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21.05.11 / Ein »Volk von Henkern«? / Ein wahrheitswidriges Bild der Deutschen gezeichnet

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 20-11 vom 21. Mai 2011

Ein »Volk von Henkern«?
Ein wahrheitswidriges Bild der Deutschen gezeichnet

„Er bezeichnete die Juden … als ‚Volk von Henkern‘“. Wer? Oliver Guez behauptet: „der CDU-Abgeordnete Martin Hohmann.“ Doch wer dessen angefeindete Rede nachliest, findet genau das Gegenteil: „Daher sind weder ‚die Deutschen‘ noch ‚die Juden‘ ein Tätervolk.“ Verleumdung oder „nur“ üble Nachrede? Angesichts einer so ungeheuerlichen Entgleisung fällt es dem Rezensenten schwer, die Lektüre des faktenreichen, flott geschriebenen Buches fortzusetzen. Was stimmt, was ist Phantasieprodukt und was ist erlogen?

Dass sich Guez wenig Mühe macht, seine Annahmen zu prüfen, bevor er sie feilbietet, zeigt allein schon sein häufiger Gebrauch von Wortkombinationen wie „im Land der Mörder“ statt Deutschland und „Volk von Henkern“ statt die Deutschen. Er könnte es besser wissen, wenn er die Zeitzeugen der NS-Ära nach dem Verhalten der gewöhnlichen Deutschen den Juden gegenüber befragt hätte. Einige dieser Zeugen kommen zwar bei ihm vor, so Victor Klemperer, aber nicht mit den Bekundungen, die den Deutschen ein gutes Zeugnis ausstellen, so mit Sätzen wie: „Fraglos empfindet das Volk die Judenverfolgung als Sünde.“ Guez schwafelt lieber vom „Komplizentum der großen Mehrheit der Deutschen“. Er hat ein Faible für die SPD und schwärmt für Kurt Schumacher. Doch die Berichte der Exil-SPD kennt er offenbar nicht. Auch sie sind im Ergebnis eindeutig positiv für das „Volk von Henkern“.

Soll man Sätze wie den folgenden unbeanstandet lassen: „In den westlichen Besatzungszonen vereitelten sie die Entnazifizierung, indem sie sich gegenseitig Bescheinigungen ausstellten, vom Gesetz zur Befreiung vom Nationalsozialismus nicht betroffen zu sein (‚Persilscheine‘).“ Welche Naivität wird hier den Menschen von damals und den Lesern heute unterstellt? Es gab sie, die „Persilscheine“. Aber sie hatten selbstverständlich nur dann Beweiskraft, wenn der Unterzeichner unbelastet war.

Dann das Märchen von der tollen Versorgung der deutschen Bevölkerung während der Kriegsjahre. Götz Aly habe es bewiesen. Wozu gab es dann die mehrmals verschärften Lebensmittelrationierungen? So kann nur schreiben, wer die Zeit nicht erlebt und Zeitzeugen nicht konsultiert hat. Wieder: Man lese Klemperer, den optimalen Chronisten dieser Jahre.

Der Haupttitel des Buches wird durch den Inhalt nicht bestätigt. Sachgerechter das französische Original: „L’Impossible Retour“. Der Untertitel ist treffend gewählt: „Eine Geschichte der Juden in Deutschland nach 1945“. Zahlreiche lebende Zeitzeugen der Nachkriegsära dienen als Garanten, so Ralph Giordano, Marcel Reich-Ranicki, Fritz Stern und Peter Gay. Von jedem der Genannten gibt es Autobiographisches auch die NS-Ära betreffend. Hätte es Guez zur Kenntnis genommen, wäre das Wunder nicht gar so groß, von dem mehrmals die Rede ist angesichts der Tatsache: „Synagogen werden wieder aufgebaut, eine junge Generation definiert selbstbewusst ihr Judentum.“ So erklärt sich die enorme Zuwanderung von Juden aus dem Osten, die in Deutschland, nicht Israel, das Gelobte Land erblicken. Hinzu kommen die Entschädigungen, insgesamt bisher rund 80 Milliarden Dollar. Bis 2030 werden es 104 Milliarden sein. Doch manche kommen dennoch nie an, auch wenn sie schon lange hier leben. Guez zitiert eine Lola Waks: „… mir geht es gut. Wenn die Deutschen das Wort ‚Jude‘ hören, werden sie ganz klein. Seit Jahrzehnten versuche ich, ihnen ein schlechtes Gefühl zu machen, ich spiele mit ihrer Schuld und ihrem schlechten Gewissen, vor allem bei den Älteren. Ich erzähle jedem, dass ich Jüdin bin, und ich freue mich über den Effekt, den das auslöst. Das ist meine persönliche Rache. Nur deshalb bin ich dageblieben. Ich bin immer im Krieg.“ „Ihre Augen glänzten vor Hass.“ Von Hass und Rache ist in dem Buch viel die Rede. Welch ein Fluch! Das wahrheitswidrige Bild unserer Vorfahren ist der Nährboden.    Konrad Löw

Oliver Guez „Heimkehr der Unerwünschten – Eine Geschichte der Juden in Deutschland nach 1945“, Piper, München 2011, 410 Seiten, Euro 22,95

Wer mehr über die angesprochene Zeit wissen möchte, findet Informationen in Konrad Löws jüngstem Buch „Deutsche Schuld 1933 –1945? Die ignorierten Antworten der Zeitzeugen“, mit einem Vorwort von Klaus von Dohnanyi und mit einem Nachwort von Alfred Grosser, Olzog Verlag, München 2010, 464 Seiten, gebunden, 39,90 Euro


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