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© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 21-11 vom 28. Mai 2011
Chemische Keulen gefragt THMPD (Traditional Herbal Medical Product Directive) heißt die Formel, mit deren Hilfe seit dem 1. Mai 2011 die europäische Pharmalobby in Brüssel über die traditionellen Heiler und ihre Pflanzenmedizin einen Sieg errungen hat. Er wird viele bestehende und manchmal Jahrtausende alte Rezepturen zugunsten der oft mit Nebenwirkungen versehenen chemischen Keulen vom Markt fegen. Denn Heilpflanzen unterliegen in Zukunft denselben Bestimmungen wie chemisch hergestellte Arzneimittel. Der Verbraucher wurde darüber so gut wie nicht aufgeklärt. Wegen der Anwendung einiger Bestimmungen seit Ende Oktober 2005 sind ohnehin bereits viele preiswerte und wirksame Naturheilmittel aus den Regalen der Apotheken verschwunden, sogenannte Kräuterläden kommen ebenfalls in Gefahr. Knoblauchkapseln und Thymianaufgüsse zum Beispiel fallen unter die neuen rigiden Regeln. In Kanada, wo sich die Pharmalobby schon früher durchsetzte, ist gar der private Anbau von Heilkräutern per Gesetz verboten. Die neuen Regeln in Europa betreffen auch die Anwendung chinesischer Medizin mit ihren 17000 Natursubstanzen, das indische Ayurveda, afrikanische Rezepturen und indianische Heilmethoden aus Südamerika (Amazonasbecken), die in Europa bereits angewendet werden. Das komplizierte und teure Zulassungsverfahren überfordert die finanziellen Spielräume der meist kleinen und mittleren Hersteller solcher Rezepturen. Zwischen 105000 und 180000 Euro je Pflanze sind dafür aufzuwenden. Ein Medikament aus einem Pflanzenmix wird dann entsprechend teurer, wobei Experten davon ausgehen, dass etwa 90 Prozent der therapeutischen Zubereitungen vor der Europäischen Behörde EFSA ohnehin keine Gnade finden. Wissenschaftler aus 27 Ländern sind mit den entsprechenden Verfahren und Prüfungen beschäftigt. Sie brauchen oft Jahre bis zu einem Bescheid. Im Fall der krampflösenden Wirkung von Fenchel etwa dauerte das Verfahren zwei Jahre, beim roten Weinrebblatt drei Jahre. Eine Lockerung der Bestimmungen gibt es für Naturheilmittel, die bisher mindestens 30 Jahre, davon 15 Jahre in der EU, verwendet worden sind, also in einer Zeit, als sich breite Bevölkerungskreise noch kaum traditionellen Heilmethoden zugewendet hatten und sich die Schulmedizin ohnehin dagegen sperrte. Erst einige Medikamentenskandale und das Auftreten schwerwiegender Nebenwirkungen schärften das Bewusstsein der Patienten und öffneten einen größeren Markt. Immerhin werden, so der französische Pflanzenkundler Thierry Thévenan, weltweit etwa 20000 Pflanzen und Wirkstoffe aus der Natur verwendet, in Mitteleuropa sind es dagegen nur 1700. Mit der ANH, der Allianz für Natürliche Gesundheit, hat sich inzwischen eine Organisation gebildet, die mit einer europaweiten Unterschriftenaktion auf rechtlichem Weg gegen die Brüsseler Kommission vorgehen und die Richtlinie kippen will. In nur 14 Tagen sammelte sie in Frankreich 100000 Unterschriften. Joachim Feyerabend |
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