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25.06.11 / Auf der Mauer, auf der Lauer

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 25-11 vom 25. Juni 2011

Auf der Mauer, auf der Lauer
von Vera Lengsfeld

Auf der Mauer, auf der Lauer liegt schon längst kein wachsamer Grenzpolizist mehr. Heutzutage hat man Schwierigkeiten, den Verlauf der tödlichen Grenze überhaupt noch auszumachen.

Vorbei die Absurdität einer geteilten Straße, deren östlichen Bürgersteig man noch begehen durfte, etwa auf dem Weg von der Wollankstraße zum Pankower Bürgerpark, deren Westseite aber schon „Grenzgebiet“ war, das nicht mehr betreten werden durfte, wie unübersehbare Schilder alle zehn Meter mitteilten. Die Bewohner der Häuser auf dieser Seite durften keinen Besuch empfangen, außer Verwandten ersten Grades auf Antrag. Von den Menschen, die an diesem Wochenende das erste Schulze-Straßenfest feiern, kennt kaum noch einer diese Geschichte, obwohl in unmittelbarer Nähe, am S-Bahnhof Wollankstraße, ein neu errichteter Aufsteller anlässlich des bevorstehenden 50. Jahrestages des Mauerbaus daran erinnert, dass hier ein Fluchttunnel gegraben worden war, der wegen vorzeitiger Entdeckung nicht in Betrieb genommen werden konnte.

Auch der Straßenname sagt den Festgästen nichts mehr. Sie wurde nach Egon Schulze benannt, ein DDR-Grenzsoldat, der angeblich von imperialistischen Agenten, in Wirklichkeit aber aus Versehen von den eigenen Genossen erschossen wurde, als er Tunnelflüchtlinge verfolgte.

Die Straße boomt, bald werden die letzten Baulücken mit Neubauten geschlossen sein, die Gründerzeithäuser sind bereits aufwändig saniert. Wo früher die Mauer stand, verläuft heute auf dem ehemaligen Kolonnenweg der Mauerweg, der 160 Kilometer lang um das ehemalige West-Berlin herum führt.

In Pankow, dem Berliner Bezirk mit dem derzeit höchsten Zuzug, ist der Mauerweg besonders schön. Japan hat nach dem Mauerfall Hunderte japanische Kirschbäume gespendet, die heute den vielen Radlern, Wanderern und Spaziergängern Schatten bieten. Auf den Wiesen tummeln sich viele Kinder. Hier hat man nicht das Gefühl, dass die Deutschen zur aussterbenden Spezies gehören.

Wer dem Mauerweg Richtung Osten folgt, kommt am großen S-Bahnkreuz vor Gesundbrunnen vorbei. Leider wurden die liebevoll restaurierten S-Bahnbrücken von der autonomen Urbevölkerung über und über mit Graffiti besprüht. Kleingärtner der Anlage „Famos“ haben Bettlaken aufgehängt. Sie wehren sich gegen den Abriss ihrer Gärten, die Stadtvillen Platz machen sollen.

Auch ein paar Kilometer weiter, am berühmten Mauerpark, wird fleißig gebaut. Die „Gentrifizierung“ des Gleimviertels ist unaufhaltbar im Gange. Berlin ist immer durch seine Zuzügler geprägt worden. Das tut der Stadt bis heute gut.


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