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21.05.11 / Wenn die alltägliche Belastung krank macht / Die Autorin vermeidet zu viele »Baustellen«, lässt aber vieles unausgesprochen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 20-11 vom 21. Mai 2011

Wenn die alltägliche Belastung krank macht
Die Autorin vermeidet zu viele »Baustellen«, lässt aber vieles unausgesprochen

Eine junge Frau erleidet einen Nervenzusammenbruch und wird in eine psychosomatische Klinik eingewiesen. Die Diagnose Burn-out und Depressionen erfordert eine längere Behandlung, acht Wochen Klinikaufenthalt mit Therapie stehen ihr bevor. Mit ihrem ersten Roman „Acht Wochen verrückt“ hat die Hamburgerin Eva Lohmann, Jahrgang 1981, das Phänomen der immer häufiger auftretenden psychischen und psychosomatischen Erkrankungen aller Altersgruppen aufgegriffen. Lohmanns Protagonistin Mila, 27 Jahre alt, ist tablettenabhängig und leidet offenbar schon seit ihrer Kindheit an Depressionen. Im Laufe der zunehmend als Bürde empfundenen Bürotätigkeit in einer Firma nahm ihre unerklärliche Traurigkeit immer weiter zu und nach einer Beförderung hielt sie der Belastung der täglich in sie gesetzten Erwartungen nicht mehr stand. 

Lohmann schildert Milas Erfahrungen in der Klinik mit leichter Feder, selbstironisch und mitunter fast beschwingt, denn der Alltag und die befremdlich wirkenden Macken und Leiden der Mit-Patienten sind an sich schon bedrückend genug. Herabsetzende Äußerungen hat sie vermieden, sieht man einmal von der „das Huhn“ titulierten Mittvierzigerin ab, die ihr Heil in Yoga und Esoterik sucht. Bei den vielen magersüchtigen jungen Frauen ist es in einzelnen Fällen ein Kampf um Leben und Tod. Diese und andere Patientinnen werden bei einer Verschlechterung ihres Zustands in ein Krankenhaus oder in eine geschlossene Nervenheilanstalt eingewiesen. Die Autorin will aber dennoch keine düstere Stimmung verbreiten. Ihr Buch mit seinem ernsten Inhalt, der mit durchaus dokumentarischem Anspruch vermittelt wird, ist amüsant und lehrreich zugleich. Die Botschaft lautet: Keine Sorge, das meiste ist behandelbar, fast alles kann wieder gut oder jedenfalls erträglich werden. 

 In den Gesprächen mit ihrem Therapeuten steht Milas Verhältnis zu ihrem Vater, einem Top-Manager, im Mittelpunkt. Dieser hatte seine Familie verlassen, als Mila noch im frühkindlichen Alter war. Weitere Anhaltspunkte zur Ursache von Milas Erkrankung liegen offenbar nicht vor. In den Gesprächen zwischen Mila und ihren Mit-Patienten kommt dergleichen auch nicht vor, ebenso wenig die urmenschliche Sehnsucht nach Transzendenz, was an diesem Ort aber unbedingt zu erwarten wäre, da der größte gemeinsame Nenner dieser zusammengewürfelten Schar offenbar eine tiefgreifende Orientierungslosigkeit ist.

Ein wenig Raum hätte den Dis-kussionen der Patienten über exis-tenzielle Fragen schon gebührt. Dem Buch fehlt der zugehörige

Diskurs über ethisch-moralische Aspekte, Weltanschauungen und Werte, da offensichtlich auf Vermeidung zu vieler „Baustellen“ abgezielt wurde. Nach acht Wochen Therapie gibt es für Mila immerhin eine vage Hoffnung: Ein Familiengespräch mit ihren Eltern und dem Therapeuten soll bessere Zeiten einläuten.

Unausgesprochen bleibt, was sich so viele Menschen wünschen, nämlich ein kreatives, einfacheres und gleichzeitig interessanteres Leben. Damit hat sich die Autorin nicht auseinandersetzen mögen, auch an dieser Stelle bleibt sie vorsichtig. Aufgrund solcher Lücken wiegt der Inhalt letztlich nicht schwer genug.   Dagmar Jestrzemski

Eva Lohmann: „Acht Wochen verrückt“, Piper Verlag, München 2011, geb., 195 Seiten, 16,95 Euro


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