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04.06.11 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 22-11 vom 04. Juni 2011

Gurkensalat / Warum »Bio« auch nach Ehec die einzige moralische Möglichkeit bleibt, wie Ramsauer den Gabriel macht, und was Mladic zu essen kriegt
Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

Heil war die Welt nie, das räumen selbst Nostalgiker ein. Aber ein bisschen heiler als heute war sie schon, aufgeräumter zumal. Bis eben noch wussten wir ganz genau, was gesunde und was ungesunde Nahrung ist. Dann graute jener Morgen, an dem uns der Bio-Gurkensalat aus dem Gesicht fiel. „Ehec“ – klingt wie „Schluckauf“ in einer putzigen Fremdsprache, ist aber weitaus ernster.

Mit den immer zahlreicher werdenden Todesopfern ist eine Gewissheit gestorben, die sich tief in unsere Seelen gebrannt hatte. Nämlich, dass die Natur gut ist und der Mensch mit seiner Technik böse. Nun heißt es plötzlich, dass es womöglich gerade die natürliche Düngung mit Rinderkot war, welche die Infektion ausgelöst hat. 

Wir Deutsche waren uns des naturfreundlichen Gut-Böse-Schemas sicherer als die allermeisten Völker, was nicht weiter verwundert: Hier bei uns gibt es weder gefährliche Spinnen noch giftige Kröten, keine beißwütigen Alligatoren, keine hungrigen Löwen und außer der Kreuzotter, die die meisten auch nur noch vom Hörensagen kennen, auch keine toxischen Schlangen. Nachdem unsere Vorfahren Bären und Wölfe gänzlich oder beinahe ausgerottet haben, hat sich der deutsche Wald in einen romantischen Streichelzoo verwandelt, in dem uns statt gieriger Bestien nur noch schöne Gedanken verfolgen.

Das verändert den Blick: Volkspädagogisch wertvolle Kinderliteratur klärt schon den Nachwuchs darüber auf, dass der angeblich „böse Wolf“ nur von den faschistischen Vorfahren verleumdet wurde. Böse hingegen ist der Jäger, der in der alten Rotkäppchen-Version noch als Retter gefeiert wurde. Der steht für alles Verächtliche: Technik, Männer, Waffen, Macht und den „Eingriff des Menschen in den natürlichen Lebensraum von ...“

Das mit dem „Eingriff“ ist eine wichtige Leitplanke, die dafür sorgt, dass wir auch bei irritierenden Ereignissen, wenn die Natur ihr brutales Gesicht zeigt, nicht aus der ideologischen Spur fliegen. Dann war es nämlich grundsätzlich der Mensch, der mit seinen „Eingriffen“ die Katastrophe herbeigeführt hat. Die Natur würde uns schließlich niemals etwas Schlimmes antun: Hochwasser? Das hat man eben von den Flussregulierungen! Verheerende Stürme? Eine Folge der „menschengemachten Klima-Erwärmung“. Vulkanausbrüche? Ach, lassen Sie mich doch in Ruhe!  Solche Einwürfe werden doch nur gebracht, um uns vom Pfad der Moral wegzulocken. Wie der Hinweis, dass es furchtbare Stürme und tödliche Fluten lange schon gab, bevor der Mensch so furchtbar Hand anlegen konnte.

Ja, Moral! Es ist ja nicht einfach eine Geschmacksfrage, dass man den Menschen böse und die Natur rundweg lieb findet. In einem Land, wo Kirchenfürsten über Reaktorsicherheit befinden, ist alles eine moralische Frage. So war das immer, im einundzwanzigsten Jahrhundert nicht anders als im vierzehnten. Nur zwischendurch gab es da eine schlimme Phase, als wir solche Sachen leichtsinnigerweise den Wissenschaftlern und Ingenieuren überließen. 

In diese düstere Epoche, wir nennen sie „die finstere Neuzeit“, fällt auch die Intensivierung der Landwirtschaft. Und mit ihr all das Teufelszeug wie Pestizide und Herbizide und, direkt aus dem innersten Kreis der Hölle, die „Gen-Manipulierung“. Dass erst jene Intensivierung, zunächst in den entwickelten Ländern und nunmehr weltweit, den Hunger besiegt hat, kann uns nicht anfechten. Es geht um moralische Maßstäbe, vor denen Pflanzenschutzmittel kaum und genveränderte Lebensmittel gar nicht bestehen können.

