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11.06.11 / Der reale Pate / Spannendes über die Mafia

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 23-11 vom 11. Juni 2011

Der reale Pate
Spannendes über die Mafia

Mit dem Film „Der Pate“ gelang Francis Ford Coppola der internationale Durchbruch als Regisseur. Die weltberühmte Saga zeigt die sizilianische Großfamilie um Don Vito Corleone und seine beiden Söhne Michael und Sonny, denen der Aufstieg von mittellosen Einwanderern zur mächtigsten Mafia­organisation von New York gelingt.

Die Trilogie ist eine Mischung aus Fiktion und Realität, denn aus der sizilianischen Kleinstadt Corleone stammen einige der bekanntesten Bosse der Cosa Nostra wie Luciano Liggio, Totò Riina und Bernardo Provenzano. In „Don Vito – Mein Vater, der Pate von Palermo“ packt Massimo Ciancimino zusammen mit dem renommierten Mafia-Experten und Journalisten Francesco La Licata über eine weitere Schlüsselfigur aus.

Sein Vater, Vito Ciancimino, wurde als erster italienischer Politiker wegen Zusammenarbeit mit der Mafia rechtskräftig verurteilt. Als Baustadtrat Palermos vergab Don Vito, wie sie ihn nannten, während des Baubooms in den 1960er-Jahren Milliardenaufträge an die Cosa Nostra. Später gestand er in einem Polizeiverhör, in Italien laufe nichts ohne Schmiergelder, „das wäre, als ob man mit nur drei Rädern Auto fahren wollte“.

Dem „Sacco di Palermo“, dem Ausverkauf der Stadt an die Mafia, fielen ganze Straßenzüge mit wertvollen Villen aus der Jugendstilzeit zum Opfer. Sie wichen sterilen Betonhochbauten. 1984 wurde Ciancimino senior, der Anfang 1970 für kurze Zeit christdemokratischer Bürgermeister Palermos gewesen war, von einem Mafia-Aussteiger enttarnt und festgenommen. Seine Haftstrafe verbrachte er jedoch in lockerem Hausarrest in Rom.

Nach seinem Tod 2002 übernahm Sohn Massimo die Geschäfte. Als eines von fünf Kindern 1963 in Palermo geboren, war er jahrzehntelang der Vertraute und Bote seines Vaters gewesen. Schon früh begegnete Ciancimino junior dem untergetauchten Boss der Bosse der Cosa Nostra, Bernardo Provenzano.

Die Gespräche drehten sich um Verstrickungen zwischen Staat, Geheimdiensten, Wirtschaft und Mafia. Wenn Provenzano nicht persönlich vorbeikam, ließ er sogenannte pizzini überbringen, kleine Zettel mit Anweisungen. Bis heute entschlüsseln Ermittler das brisante Material, das Informationen zu vielen ungelösten Mysterien Italiens enthält.

Nach seiner Verhaftung 2006 wegen Geldwäscherei entschloss sich Massimo Ciancimino zur Zusammenarbeit mit der sizilianischen Justiz. Als Italiens wichtigs­ter Kronzeuge gegen die Mafia plauderte er auch über Regierungschef Silvio Berlusconi. Die Mafia habe das Immobilienprojekt „Milano 2“ des Unternehmers sowie dessen 1993 gegründete Mitte-rechts-Partei Forza Italia massiv unterstützt.

Das Buch ist nicht nur ein biografisches Werk fernab jeglicher Milieuromantik, sondern zugleich ein spannendes Zeugnis der Geschichte der Cosa Nostra. Cianciminos Anschuldigungen, etwa dass der Staat in die Ermordung der Untersuchungsrichter Giovanni Falcone und Paolo Borsellino 1992 verwickelt gewesen sei, entbehren häufig jeglicher wissenschaftlich-historischer Grundlage. Viele Kapitel enden mit den Worten „Ich weiß es nicht genau“ oder „Was sie besprochen haben, kann ich nicht sagen“. Ein wenig mehr Recherchearbeit von Co-Autor La Licata sowie eine ausführlichere Betrachtung der Jugendzeit Massimos und des Verhältnisses zu seinem jähzornigen, gefühllosen Vater wären wünschenswert gewesen. Sophia E. Gerber

Massimo Ciancimino und Francesco La Licata: „Don Vito – Mein Vater, der Pate von Palermo“, Piper Verlag, München 2010, gebunden, 365 Seiten, 19,95 Euro


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