29.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
28.05.11 / »Trautes Heim – Glück allein« / Eine Ausstellung in Baden-Baden zeigt die Entwicklung der bürgerlichen Familie und ihr Wohnumfeld

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 21-11 vom 28. Mai 2011

»Trautes Heim – Glück allein«
Eine Ausstellung in Baden-Baden zeigt die Entwicklung der bürgerlichen Familie und ihr Wohnumfeld

Zuhause – ein Wort, das mit Behaglichkeit und Geborgenheit verbunden ist. Gab es das Zuhause, so wie man es heute kennt, auch schon früher? Das Museum für Kunst und Technik in Baden-Baden geht dieser Frage nach und stellt die Erfindung der bürgerlichen Familie im 19. Jahrhundert vor.

Der Gang durch die Ausstellung führt die Besucher durch verschiedene Zeit-Räume. So geht man zunächst durch ein großbürgerliches Entrée und gelangt schließlich zu einem großen Webstuhl, der einen daran erinnert, dass Heimarbeit durchaus nicht romantisch war. Die unterschiedlichen Zimmer und häuslichen Lebensbereiche zeigen die rasante Entwicklung im 19. Jahrhundert: die Küche, einst ein soziales Zentrum mit offener Feuerstelle, später hell und lichtdurchflutet mit einem emaillierten Herd, der auf die neuen Möglichkeiten der Massenproduktion hinweist. Toilette und Bad erhielten im

19. Jahrhundert, einer Zeit der medizinischen und hygienischen Entdeckungen, einen neuen Stellenwert. Auch das Kinderzimmer wurde als neue Notwendigkeit erachtet, da man erst im 19. Jahrhundert begann, Kindheit und Jugend als eigene Entwicklungsphasen zu betrachten. Natürlich dürfen auch das gründerzeitliche Herrenzimmer und die Dienstmädchenkammer nicht fehlen. Ein Blick auf eine Wand mit Uhren macht deutlich, dass die technischen Errungenschaften in vielen Haushalten den Heiligenkalender und den landwirtschaftlichen Jahresrhythmus abgelöst haben. Neue Gegenstände im Haushalt wie Glasflaschen aus industrieller Produktion und Gaslampen zeigen die technische Entwicklung, die auch in die Privatsphäre eingreift.

Der Rundgang führt schließlich in ein Kabinett mit hochkarätiger Interieurmalerei, Werken von Martin Drolling, Eduard Gaertner, Kaspar Benedikt Beckenkamp, Franz von Defregger, Albert von Kelle und weiteren Meistern. In der Gegenüberstellung von historischen Alltagsgegenständen mit Gemälden fragt die Ausstellung: Wie interpretierten die Ingenieure, wie die bildenden Künstler den tief greifenden Wandel des häuslichen Lebens?

Die wachsende Industrialisierung und die Ausrüstung des Haushalts mit technischen Geräten – so man sie sich denn leisten konnte – verbesserten die Situation des Hausfrau nicht, stellt Haushaltsexpertin Silvia Frank in ihrem Katalogbeitrag fest: „War die Frau zuvor als Bäuerin oder mitarbeitende Handwerkerfrau auch Produzentin und in die Wirtschaftsordnung integriert, wurde ihr Tätigkeitsfeld nun als bürgerliche Hausfrau auf das Haus und das Hauswesen reduziert. Es begann die Zeit der drei großen K: Kinder, Küche und Kirche! Die Frau sollte ein trautes Heim als Ausgleich zur industrialisierten Arbeitswelt schaffen. ,Schmücke dein Heim‘ war schon damals ein beliebtes Schlagwort. Das Zuhause sollte sich nach außen arbeitsfrei zeigen. In den bürgerlichen Haushalten des Biedermeiers und auch noch Jahre später wurde die Hausarbeit im Verborgenen ausgeübt. In Kreisen mit wachsendem Standesdünkel war körperliche Arbeit der Hausfrau plötzlich verpönt. Sie sollte nur ,das Gesinde gehörig beaufsichtigen und zur Arbeit anhalten‘.“

Trotz Dienstmädchen war die Haushaltsführung mühsam. Frank: „Durch den wachsenden bürgerlichen Repräsentationszwang, der die finanziellen Mittel oft überstieg, war es Aufgabe der Frauen, dies durch Geschick, Improvisation, diskretes Arbeiten und eisernes Sparen zu überbrü­cken.“ Es sollte Jahrzehnte dauern, bis der Beruf der Hausfrau die nötige Anerkennung fand.            pm/os

Die Ausstellung „Schöner Wohnen“ im Museum für Kunst und Technik des 19. Jahrhunderts (LA8), Lichtentaler Allee 8, Baden-Baden, ist bis 28. August dienstags bis sonntags sowie an allen Feiertagen von 11 bis 18 Uhr  geöffnet, Eintritt 7/5 Euro. Es ist ein Katalog mit umfangreichen Essays erschienen.


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabobestellen Registrieren