29.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
04.06.11 / Wie des Sturms auf den Annaberg gedacht wurde / Vor 90 Jahren war der Wallfahrtsort im Kreis Groß Strehlitz Schauplatz blutiger Kampfhandlungen zwischen Deutschen und Polen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 22-11 vom 04. Juni 2011

Wie des Sturms auf den Annaberg gedacht wurde
Vor 90 Jahren war der Wallfahrtsort im Kreis Groß Strehlitz Schauplatz blutiger Kampfhandlungen zwischen Deutschen und Polen

Polens Staatspräsident Bronisław Komorowski (PO) wurde von Schulmädchen in weiß-rotem Couleur umjubelt. Von der Basilika, in der die Bischöfe von Oppeln und Kattowitz gemeinsam eine Heilige Messe unter den Augen der Mutter Anna zelebriert hatten, schritt der Präsident nebst zahlreichen Würdenträgern bergab durch den beschaulichen Ort. Mit ihnen setzte sich ein Treck aus Statisten in Bewegung, kostümiert in den Kleidern polnischer Aufständischer und deutscher Selbstschutzkämpfer.

Abseits des sakralen Gipfels ragt seit 1955 das „Denkmal der aufständischen Tat“ in den Himmel, das unverkennbar den ideologischen Geist der frühen Volksrepublik in sich trägt. „Ein Ort, der sowohl durch Gebet, als auch durch Blut geheiligt wurde“, wie Komorowski eingangs bemerkte. In seiner Ansprache glorifizierte er die polnischen Aufständischen. Ihr Blut sei es gewesen, so der Präsident, das Schlesien „zurück­brachte und für immer mit Polen zusammenschweißte“. So einseitig fiel dann auch die Bewertung der Beteiligten aus: „Für diesen Traum von einem polnischen Schlesien haben viele ihr Leben gelassen. Vor ihren Träumen, vor ihrem Opfer senken wir alle heute unser Haupt. Wir huldigen ihnen zum 90. Jahrestag des siegreichen Aufstandes“. Den deutschen Opfern hingegen schenkte Komorowski lediglich eine nüchterne Fußnote: „Jedoch achten wir auch die Wahl jener, die auf der anderen Seite der Bemühungen standen.“

Bernard Gaida, der heute an der Spitze der deutschen Volksgruppe in der Republik Polen steht, nahm die Worte seines Staatsoberhauptes als Herausforderung an, „sich ausdrücklich zum Deutschtum zu bekennen“. Seinem Augenmerk galt allerdings eine Gegenveranstaltung am Nachmittag. Unter Ausschluss der Öffentlichkeit versammelte sich eine kleine Abordnung am Friedhof im schützenden Schatten des Klosters, wo in benachbarten Gräbern die deutschen und polnischen Opfer ihre letzte Ruhestätte gefunden haben. Das deutsche Grab besitzt besonderen Symbolcharakter. Angelegt als Massengrab deutscher Wehrmachtssoldaten in den letzten Kriegsmonaten 1944/45, nahm es in der Nachkriegszeit die von den neuen Machthabern an anderer Stelle unerwünschte Asche der deutschen Selbstschutzkämpfer auf. Die heutige Form des Massengrabes ist das Verdienst der in St. Annaberg heimischen Ortsgruppe des Deutschen Freundschaftskreises (DFK). Nach jahrzehntelanger Pflege unter widrigen Umständen konnte im Jahr 2004 endlich mit Spenden der Bonner AGMO e.V. ein würdiges Grabmal mit einem hochragenden Kreuz errichtet werden.

Der deutsche Botschafter in Warschau, Rüdiger Freiherr von Fritsch, reiste nach dem offiziellen Festakt ab und war bei der Kranzniederlegung am deutschen Grab nicht mehr zugegen. Bei seiner Ansprache, vorgetragen in fehlerfreiem Polnisch, stellte er sich jedoch hinter die Heimatverbliebenen: „In Schlesien ist in den zurückliegenden Monaten eine breite Diskussion darüber geführt worden, wie die historischen Ereignisse vor 90 Jahren gesehen und wie ihrer gedacht werden sollte. Wenn diese Diskussion erneut geführt werden sollte, so wünsche ich uns allen, dass sie zu einem Ergebnis führt, mit dem sich alle einverstanden erklären können.“

Damit griff er noch einmal jene Kontroverse auf, die im vergangenen Herbst die Selbstverwaltungswahlen in der Woiwodschaft Oppeln überschattete und beinahe zum Bruch der dortigen Koalition geführt hätte. Norbert Rasch, einflussreicher DFK-Funktionär und Sejmik-Abgeordneter, wandte sich in einem Schreiben an Marschall Józef Sebesta (PO), den Koalitionspartner der Deutschen. Rasch bemängelte, dass „durch die bisher angewandte Form des Gedenkens ein Teil der Bevölkerung des Oppelner Landes, für den die Aufstände eine völlig andere Aussage und Bedeutung haben, ausgeschlossen wird“. Die angebliche aufständische Tat demaskierte er als einen „militärischen Angriff auf die territoriale Integrität eines souveränen Staates“. Die Feuertaufe bescherte ihm Sympathiepunkte, auch wenn sich die Deutschen nur bedingt in einer Erklärung des Sejmik wiederfinden konnten. Norbert Rasch jedenfalls, der am 11. Mai seinen 40. Geburtstag feierte, ging aus dem Schlagabtausch gestärkt hervor. Bei der jüngsten Bezirksversammlung am 7. Mai schenkten ihm 110 von 125 Delegierten das Vertrauen.         O.G.


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabobestellen Registrieren