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11.06.11 / Investoren lieben Berlin / Platz eins in Deutschland, Rang drei in Europa: Dennoch bleibt die Arbeitslosigkeit hoch

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 23-11 vom 11. Juni 2011

Investoren lieben Berlin
Platz eins in Deutschland, Rang drei in Europa: Dennoch bleibt die Arbeitslosigkeit hoch

Die Unternehmensberatung Ernst & Young hat 812 internationale Unternehmen befragt und ermittelt, dass Deutschland zurzeit zu den attraktivsten Investitionsstandorten zählen soll. Berlin belegte, zur Überraschung vieler, den Platz eins in Deutschland (die PAZ berichtete). Selbst europaweit rangieren nur Paris und London vor der deutschen Hauptstadt.

Die Neuigkeiten sollten die Hauptstädter freuen. Doch wurde die Nachricht an der Spree eher verhalten aufgenommen. Hauptsorge bleibt der Arbeitsmarkt, denn Investitionen senken nicht unbedingt die Arbeitslosenzahl. Sie bedeuten gelegentlich sogar Arbeitsplatzverluste, wenn florierende Firmen aufgekauft und die Einzelteile anschließend verkauft werden.

Auf dem Berliner Arbeitsmarkt haben sich die optimistischen Einschätzungen der Analysten jedenfalls noch nicht praktisch niedergeschlagen. Der arbeitsmarktpolitische Sprecher der FDP-Fraktion im Abgeordnetenhaus, Volker Thiel, kommentierte das als ein „arbeitsmarktpolitisches Armutszeugnis“. Sogar Sachsen-Anhalt und     Mecklenburg- Vorpommern wiesen im Mai eine geringere Arbeitslosenrate aus als Berlin. Mit 13,6 Prozent belegt die Hauptstadt den traurigen letzten Platz aller Bundesländer.

Dessen ungeachtet fordern die Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg (UVB) eine „Neuausrichtung“ der Arbeitsmarktpolitik in Berlin. Darunter verstehen sie auch eine „Vereinfachung der Zuwanderung von ausländischen Facharbeitern“, was angesichts der hohen Erwerbslosigkeit vielerorts auf Unverständnis stößt.

Berlin hat nicht nur viele Arbeitslose, auch die Qualität der noch vorhandenen Stellen hat sich verändert. Von 1991 bis 2006 gingen 258400 (meist ordentlich bezahlte) Industrie-Arbeitsplätze verloren. Der Öffentliche Dienst hat zusätzlich noch einmal 60000 Stellen abgebaut, was sich beispielsweise bei der Polizei bemerkbar macht. Stattdessen entstanden im Dienstleistungssektor 161700 neue Stellen. Dabei handelt es sich aber auch um Plätze im Leiharbeitsbereich oder der Gastronomie, die nicht immer auskömmliche Löhne bezahlen und sogar dazu führen können, dass die Beschäftigten als „Aufstocker“ Leistungen nach Hartz IV in Anspruch nehmen müssen.

Selbst das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) erklärt zur weiterhin hohen Erwerbslosigkeit: „Ein Grund dafür ist, dass ein erheblicher Teil der neuen Stellen von Zugewanderten besetzt worden ist.“ Nur 45,7 Prozent der Berliner zwischen 15 und 65 sind erwerbstätig. Der Bundesdurchschnitt in den 30 größten Städten liegt bei 54,7 Prozent. Wirtschafssenator Harald Wolff (Linke) gibt sich dennoch zuversichtlich. „Wenn Zukunftsbranchen wachsen, wird sich das auch in neuen Arbeitsplätzen niederschlagen. Entscheidend ist aber, dass die Unternehmen ihre Wettbewerbsfähigkeit steigern konnten, wie sich in steigenden Exportzuwächsen zeigt. Das geht nur mit höherer Produktivität. Berlin hat zum Bundesdurchschnitt bei den Wachstumszahlen aufgeholt.“ Die harten Zahlen sollten seinen Optimismus dämpfen: Offiziell gibt es in Berlin 11145 offene Stellen, aber die Angebote sind nicht immer am Tariflohn orientiert oder keine Dauerarbeitsplätze, sondern eher dafür gedacht, im Pflegeheim eine Vertretung für die Zeit des Sommerurlaubs zu finden. Zwar wächst die Wirtschaftskraft Berlins seit 2004 wieder – aber nur um rund 1,7 Prozent jährlich. Der Abstand zu anderen Großstädten ist groß geworden. Pro Kopf erarbeiten zwei Berliner zusammen kaum mehr an Bruttoinlandsprodukt als ein Bürger Hamburgs.

Ein Ausweg aus der Dauerschwäche ist kaum in Sicht – im Gegenteil, es könnte noch schlimmer kommen: Bei einem Regierungswechsel zugunsten der Grünen käme deren Vorstellungen mehr Gewicht zu. Was von dort an wirtschaftspolitischen Vorstellungen verbreitet wird, gibt wenig Anlass zur Zukunftsfreude. Im Programm heißt es: „Green Economy ist das Zukunftsfeld für die Wirtschaft des 21. Jahrhunderts. Schwerpunktthemen wären E-Mobility, Gesundheitswirtschaft, Ressourcen- und Energieeffizienz sowie nachhaltiger Tourismus. Mit innovativen Stakeholdern aus Wirtschaft und Wissenschaft wurden erste Maßnahmenvorschläge, notwendige Rahmenbedingungen und Ansätze für richtungsweisende Projekte für die Berliner Wirtschaft entwickelt.“ In der Praxis würde das zunächst bedeuten, dass Berlin auf den Weiterbau der Autobahn A100 – der ersten leistungsfähigen Autoverbindung zwischen der westlichen und der östlichen Stadthälfte – verzichten müsste. UVB-Hauptgeschäftsführer Christian Amsinck: „Die A100 muss kommen, um den Osten der Stadt besser anzubinden, davon würden besonders Gewerbegebiete wie der Clean Tech Business Park Marzahn profitieren.“

Die hohen Arbeitslosenzahlen in Berlin haben aber noch eine ganz andere Ursache. Das Stichwort lautet: Öffentlicher Beschäftigungssektor (ÖBS), eine Art staatlich alimentierte Beschäftigungstherapie für Langzeitarbeitslose, die zu den Lieblingsinstrumenten der Linkspartei gehört. Zuständig ist hier die Arbeitssenatorin Carola Bluhm (Linke). Sie musste trotz lautstarker Proteste in Richtung Bundesregierung eine Kürzung ihres Etats hinnehmen, der aus dem Topf der Bundesarbeitsministerin gefüllt wird. Bluhm kann nun statt wie bisher nicht mehr 5700 Arbeitslose im ÖBS unterbringen, sondern nur noch 5000. Der Sinn solcher Programme wird von Arbeitsmarktexperten indes ohnehin schwer angezweifelt.             Theo Maass


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