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11.06.11 / Von »Autochthonen« und Deutschen / Dachverband der Deutschen in der Republik Polen feiert 20. Geburtstag am Rande der traditionellen »Minderheitenwallfahrt«

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 23-11 vom 11. Juni 2011

Von »Autochthonen« und Deutschen
Dachverband der Deutschen in der Republik Polen feiert 20. Geburtstag am Rande der traditionellen »Minderheitenwallfahrt«

Den Vogel hatte Helmut Sauer abgeschossen. Nach vielen Jahren, in denen er von oberster Stelle weitgehend ignoriert worden war, hatte der langjährige Bundestagsabgeordnete aus Salzgitter und Vorsitzende der Ost- und Mitteldeutschen Vereinigung der CDU/CSU (OMV) Angela Merkel ein Grußwort für die Landsleute in der Heimat abgerungen: Adressiert an die Teilnehmer der Konferenz zum 20-jährigen Bestehen des Verbandes der deutschen sozial-kulturellen Gesellschaften in Polen (VdG) und der sogenannten Minderheitenwallfahrt nach St. Annaberg.

Das Grußwort, das Merkel wohlgemerkt nicht in ihrer Funktion als Bundeskanzlerin, sondern als Vorsitzende der CDU an die Teilnehmer richtete, hatte seine politisch korrekten Züge. Die zu Tausenden am vergangenen Sonntag nach St. Annaberg gepilgerten Heimatverbliebenen verstummten für einen Moment, als Merkel postulierte, die Bundesrepublik Deutschland stelle sich ihrer his­torischen Verantwortung. Dabei hatte sie anscheinend jedoch weniger die ideelle Unterstützung der deutschen Volksgruppe im Sinn als vielmehr den „Weg der Versöhnung und Partnerschaft“ zwischen Deutschen und Polen. Doch allein die Existenz des Grußwortes war durchaus beachtlich und sorgte für tosenden Beifall.

Und immerhin hatte auch Deutschlands Botschafter in Warschau, Rüdiger Freiherr von Fritsch, der Konferenz seine Aufwartung gemacht. An der anschließenden Wallfahrt nahmen mit dem Breslauer Generalkonsul, Bernard Brasack, und dem Oppelner Konsul, Peter Eck, gleich zwei bundesdeutsche Diplomaten teil.

Der Dachverband der Deutschen in der Republik Polen tagte unter dem Leitsatz: „Die Deutschen in Polen. 20 Jahre nach den deutsch-polnischen Verträgen. Aktueller Stand und Perspektiven für die Zukunft“. Formal bekam das in der Republik Polen geltende Minderheitenrecht auch auf dieser Tagung durchweg gute Kritiken. Aber die polnische Wissenschaft kann sich schwer von manchen altbackenen Sprachwendungen verabschieden. Bernadetta Nitschke, Universitätsdirektorin der Politologie im niederschlesischen Grünberg, unterscheidet bis in unsere Tage Deutsche und „Autochthone“ in Schlesien. Aus polnischer Sicht handelt es sich bei Letzteren um die „alteingesessenen“ Bewohner Schlesiens, die nicht oder nur eingeschränkt als Deutsche gelten. Ein enger Zeitplan ließ hier eine bitter notwendige Diskussion nicht zu. Hätte Sauer zum Ende der Konferenz nicht – ohne Nennung des Namens von Nitschke – die Fragwürdigkeit der Heranziehung des Begriffs der „Autochthonen“ scharf in Frage gestellt, wäre dieser Fehlgriff sicher untergegangen. Ebenso würde sich heute als gefährlich erweisen, dass die Deutschen in der Republik Polen nicht von Anfang an als Volksgruppe, sondern unter dem Namen „Minderheit“ auftraten. Der Direktor des ausrichtenden Hauses der Deutsch-Polnischen Zusammenarbeit, Rafał Bartek, konterte, dass man stets in Verhandlungen die wichtige rechtliche Unterscheidung betone.

Aufmerksame Zuhörer konnten gleichwohl manch andere Nuancen in artverwandten Referaten ausmachen. Während beispielsweise Marek Mazurkiewicz, Politologe aus Oppeln und zugleich Beauftragter für die nationalen Minderheiten in der oberschlesischen Woiwodschaft Oppeln, deutsche Volksgruppen in Europa recht technokratisch anhand ihrer Größenordnung kategorisierte, konnte Ortfried Kotzian aus München deutlich Unterschiede zwischen Reichsdeutschen und Grenzland- sowie Sprachinseldeutschen herausarbeiten.

Dass Hilfe aus der Bundesrepublik zielgerecht Empfänger auch unter den deutschen Landsleuten östlich von Oder und Neiße erreicht, legte Mortimer Graf zu Eulenburg dar, Ehrenkommendator der Preußischen Genossenschaft des Johanniterordens, die neben der „Ostpreußenhilfe“ auch zehn Sozialstationen in Ostpreußen betreibt. Allerdings sei mit dem Rückzug der deutschen Sprache unter der Schwesternschaft auch manche Arbeit eingeschlafen, da ohne Sprachkenntnis die Verwaltung nicht mehr habe funktionieren können.   FBö


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