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18.06.11 / Schutzlos in der Nacht / Brandenburg: Rot-Rot will die meisten Polizeiwachen nur noch tagsüber besetzen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 24-11 vom 18. Juni 2011

Schutzlos in der Nacht
Brandenburg: Rot-Rot will die meisten Polizeiwachen nur noch tagsüber besetzen

Brandenburgs Polizeireform nimmt Gestalt an. Doch wie es scheint, beugt sich die Politik mannigfachen Bürgerprotesten mit einem irrwitzigen Kompromiss: Keine Wache macht dicht, aber kaum eine bleibt handlungsfähig.

Mit einer so aufwändigen wie umstrittenen Polizeireform will Brandenburgs rot-rote Landesregierung bis 2020 rund 1900 Polizisten einsparen. Es gilt, polizeiliche Aufgaben trotz Bevölkerungsrückgang weiter wie bisher mit dann nur noch 7000 Beamten sicherzustellen, so die Theorie. Im Mai stellte Innenminister Dietmar Woidke (SPD) Details vor. Sven Petke, Innenexperte der oppositionellen CDU, kritisiert, die Reform koste 75 Millionen Euro extra, allein für die Art des nun vorgesehenen Umbaus von Wachen. Dem stehen laut Petke Einsparungen von nur 20 Millionen Euro entgegen.

Vor wenigen Tagen verkündete     Woidke, kein Wachstandort werde geschlossen. Damit reagierte er auf öffentliche Kritik. Ab Januar 2012 soll es jedoch im ganzen Land (von der Größe Belgiens und einer Einwohnerzahl wie Hamburg und Bremen zusammen) nur noch 16 ständig besetzte Polizei­inspektionen geben. Alle anderen Wachen erklärt Woidke zu „Polizeirevieren“, die nur tagsüber einsatzbereit sein sollen. Vorher sah die Regierung sogar vor, die Zahl der bislang 50 Wachen auf „15 plus X“ einzudampfen. Noch immer fürchten daher Städte wie das grenznahe Schwedt um den Erhalt handlungsfähiger Wachen vor Ort.

Dass nun doch kein Standort geschlossen werden soll, bewahrt viele Stationen jedoch nicht vor der personellen Entkernung. Auch in Schwedt soll künftig nur noch eine Tagwache stehen. Statt 24 Stunden ist diese dann nachts nicht mehr besetzt, Beamte aus Prenzlau müssen im Einsatzfall an­rücken, mindestens 44 Minuten dauert das über die Autobahn. Lokale SPD-Politiker äußern daher erhebliche Zweifel am Sinn der Landesplanung. Statt die zu kleine alte Wache durch eine ursprünglich bereits für 2012 vorgesehene, rund sechs Millionen Euro teure neue zu ersetzen, kommt jetzt der Kahlschlag, fürchten sie.

Angesichts der Kriminalität gerade in Grenznähe verstehen viele Bürger nicht, warum Schwedt künftig nur noch 60 Ordnungshüter, die friedliche westliche Uckermark aber 120 zugewiesen bekommt. CDU-Politiker Sven Petke kritisiert zudem Grundsätzliches: „Wachen kann man nicht einfach wie Eigenheime von außen zuschließen.“ Um die bald nur noch zeitweise offenen Standorte vor Einbruch, Datendiebstahl und anderen Sicherheitsrisiken abzuschirmen, müssten 60000 Euro für jede der unter dem neuen Spar-Konzept geführten Stationen ausgegeben werden, rechnet er vor. Für die vorgesehenen vier Direktionen, 16 Inspek­tionen und das Polizeipräsidium kämen nochmals Ausgaben hinzu. Die zur Steuerung der weit verteilten Kräfte nötigen Anlagen für Videokonferenzen seien ebenfalls kostentreibend.

Petke sieht rund 75 Millionen Euro Ausgaben für die Umrüstungen auf das Land zukommen. Einsparungen von gut 20 Millionen fielen demgegenüber kaum ins Gewicht, da sie vor allem auf entfallenden Mietzahlungen der Polizei für ohnehin landeseigene Immobilien beruhten. Schon im März fragte Petke: „Polizei – nur noch im Fernsehen?“ Er steht mit seiner Kritik nicht allein. Bereits früh starteten Polizeigewerkschafter, Bürger und die Opposition eine Volksinitiative „Für den Erhalt einer leistungs- und handlungsfähigen sowie wahrnehmbar präsenten Polizei in allen Regionen in Brandenburg“. Die Einflussmöglichkeiten der Initiative sind indes begrenzt, wegen „restriktiver Regelungen in Brandenburg“, die derartige Initiativen „mit weitreichenden Auswirkungen auf den Landeshaushalt verbieten“, bedauert das Bündnis „Mehr Demokratie“ im Internet. Die entscheidende Forderung, den Stellenabbau zu unterlassen, stellte das Bündnis nicht, um zu vermeiden, dass die Initiative wegen den Haushalt betreffender Forderungen für unzulässig erklärt würde.

Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) Brandenburg warnte im Januar, „dass die neue, für 7000 Mitarbeiter ausgelegte Struktur ab 2020 zunehmend unter Druck geraten wird“. Schon im vergangenen Jahr sei es „schwierig“ gewesen, qualifizierte Bewerber zu finden, gaben die Beamten einem Abteilungsleiter des Innenressorts zu bedenken. Sie sehen die Personalausbildung in Gefahr. Die ersten Personalentscheidungen stehen laut Innenministerium „demnächst an“. Woidke berief Arne Feuring, den Architekten der Reform, zum künftigen Polizeipräsidenten. Was ebenfalls Kritik hervorrief: Die Polizei hätte einen „eigenständigeren Präsidenten“ verdient, sagte Petke zur Berufung. Auch die Leiter der vier regionalen Polizeidirektionen sollen bald feststehen. Insgesamt ist die Zusammenlegung der beiden bisherigen Präsidien in Potsdam und Frankfurt (Oder), des Landeskriminalamts und der Landeseinsatz­einheit (LESE) zu einem Präsidium geplant.

Die bisher 15 Schutzbereiche werden zu vier Direktionen zusammengefasst. Immerhin hat Woidke der künftigen Polizeidirektion Ost die Zuständigkeit für den gesamten Oderlauf übergeben und damit dem Grenzschutz symbolisch Rechnung getragen – auf Kosten der Polizeidirektion Nord, die aber jetzt keineswegs zu klein sei, um ihre Aufgaben erledigen zu können, so der Minister. Für September hat die lokale SPD Woidke zum Bürgergespräch nach Schwedt eingeladen. Falls er kommt, wird er sich vor Ort über die Auswirkungen an einem der Reform-Brennpunkte informieren können.        SV


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