Dass Bio-Nahrung gefährlich sein kann, ist (schon der Moral wegen) ein Risiko, welches „die Menschen“ eben ertragen müssen, nachdem sie „der Natur“ schon so viel angetan haben, Gurken hin, Ehec her. Der Einwand, dass wir ohne die Erfindungen der modernen, intensiven Landwirtschaft die Europäer nicht einmal dann ernähren könnten, wenn wir von Portugal bis zum Ural alle Wälder rodeten, um   Ackerland zu gewinnen, der ist zwar sachlich richtig, aber moralisch eine Sauerei. So faseln jene, die unsere Verbrechen an der Natur schönreden wollen.

Hinter diesem Treiben stecken wie üblich mächtige Mächte wie die „weltweit operierenden Düngemittelkonzerne“ und die berüchtigte Agrarlobby. Wer „weltweit operiert“, ist bekanntlich schon an sich ein Schurke. Daher erntet Verkehrsminister Peter Ramsauer auch unseren spontanen Beifall dafür, dass er den Öl-Multis mal ordentlich einen in den Tee tun will. Nur noch einmal am Tag sollen die Benzinpreise angehoben werden können, damit die „Ab­zocke der Autofahrer“ aufhört. 

Nachdem der Applaus abgeebbt war, traten allerdings ein paar hässliche Fragen auf. Die erste: Wer zockt da eigentlich? Von einem Liter Super zu 1,60 Euro holt sich der Staat mehr als 90 Cent per Mineralöl- und Mehrwertsteuer. Vom Rest müssen Exploration, Förderung, Transport, Verarbeitung und Verkauf an den Tankstellen finanziert werden. Gut, sicher, die Multis werden von ihrem „Rest“ immer noch steinreich. Aber längst nicht so reich wie der Fiskus. Zweite Frage: Wer profitiert von der Ramsauer-Klausel wirklich? Die freien Tankstellen schlagen Alarm, dass sie einpacken könnten, wenn sie ihre Preise nicht mehr blitzschnell dem Markt anpassen dürfen. Das käme gerade den „Multis“ ausgezeichnet zupass.

Je mehr sich Ramsauers Geistesblitz entblättert, desto deutlicher erinnert er uns an die täglichen Eingebungen, mit denen Sigmar Gabriel seiner Partei schon vor dem Frühstück den Magen verdirbt. Man muss die SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles nicht mögen, um Mitleid mit ihr zu haben. Käseweiß und abgekämpft schleppt sie sich durch Berlin. Nahles wirke zunehmend „verkrampft“, berichten Hauptstadt-Journalisten. Kein Wunder, wenn man jeden Moment damit rechnen muss, dass der Sigmar wie Kai aus der Kiste springt und irgendwelchen Blödsinn verbreitet, den die arme Nahles als Chefpropagandistin der SPD dann zur guten Idee umkneten muss. Dabei ahnt sie, dass alle Bescheid wissen und ihr kein Wort glauben, sondern nur noch Mitgefühl für sie empfinden. Das Mitleid der Journaille ist ja so viel grausamer als ihre Häme.

Doch sie hat keine Wahl, eine Generalsekretärin ist qua Amt zur Loyalität verpflichtet. Ein richtiger Mistjob ist das. Die 40-Jährige hofft natürlich, dass sie da irgendwann wieder weg kann und einen behaglicheren Posten in der SPD-Führung ergattert. Doch da sollte sie nicht zu optimistisch sein. Nahles wäre nicht der erste, dem man seine Loyalität übel vergolten hat.

Wie fühlen sich wohl beispielsweise die aufgebrachten serbischen Nationalisten, die nach der Verhaftung ihres schrägen Idols Ratko Mladic die Straßen von Belgrad verwüsteten? Als sie am nächsten Tag die erste Botschaft des „großen Patrioten“ vernahmen, muss es ihnen die Schuhe ausgezogen haben.

Er stehe zu Unrecht am Pranger, so der Schlächter von Srebrenica. Die Behauptung war keine Überraschung, das sagen alle Massenmörder nach ihrer Verhaftung. Die trübe Sensation folgte danach: Nicht er, sondern das serbische Volk sei schuld an dem Massaker. Denn nicht er sondern jenes Volk habe Milosevic gewählt. Er selbst habe nur auf dessen Befehl gehandelt. Mit anderen Worten: Seine sengenden Anhänger sollten an seiner Statt in Den Haag auf die Anklagebank.

Eines müssen wir ihm uneingeschränkt zugutehalten: Der Mann bleibt sich treu – ein Dreckskerl vom Scheitel bis zur Sohle. Wenigstens ist Ratko Mladic eine Warnung an alle, sich ihre Helden etwas gründlicher anzuschauen, bevor sie sie in den Himmel heben. Eben noch wollten die Belgrader Randalierer für Mladic die eigene Hauptstadt in Schutt und Asche legen. Nach seiner kruden Rechtfertigung würden sie ihn vermutlich lieber zu einer Portion Gurkensalat einladen.


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