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28.05.11 / Protestanten in Preußen / Facettenreiches Spektrum einer leidvollen Zeit

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 21-11 vom 28. Mai 2011

Protestanten in Preußen
Facettenreiches Spektrum einer leidvollen Zeit

Geschichte erschließt sich für viele Leser eher aus biographischen denn aus summarischen, überblicksartigen Schilderungen ganzer Epochen. Spannend und lebendig wird die Historie besonders dann, wenn auch gewisse parallele Entwick-lungen zur Gegenwart aufgezeigt werden können. Das ist leider in dem vorliegenden Band über den Protestantismus in der einstigen preußischen Landeskirche nicht der Fall.

Die „Geschichte der Evangelischen Kirche der Union“ gilt nach dem Erscheinen des gleichnamigen, dreibändigen Werkes in den 90er Jahren als gut erforscht. Nun folgen insgesamt fünf Einzelbände mit wichtigen kirchlichen Persönlichkeiten, hier der vierte Band. Die 13 Autoren, allesamt kirchenhistorisch und wissenschaftlich bewandert, beschreiben ebenso viele kirchliche Persönlichkeiten, die in der Zeit von 1918 bis 1945 gewirkt haben.

Nachdem die „Ehe von Thron und Altar“ 1919 geschieden wurde und der bisher vom preußischen Staat protektionierte Protestantismus nun in mehr oder minder freier Wildbahn überleben musste, geriet er in einen tiefen Umbruch.

Zwar konnte in die Verfassung der Weimarer Republik das Konzept der „Volkskirche“ noch gerettet werden, aber schon in der Hitlerzeit begann in der Gestalt des Reichsbischofs Müller und der „Deutschen Christen“ ein systematischer Angriff auf alle wesentlichen Grundlagen der christlichen Kirchen. Die damals begonnene Umwälzung bei den evangelischen Landeskirchen wirkt im Grunde bis heute fort und erklärt den kolossalen Niedergang des landeskirchlichen Protestantismus, der von 1950 bis heute rund 18 Millionen seiner Mitglieder verlor. Die politisch-theologische Gegensätzlichkeit der Biographien des preußisch geprägten Protestantismus macht den Reiz dieses Bandes aus. Der „Reichsbischof“ Ludwig Müller steht hier neben dem konservativen Reformer und späteren Berliner Bischof Otto Dibelius; der fromme Verleger und Geschäftsführer des Gütersloher Verlagshauses Heinrich Mohn neben Dietrich Bonhoeffer, dem Vorkämpfer und Märtyrer der „Bekennenden Kirche“.

Die nur etwa 20 Seiten pro Persönlichkeit fordern insbesondere bei Bonhoeffer ihren Tribut, weil der theologisch vorgebildete Leser hier kaum noch Neues über den Mann findet, der im Angesicht der eigenen Hinrichtung das berühmte Gedicht „Von guten Mächten wunderbar und still geborgen“ schrieb. Interessant ist aber, dass der für ein „areligiöses Christentum“ plädierende Theologe seinen lutherisch-pietistischen Einfluss einer Hausangestellten mit „Herrnhuter Prägung“ zu verdanken hat, wie die Autorin schreibt.

Lebensbilder von weniger bekannten Personen wie dem Präses und Parlamentarier Karl Koch oder dem westfälischen Generalsuperintendenten Wilhelm Zoellner runden das Bild ebenso ab wie die Biographie von Friedrich von Bodelschwingh, dem Sohn des Bethel-Gründers. Diese Lebensbilder vermitteln dem Leser ein facettenreiches Spektrum einer leidvollen Zeit, an deren Ende 1944/45 die altpreußische Kirche „doppelt zerrieben“ wurde.        Hinrich E. Bues

Jürgen Kampmann (Hrsg.): „Protestantismus in Preußen – Vom ersten Weltkrieg bis zur deutschen Teilung“, Hansisches Druck- und Verlagshaus, Frankfurt am Main 2011, gebunden, 296 Seiten, 28 Euro


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