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11.06.11 / Schwieriger Schritt ins Leben / Die Gründung der Republik Südsudan ist von zahlreichen Konflikten begleitet

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 23-11 vom 11. Juni 2011

Schwieriger Schritt ins Leben
Die Gründung der Republik Südsudan ist von zahlreichen Konflikten begleitet

Mit der Besetzung der umstrittenen Abyei-Provinz durch nordsudanesische Truppen steigen die Spannungen knapp vier Wochen vor der Unabhängigkeit des Südsudan. Das Hauptproblem des neuen Staates Südsudan ist seine schwache sozioökonomische Basis.

Am Flughafen in Juba, der neuen Hauptstadt des Südsudan, hängt seit einigen Wochen ein großes Plakat mit den Worten „Wilkommen im jüngsten Staat Afrikas“.  Am 9. Juli 2011 wird das offizielle Geburtsdatum der Republik Südsudan sein, welcher nach einem Referendum  im christlich und animistisch dominierten südlichen Teil des Sudan im Januar 2011 entstanden ist. Trotz eines Friedensabkommens ist die Gewalt jedoch nicht aus dieser Region verschwunden, da das Referendum zu viele Fragen offengelassen hat. Sechs Wochen vor der anstehenden Loslösung des Südens vom restlichen Sudan wurde die Stadt Abyei nach Gefechten von der nordsudanesischen Armee eingenommen und besetzt. Hierbei soll es zu Bombardierungen aus der Luft gekommen sein. Die US-Regierung hat die Besetzung von Abyei als „unangemessen und unverantwortlich“  bezeichnet und nannte sie eine „direkte Verletzung“ des Abkommens vom Januar, das einen beiderseitigen Truppenabzug aus dem Gebiet vorsieht. Der UN-Sicherheitsrat hat das Vorgehen des Nordens als einen „kriminellen Angriff“ scharf verurteilt und beide Seiten zur Zurück­haltung aufgefordert.

Hauptstreitpunkt ist die genaue Grenzziehung zwischen den beiden Staaten. Das Referendum vom Januar konnte in einigen historischen Regionen des Südsudan nicht stattfinden, weil man sich nicht über den Kreis der Wahlberechtigten einigen konnte. Ursprünglich sollte parallel zum Unabhängigkeitsreferendum ein eigenes Referendum in Abyei stattfinden, in dem die Bevölkerung entscheiden sollte, ob das Gebiet zum Süden oder zum Norden gehören soll. Nach Auffassung der Vertreter des Südens sollte nur das sesshafte Dinka-Volk als „ursprüngliche Bevölkerung“ des Gebietes wahlberechtigt sein, da die arabisierten Misseriya-Nomaden dort nur wenige Monate im Jahr durchziehen würden. Die Vertreter des Nordens dagegen verlangten die Teilnahme auch der Misseriya am Referendum.

Nach der Volksabstimmung, die ein klares Votum für die Unabhängigkeit brachte, gab es häufiger Kämpfe in Abyei. Im Entwurf für die Verfassung des Südsudan wird die ölreiche Region Abyei, wo nur wenige Zehntausend Menschen leben, ausdrücklich als Teil des Südens beansprucht. In Abyei herrscht infolge des nicht stattgefundenen Referendums eine Art Schwebezustand, den die nordsudanesische Armee ausnutzte, um die Region zu besetzen.

Die Öleinnahmen werden 2011 etwa 98 Prozent der öffentlichen Einkünfte des neuen Staates ausmachen. Die Vereinbarungen über die gemeinsame Nutzung der Öleinnahmen zwischen beiden Staaten sind recht vage. Da die zukünftige Staatsgrenze quer durch viele Ölfelder verlaufen wird, ist eine getrennte Förderung kaum möglich. Der Norden verfügt durch den Ölhafen Port Sudan, über den bislang die gesamten Ölexporte des Sudan gehen,  über eine Trumpfkarte. Solange die neue Pipeline vom Südsudan ins kenianische Mombasa noch nicht fertig ist, ist der Süden also vom Wohlwollen der Regierung des Nordens abhängig, um sein Öl, seine wichtigste Ressource, zu exportieren und dadurch sein Überleben zu sichern.

Anhaltende Spannungen und die große Instabilität gefährden den noch sehr zerbrechlichen Südsudan. In drei von zehn Bundesstaaten machen lokale Milizen der südsudanesischen Befreiungsbewegung SPLA die Herrschaft streitig. Diese Milizen werden vom Norden unterstützt, um den neuen Staat, der fast 50 Jahre lang für seine Unabhängigkeit gekämpft hat, von Anfang an zu destabilisieren. Früher hat der gemeinsame Kampf gegen die islamis­tische Zentralregierung die Südsudanesen geeint, heute ist jedoch auch die Regierung des Südsudan eine Quelle der Unzufriedenheit. Während der Vorbereitung des Referendums zögerten die Führer der Opposition aus Angst, den Unabhängigkeitsprozess zu gefährden, ihre Anliegen zum Ausdruck zu bringen. Erst als das Referendum  beendet war,  erhob die Opposition wieder ihre Stimme und warf der Regierung mangelnde Partizipation am Prozess der Unabhängigkeit vor.

Die neue südsudanesische Regierung wird vor allem von ehemaligen Militärs gebildet, die die Politik und Verwaltung erst noch erlernen müssen. Die Militärausgaben haben in den letzten Jahren ein Drittel des Bruttosozialprodukts verschlungen, wenig Geld blieb übrig für wesentliche Dienstleistungen wie medizinische Versorgung oder Zugang zu Wasser. Bildung gibt es im Südsudan praktisch nicht , wo 90 Prozent der Bevölkerung von weniger als einem Dollar pro Tag leben muss. Der Mangel an grundlegenden Dienstleistungen wird umso schmerzlicher empfunden, als seit November 2010, laut Angaben der Internationalen Organisation für Migration, mehr als 261000 Flüchtlinge aus dem Norden in den Süden zurück­gekehrt sind und hauptsächlich am Rande der großen Städte dahin­vegetieren.

Da die Öleinnahmen in Zukunft deutlich zurückgehen werden, ist die Förderung von Wachstum durch Unterstützung des privaten Sektors für die Schaffung einer stabilen und nachhaltigen Entwicklung des jungen Landes unerlässlich. Dies gilt insbesondere für die Ausbeutung seiner Böden, die zu den fruchtbarsten Afrikas gehören. Die Herausforderung besteht darin, ein faires Gleichgewicht zwischen der Subsistenzwirtschaft und der Bodenspekulation zu schaffen, die entstanden ist, weil die Bodenressourcen weiter Teile Ostafrikas ins Visier multinationaler Agrobusiness-Konzerne aus Asien und den arabischen Ölstaaten geraten sind.

   Die Unabhängigkeit des Südsudan fällt zusammen mit dem Ende von fast 50 Jahren Bürgerkrieg, entsprechend hoch sind die Erwartungen vor allem an eine Friedensdividende nach der Unabhängigkeit. Der Konflikt um die Grenzziehung könnte dazu führen, dass der Norden die Unabhängigkeit des Südens doch nicht anerkennt. Dann müsste der Süden auf die lang ersehnte Friedensdividende verzichten, die friedliche Geburt eines neuen Staates in Afrika wäre in letzter Minute gescheitert und das Schicksal des Südsudan von Anfang an auf eine harte Probe gestellt.   Bodo Bost


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