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28.05.11 / AKW-Stresstest – Muster ohne Wert / Gegner und Befürworter der Kernkraft finden Argumente, die sie vorher schon kannten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 21-11 vom 28. Mai 2011

AKW-Stresstest – Muster ohne Wert
Gegner und Befürworter der Kernkraft finden Argumente, die sie vorher schon kannten

In sechs Wochen haben einhundert Mitarbeiter der Reaktorsicherheitskommission im Auftrag der Bundesregierung die 17 deutschen Kernkraftwerke einem sogenannten Stresstest unterzogen. Das Ergebnis ist wenig hilfreich. Selbstbedienung, Pro und Kontra zur freien Verfügung: Der Stress­test der Reaktorsicherheitskommission beliefert Gegner wie Befürworter der Kernkraftnutzung mit Argumenten. Jeder kann sich bedienen und das heraussuchen, was seiner Position zuträglich scheint.

Nehmen wir die Befürworter, die ja in der gegenwärtigen, emotional aufgeheizten und völlig einseitigen Diskussion  kaum zu Wort kommen. Ihnen wird auf den meisten der 116 Seiten des Prüfberichts bescheinigt, dass Deutschlands Atommeiler einen „großen Robustheitsgrad“ haben. Im Klartext heißt das: Sie zählen weltweit zu den sichersten.

Das gilt insbesondere für jene Sicherheitseinrichtungen, die im japanischen Fukushima versagten und dort die katastrophalen Folgen des Erdbebens und Tsunamis erst ermöglichten. Im Gegensatz dazu verfügen alle deutschen Kernkraftwerke, auch die ältesten, über mehrere, voneinander völlig unabhängige (redundante) Kühl- und Notkühlsysteme. Sie verkraften auch einen längeren Stromausfall und können eine Überhitzung der Brennelemente bis hin zur Kernschmelze wirkungsvoll verhindern.

Erdbeben- und Hochwasserschutz erfüllen in Deutschland ebenfalls höchste Ansprüche. Hier ist zu berücksichtigen, dass die Geologen heute sehr genau wissen, welche Regionen der Erde aufgrund globaler tektonischer Vorgänge besonders gefährdet sind – Deutschland gehört eindeutig nicht dazu. Erdbeben wie das vom 11. März in Japan können hierzulande mit Sicherheit ausgeschlossen werden, 15 Meter hohe Tsunamiwellen ebenfalls.

Freilich weist der Prüfbericht auch darauf hin, dass die älteren deutschen AKW trotz aller Nachrüstungen nicht in allen Punkten den gleichen hohen Sicherheitsstandard erreichen wie die neueren. Genannt werden hier die Reaktoren von Biblis A und B, Brunsbüttel und Philippsburg. In diesem Zusammenhang finden sich auch die einzigen Aussagen der Kommission, durch die sich die Verfechter eines sofortigen Ausstiegs bestätigt sehen.

Denn alle 17 deutschen Atomkraftwerke sind, so der Bericht, nicht hundertprozentig gegen Flugzeugabstürze gesichert. Zum Teil könnten die Reaktorgebäude nicht einmal den Aufprall „kleiner“ Maschinen aushalten. Dass damit nicht Sportflugzeuge gemeint sind, sondern schnellfliegende Militärjets mit hohem Zerstörungspotential, verschweigen die auf schnellstmöglichen Ausstieg geeichten Meinungsmacher.

Doch auch der Hinweis auf mögliche Terrorakte wie den am 11. September 2001 in den USA ist letztlich nicht überzeugend. Gegen den Absturz eines vollgetankten Jumbos oder Airbus A 380 kann man sich durch großräumige Flugverbotszonen im Umkreis von Kernkraftwerken schützen. Im Übrigen müsste die gleiche Sicherheitsphilosophie – also der absolute Ausschluss auch des geringsten Rest­risikos – ja auch bei anderen Gefährdungslagen angewandt werden. Wie will man zum Beispiel Fußballspiele oder Open-Air-Konzerte schützen?

Was dieser Stresstest wirklich wert ist, erhellt sich auch aus der Tatsache, dass die Prüfer überhaupt keine Zeit hatten, auch nur eines der 17 Kernkraftwerke vor Ort in Augenschein zu nehmen. Wegen der knapp bemessenen Zeit, aber auch wegen der höchst komplexen Materie, musste die Reaktorsicherheitskommission sich auf reine Schreibtischarbeit beschränken und sich auf die Angaben der Kraftwerksbetreiber verlassen.

Schon aus diesem Grund ist der Stresstest ein Muster ohne Wert. Er listet nur noch einmal auf, was ohnehin seit langem bekannt ist. Zwar lobte Bundesausstiegsminister Norbert Röttgen, die Kommission habe „untersucht, was noch niemals untersucht wurde“, lässt aber offen, was er damit gemeint haben könnte und kommt zu dem etwas überraschenden Schluss, es gebe in dem Bericht „kein Argument, zu sagen, wir müssen Hals über Kopf von heute auf morgen aus der Atomkraft raus“ – so zitiert ihn „Die Welt“ und kommt in ihrem Kommentar zu dem Schluss: „Die Meiler sind so sicher oder unsicher, wie sie schon immer gewesen sind.“ Genau das haben Gegner und Befürworter auch ohne Stresstest schon immer gewusst. Und unsere weniger ausstiegsbeflissenen europäischen Nachbarn haben die Botschaft verstanden: Den vom deutschen EU-Energiekommissar Günther Oettinger energisch betriebenen europäischen AKW-Stresstest lassen sie nach dem bewährten Motto „Durch konsequente Nichtbearbeitung von selbst erledigt“ ins Leere laufen. Genau da gehört er auch hin. Hans-Jürgen Mahlitz


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