zentralbank. Wenn es richtig gut läuft, dann haben die großen Geldhäuser ihr gesamtes Griechenland-Investment (sprich: -Risiko) just an dem Tag komplett bei den Steuerzahlern abgeladen, an dem Athen die Hände hebt.

EZB-Ratsmitglied Ewald Nowotny weiß, was er sagt, wenn er warnt: Ein Bankrott Griechenlands „würde die Krise nur beschleunigen“. Er sagte nicht: vertiefen oder verschlimmern, sondern: beschleunigen. Genau darum geht es: Langsam muss es laufen, damit der Plan gelingt.


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