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21.05.11 / VW greift nach MAN / Volkswagen will einen neuen LKW-Riesen schaffen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 20-11 vom 21. Mai 2011

VW greift nach MAN
Volkswagen will einen neuen LKW-Riesen schaffen

VW-Miteigentümer und Aufsichtsratsvorsitzender Ferdinand Piëch macht nun Ernst mit seiner Absicht, den VW-Konzern bis 2018 zum größten Automobilhersteller der Welt zu entwickeln. Dies soll durch Produktionssteigerungen in den Schwellenländern und durch weitere Zukäufe ermöglicht werden.

Im PKW-Bereich fertigt der Konzern in einem Dutzend Ländern der Welt die breite Palette der VW-Autos sowie PKW der Marken Seat, Audi, Skoda und andere. VW produziert seine PKW’s mit ausgezeichneter Qualität. Besonders in der Entwicklung sparsamer Motoren ist der Wolfsburger Konzern auf der Welt führend.  Schon vor zehn Jahren konstruierten die Wolfsburger das Ein-Liter-Auto, das allerdings für den Alltagsbetrieb untauglich war. Doch die Mühen haben sich ausgezahlt. VW hat inzwischen im Kleinwagensegment das Drei-Liter-Auto auf dem Markt, und der neue „Passat“ wird mit 4,5 Liter Spritverbrauch auf 100 Kilometer angeboten. Damit hat VW eine starke Position auf dem Markt.

Im Lastwagensegment produziert der Konzern kleine und mittelgroße Transporter. Außerdem hat VW das Sagen beim schwedischen LKW-Hersteller Scania. Diese Trucks gelten auf dem LKW-Markt als Edelkarossen. Der VW-Konzern hält 71 Prozent der Aktien an Scania; der schwedischen VW-Tochter wurde bisher die Eigenständigkeit belassen. Offensichtlich ist VW mit dem Management von Scania zufrieden, denn der dortige Vorstandsvorsitzende erhielt erst vor wenigen Wochen einen neuen Vertrag. Das war für den Scania-Chef Leif Östling eine außergewöhnliche Auszeichnung, denn der Schwede wird in Kürze 66 Jahre alt und sein Vertrag wurde bis 2015 verlängert. Insider vermuten, dass Piéch sich die Dienste Östlings auch noch für die Anfangsphase des angestrebten Nutzfahrzeugkonzerns sichern wollte.

Nun greift VW nach dem traditionsreichen LKW-Hersteller MAN, der in München ansässig ist.

Die Wolfsburger hielten bisher schon knapp 30 Prozent der MAN-Anteile, nun haben sie auf über 30 Prozent aufgestockt. Wenn ein Unternehmen mehr als 30 Prozent der Anteile an einem anderen Unternehmen hält, ist es gesetzlich verpflichtet, ein Übernahmeangebot an die verbleibenden Aktionäre öffentlich bekannt zu geben. VW will bis Ende Mai den verbleibenden MAN-Aktionären ein Angebot machen. Im Gespräch sind 95 Euro pro Aktie. Die Kasse bei VW ist mit zehn Milliarden Euro gut gefüllt. Hervorragende Absatzzahlen ermöglichen weiterhin kräftige Überschüsse. Den Konzernlenkern in Wolfsburg wäre es durchaus Recht, wenn die MAN-Aktionäre auf das Übernahmeangebot nicht eingingen. Man würde weiterhin auf dem Markt MAN-Aktien erwerben. Bei einem 40 Prozent-Anteil etwa könnten die Bosse in Wolfsburg bei MAN in München durchregieren, denn auf der Hauptversammlung wäre keine Gegenmacht mehr vorhanden, um die Besetzung der Aufsichtsräte im Sinne der Wolfsburger zu verhindern. Bei Aktionärsversammlungen sind in der Regel nie mehr als 70 Prozent des gesamten Eigenkapitals vertreten.

Die Sparte VW Nutzfahrzeuge mit den Marken VW, Scania und MAN würde auf dem Weltmarkt der Lastkraftwagen ein starker Mitbewerber. Durch die Zusammenlegung der Entwick­lungsabteilungen der einzelnen Marken verspricht sich die Konzernleitung Synergie-Effekte von etwa  einer Milliarde Euro jährlich. Der nächste Wachstumsschritt ist bereits angedacht. Dem führenden LKW-Hersteller Daimler soll die Spitzenposition streitig gemacht werden.

Der LKW-Markt bietet im kommenden Jahrzehnt riesige Wachstumschancen. Die Absatzmärkte der Zukunft liegen in den BRIC-Staaten (Brasilien, Russland, Indien und China). Aufgrund der starken Beanspruchung der LKW in den Schwellenländern – bedingt durch fehlende Straßen und den Einsatz im Übertage-Bergbau – sind sie nach längstens drei Jahren schrottreif.

Ob allerdings VW weltweit auf Wachstumskurs bleibt, ist keinesfalls eine sichere Bank. Der Konzern unterhält Produktionsstätten von Schweden bis Südafrika und von Brasilien über Indien bis China. Bei einem derart verzweigten Konzern wird es immer wieder – um es bildlich zu sagen – zu Bränden kommen. Brände können gelöscht werden, notfalls durch Gesundschrumpfung. Sollte ein Brand allerdings einmal auf die Konzernzentrale durchschlagen, hat Deutschland Feuer unter dem Dach.

Unternehmerisches Handeln ist immer mit Risiken behaftet. Das wird niemand besser wissen, als VW-Patriarch Piëch. Hoffentlich studieren seine potenziellen Nachfolger nicht nur Kunstgeschichte.  Wilhelm v. Gottberg


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