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28.05.11 / »Mit zwei Lungenflügeln atmen« / Strategische Allianz zwischen Katholiken und Orthodoxen in Vorbereitung

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 21-11 vom 28. Mai 2011

»Mit zwei Lungenflügeln atmen«
Strategische Allianz zwischen Katholiken und Orthodoxen in Vorbereitung

Ovationen brandeten auf, als sich im März die rund 2000 Zuhörer auf dem Kongress „Kirche in Not“ in Würzburg erhoben und begeistert zwei hohen Kirchenvertretern applaudierten, die sich die Hände reichten. Fast 1000 Jahre sind orthodoxe und katholische Christen getrennte Wege gegangen – nun wollen beide Seiten eine gemeinsame „strategische Allianz“ für die moralische Erneuerung in Europa bilden.

Dem Kongress waren intensive diplomatische Kontakte zwischen dem katholischen Kardinal und vatikanischen „Ökumeneminister“ Kurt Koch sowie dem russisch-orthodoxen Metropoliten und „Außenminister“ Hilarion Alfejew vorausgegangen. Wenige Tage zuvor war Koch persönlich in Moskau bei Patriarch Kyrill I. vorstellig geworden. Bei diesem Besuch wurden grundlegende Gemeinsamkeiten der beiden Kirchen bestätigt, die zusammen rund 50 Prozent der europäischen Bevölkerung vom Ural bis an die Atlantikküste repräsentieren.

Metropolit Hilarion begründete die Notwendigkeit der neuen „strategischen Allianz“ zwischen Orthodoxie und katholischer Kirche mit neuen gesellschaftlichen Herausforderungen im modernen Europa, das seine „religiösen, kulturellen und moralischen Wurzeln eingebüßt“ habe. Die Christen seien zur Verteidigung von Grundwerten wie der Ehe zwischen Mann und Frau, der Unauflöslichkeit der Ehe und der Unverfügbarkeit des menschlichen Lebens aufgerufen. Angesichts des Wertezerfalls im ehemals christlichen Europa sollten die christlichen Kirchen zusammenstehen.

Schon länger äußert der zweit­höchste Vertreter der russischen Orthodoxie scharfe Kritik am westlichen Lebensstil, insbesondere an Wertvorstellungen bestimmter protestantischer Kirchenvertreter wie etwa der ehemaligen EKD-Vorsitzenden Margot Käßmann. Für den christlichen Glauben sei die Segnung von gleichgeschlechtlichen Ehen oder die Abtreibung Ungeborener inakzeptabel. Ein weiterer Anlass zur neuen Allianz sieht Hilarion in der weltweit zunehmenden Christenverfolgung, der man nicht tatenlos zusehen könne. Der Protes­tantismus falle wegen des Werterelativismus trotz einiger Ausnahmen, etwa bei hochkirchlichen Anglikanern oder deutschen Evangelikalen, als strategischer Partner weitgehend aus. So bleibe die katholische Kirche der wichtigste Partner für die Durchsetzung gemeinsamer Wertvorstellungen in Europa.

Kardinal Koch äußerte sich im Grundsatz positiv zur der angestrebten „strategischen Allianz“, wies jedoch auf die Schwierigkeit dieses aus dem Militärischen stammenden Begriffes hin. Man solle nach einem besseren Namen für das „neugeborene Kind“ suchen. Auch sei die katholische Kirche, was die Werte anbelange, lange nicht so einig wie die russische Orthodoxie. Zwar vertrete man im katholischen Katechismus weitgehend ähnliche Lehren, aber im deutschsprachigen Raum habe man vielfältige Probleme, diesen Werten unter katholischen Christen zur Akzeptanz zu verhelfen.

Im anschließenden Gespräch zeigten sich beide Kirchenvertreter einig, dass die „innere Zersetzung“ des Christentums eine Gefahr und die Verteidigung von konservativen Werten eine gemeinsame Aufgabe sei. Dazu zähle auch die Auseinandersetzung mit der wachsenden islamischen Bevölkerung: „Nicht ein starker Islam, sondern ein schwaches Christentum“ wäre ein europäisches Problem, so Koch und Hilarion.

Dass die beiden größten Kirchen Europas nun zusammenwirken wollen, sei die Frucht einer historischen Annäherung in den letzten 30 Jahren, betonte Koch. Sie habe das „Gift“ aus der gestörten Beziehung zwischen katholischer Kirche und der orthodoxen Christenheit genommen. Dies sehe auch der russisch-orthodoxe Patriarch Kyrill I. so. Der Patriarch zolle dem Papst große Anerkennung für sein Eintreten für die traditionellen Werte. Die Christenheit Europas müsse nun wieder lernen, mit „zwei Lungenflügeln“ zu atmen – dem östlichen und dem westlichen, nur dann könne Europa wieder zur alten und neuen Stärke finden.  Hinrich E. Bues


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