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28.05.11 / Abkehr unmöglich? / EU will Kroatien trotz fehlender Standards aufnehmen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 21-11 vom 28. Mai 2011

Abkehr unmöglich?
EU will Kroatien trotz fehlender Standards aufnehmen

Während vielerorts von einer „Überdehnung“ der Europäischen Union (EU) der 27 Länder die Rede ist, bereitet sich Kroatien auf den Beitritt im Jahr 2013 vor. In den nächsten Tagen will die EU-Kommission der Regierung in Zagreb offiziell bestätigen, dass alle 35 Kriterien für die Aufnahme erfüllt sind.

Das schwierigste dieser Kriterien trägt die Nummer 23 und behandelt Justiz und Grundrechte. Bisher bemängelte Brüssel, dass beide Felder nicht den europäischen Standards entsprechen würden. Weil die Staatsanwaltschaft nicht unabhängig sei, gäbe es Interessenkonflikte mit dem Staatsapparat. Zudem seien vor den Gerichten noch mindestens 13000 Fälle anhängig, die mehr als zehn Jahre alt sind. Doch Kroatien habe nun „alle Bedingungen“ erfüllt, verlautet aus EU-Kreisen. Die Reformen im kroatischen Justizsystem reichten so tief, dass eine Abkehr unmöglich wäre. Die zuständige EU-Justizministerin Viviane Redding empfiehlt nach einem Bericht der „Welt“, das umstrittene 23. Kapitel der Beitrittsverhandlungen abzuschließen.

Die gegenwärtige ungarische Ratspräsidentschaft strebt an, die Beitrittsverhandlungen noch bis Ende Juni abzuschließen. Zwar bestünden noch offene Fragen in den Bereichen „Wettbewerb“ und „Fischerei“; dennoch ist Ungarns Europaminister Eniko Gyori optimistisch und will die Chance für den Beitritt Kroatiens jetzt nutzen, wie er bei einem Besuch in Dubrovnik in der vorletzten Woche sagte.

Dass der Beitritt tatsächlich zum 1. Januar 2013 vollzogen werden kann, erscheint aus mehreren Gründen fraglich. Zum einen müssen alle 27 EU-Regierungschefs entscheiden. Die anhaltende Krise um den Euro und der Streit um die Schengen-Grenzen machen Regierungen und Bevölkerung immer skeptischer, was die Zukunft Europas angeht. Nicht eine Vergrößerung, sondern eine Verkleinerung der Union steht bereits für eine Reihe von konservativen Parteien in Europa auf der Agenda.

Lange Zeit war es das Nachbarland Slowenien, das die Fortsetzung der Beitrittsverhandlungen wegen eines Streits um die Seegrenzen blockierte. Nun droht Rumänien mit einem Veto und will im Gegenzug zusammen mit Bulgarien die beim Beitritt 2007 auferlegten strengen Regeln der EU gegen die organisierte Kriminalität und Korruption gelockert sehen.

In Deutschland besteht zwar eine positive Grundstimmung gegenüber einem Beitritt Kroatiens, doch schon jetzt verlautet, dass dann „Schluss sein“ müsse mit weiteren Beitritten, wie der CSU-Europaparlamentarier Manfred Weber forderte. Bundeskanzlerin Angela Merkel äußerte sich positiv zum Beitritt: „Deutschland ist sehr offen und freut sich auf einen Beitritt Kroatiens zur Europäischen Union“, sagte die Kanzlerin Anfang Mai in Berlin. Angesichts der Euro-Krise und Problemen mit der Schengen-Vereinbarung über die offenen Grenzübergänge scheint es Merkel jedoch nicht allzu eilig mit einem neuen Kandidaten aus dem Süd-Osteuropäischen (Problem-)Raum zu haben. Zudem steht noch die Forderung Frankreichs im Raum, das gleichzeitig mit Kroatien auch Serbien in den EU-Club holen will.

Derweil schlägt die Stimmung in Kroatien um. Umfragen zeigen, dass gegenwärtig nur noch 50 Prozent einen EU-Beitritt befürworten würden. Da die Bevölkerung des Balkan-Landes in einem Referendum dem Beitritt zustimmen muss, diskutiert man derzeit wohl über die berühmten „ungelegten Eier“. Hinrich E. Bues


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