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18.06.11 / Mongolische Geisterstädte auf Pump / China: Schuldenkrise der Kommunen – Erstmals offizielle Zahlen – Regierung schreibt Kredite teilweise ab

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 24-11 vom 18. Juni 2011

Mongolische Geisterstädte auf Pump
China: Schuldenkrise der Kommunen – Erstmals offizielle Zahlen – Regierung schreibt Kredite teilweise ab

Währungsreserven in Höhe von drei Billionen Dollar und eine Staatsverschuldung von offiziell nur 20 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, so stellt die Pekinger Führung gern die Lage der Staatsfinanzen im Reich der Mitte dar. Getrübt wird dieses Bild allerdings durch einen gigantischen Schuldenberg, den die chinesischen Provinzen in den letzten Jahren angehäuft haben.

Seit Jahren rätseln westliche Investoren und Volkswirte über die genaue Höhe der Verbindlichkeiten der Kommunen und der 22 chinesischen Provinzen. Die Schätzungen reichen von 822 Milliarden Dollar, wie von der Investmentbank „China International Capital“ (CIC) angenommen, bis zu 1,6 Billionen Dollar nach den Berechnungen des Wirtschaftswissenschaftlers Victor Shih.

Das an sich bestehende Verbot einer Kreditaufnahme haben die lokalen Machthaber mit  Hilfe von Zweckgesellschaften, deren Schulden von der öffentlichen Hand garantiert werden, in den letzten Jahren massiv umgangen. Selbst über die Anzahl dieser Zweckgesellschaften gibt es nur Schätzungen, die zwischen 3000 und 8000 schwanken. Über die Höhe der aufgenommenen Schulden liegen seit dem letzten Jahr erstmals auch offizielle Zahlen vor.

Aktuell gibt die chinesische Führung an, dass sich die Schulden der Provinzen und Kommunen auf zehn Billionen Yuan beliefen. Das würde mehr als einer Billion Euro entsprechen. An der Verlässlichkeit der regierungsamtlichen Zahlen sind nach wie vor Zweifel angebracht. Folgt man den Angaben der chinesischen Zentralbank – People’s Bank of China –, dann betrugen die Verbindlichkeiten der Provinzen und Lokalregierungen Ende 2010 sogar 14 Billionen Yuan (1,5 Billionen Euro). Umgerechnet 322 Milliarden Euro dieser Verbindlichkeiten sollen nun umgeschichtet werden. Die chinesische Führung geht davon aus, dass diese Kredite nicht wie vorgesehen zurückgezahlt werden können. Peking will nicht nur, dass die Banken auf einen Teil ihrer Forderungen verzichten, sondern will auch für einen Teil der faulen Kredite selber geradestehen. Ein weiterer Rest der problematischen Kredite soll zunächst in einer so genannten „Bad Bank“ zwischengeparkt werden. Hintergrund dieser Bemühungen ist die Furcht, dass die Schuldenmisere der Provinzen sich zu einem kaum noch beherrschbaren Problem auswachsen könnte.

Mithilfe der aufgenommenen Kredite haben die Provinzführungen in den letzten Jahren auf eigene Faust Wirtschaftspolitik betrieben. Entstanden sind nicht nur komplette Geisterstädte wie Ordo in der Inneren Mongolei, sondern auch kaum genutzte Flughäfen, wenig befahrene Autobahnen und mittelgroße Städte mit eigenem U-Bahn-Netz. Vor allem aber hunderte Sonderwirtschaftszonen – riesige Gewerbegebiete mit enormen Erschließungskosten. Allein 60 dieser Wirtschaftsgebiete sind mit dem unrealistischen Ziel angetreten, dem kalifornischen Silicon Valley den Rang als Hochtechnologie­standort abzulaufen.

Schon in der Vergangenheit hat die chinesische Führung darauf gedrungen, dass die Kredit gebenden Banken bei der Finanzierung kommunaler Investitionen genauer hinsehen. Mehr als die Hälfte der Kredite hat nach Angaben der Analysten der Investmentbank CIC lange Laufzeiten, während die kalkulierten Einnahmen wenn, dann nur spärlich und langsam fließen. Das Risiko des Ausfalls dieser Kredite ist entsprechend groß. In Zeiten ständig steigender Immobilienpreise war bei vielen der Beteiligten die Versuchung hoch, angesichts der zu erwartenden Wertsteigerungen hohe Risiken einzugehen und ebenfalls auf die scheinbar ewig wachsende Immobilienblase zu spekulieren. Einer Versuchung, der selbst renommierte Unternehmen erlegen sind. Der chinesische Computerhersteller Lenovo, der unter anderem den US-Produzenten IBM übernommen hat, generierte im Jahr 2009 zum Beispiel 60 Prozent seines Gewinns aus Kapitalanlagen, unter anderem mit Projektentwicklungen im Immobilienbereich und nur 40 Prozent in seinem Kerngeschäft, dem Bau von Computern. Es ist nicht verwunderlich, dass bei diesem Spiel auch die regionalen Parteikader beteiligt sein wollten. Die Regulierung der inzwischen geplatzten Kredite ist nur ein Teil der geplanten Finanzreform.

Die chinesischen Regionalregierungen sollen ebenfalls einen eigenen Zugang zum Anleihenmarkt bekommen. Damit erhofft sich die Führung, dass zukünftige Projekte transparenter und mehr nach Marktgesichtspunkten als nach Prestigeerwägungen entwickelt werden. Dass sich diese Hoffnungen allerdings erfüllen werden, wird selbst von regierungsnahen Ökonomen bezweifelt. Die teilweise Übernahme der Schulden durch die Zentralregierung wie derzeit geplant könnte auch in Zukunft zu der Kalkulation führen, bei Misserfolg durch die Zentralregierung aufgefangen zu werden.    Norman Hanert


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