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25.06.11 / Die verlorene Generation / Jugendarbeitslosigkeit in der EU nimmt dramatisch zu – Perspektivlosigkeit könnte zu Unruhen führen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 25-11 vom 25. Juni 2011

Die verlorene Generation
Jugendarbeitslosigkeit in der EU nimmt dramatisch zu – Perspektivlosigkeit könnte zu Unruhen führen

Im Jahr 2000 hatte sich die Europäische Union mit ihrer „Lissabon-Strategie“ das Ziel gesetzt, innerhalb von zehn Jahren zum dynamischsten Wirtschaftsraum der Welt aufzusteigen. Die erreichten Resultate sprechen eine andere Sprache. Viele Mitgliedsländer der Union verlieren international immer mehr an Wettbewerbsfähigkeit.

Aus den Strukturproblemen hat sich inzwischen eine massive Jugendarbeitslosigkeit mit sozialer Sprengkraft entwickelt: Eine „verlorene Generation“ – so nannte bereits im Jahr 2010 die „International Labour Organization“ (ILO), eine Unterorganisation der Vereinten Nationen, die Jugendlichen, die aus dem Arbeitsmarkt gefallen sind. Im Jahr 2009 wiesen die Statistiken der ILO immerhin 13 Prozent der zwischen 15 und 24 Jahre alten jungen Menschen aus, die weltweit auf der Suche nach einem Arbeitsplatz waren. Dieser Durchschnittswert umfasste die Jugendarbeitslosigkeit in der ganzen Welt, also nicht nur der westlichen Industrieländer, sondern auch die der wirtschaftlichen Schwel­lenländer und der Entwick­lungsländer. Die meisten Mitgliedsländer der EU wären inzwischen froh, wenn sie bei der Jugendarbeitslosigkeit diesen globalen Durchschnittswert aufweisen würden. Nur in wenigen europäischen Ländern wird der Wert von 13 Prozent, der bei den Uno-Vertretern für Alarmstimmung sorgt, unterschritten. Im Gegenteil, in 19 der 27 EU-Länder sind inzwischen mehr als 20 Prozent der Jugendlichen ohne Arbeit. Unrühmlicher Spitzenreiter ist Spanien. In dem Land ist nicht nur jeder Fünfte der Gesamtbevölkerung arbeitslos (20,7 Prozent); es nimmt mit 44,4 Prozent auch bei der Jugendarbeitslosigkeit eine unrühmliche Spitzenstellung ein. Auch in Italien ist die Situation inzwischen brisant – die „Generazione perduta“, die verlorene Generation, umfasst hier rund eine halbe Million junger Italiener, die auf der Suche nach einem Arbeitsplatz sind.

Selbst diejenigen, die bei der Arbeitssuche etwas mehr Glück haben, bekommen oft genug nur befristete und schlecht bezahlte Stellen. Auch die zunehmende Zahl dieser trotz Beschäftigung in Armut lebenden Jugendlichen hat die Wissenschaftler bei der UNO alarmiert. Die „arbeitenden Armen“ haben wenig Chancen, im Laufe des Lebens etwas an ihrer Lage zu ändern, die Armut pflanzt sich sogar bis in die nächste Generation fort. Die Kosten für die Sozial-und Rentenversicherungssysteme sind entsprechend hoch. Verschieden sind die Reaktionen der europäischen Jugendlichen auf die sich verdüsternden Zukunftsaussichten. Ein gut ausgebildeter, mobiler Teil sieht seine Zukunft zunehmend auch auf dem deutschen Arbeitsmarkt. Insbesondere Absolventen der Ingenieurswissenschaften suchen ihr Glück immer häufiger in „Alemania“. Die Goethe-Institute erleben derzeit einen regelrechten Ansturm auf Deutschkurse. Die schlechten Zukunftsaussichten entwickeln oft aber auch eine demotivierende Wirkung.

Auch die Schulabbrecherquote hat in der EU inzwischen einen Rekordwert von 15 Prozent erreicht. Ohne Zukunftsperspektiven, im besten Fall noch mit Aussicht auf Gelegenheitsjobs, geben sich viele Jugendliche auf und rutschen immer häufiger in Verwahrlosung und Kriminalität ab. Länder wie Deutschland und Österreich, die bei der „Pisa-Studie“, bei der die Qualität der Bildungssysteme unter die Lupe genommen wurde, eher unterdurchschnittlich abgeschnitten haben, sind erstaunlicherweise keineswegs die Spitzenreiter bei der Jugendarbeitslosigkeit. Österreich, unter 34 Ländern nur auf Platz 31, wenn es zum Beispiel um die Lesekenntnisse seiner Schüler geht, und Deutschland, international auch nur im Mittelfeld des Pisa-Tests zu finden, weisen zusammen mit den Niederlanden die geringste Jugendarbeitslosigkeit innerhalb der EU auf. Unter den 27 EU-Staaten liegt nur in diesen drei Ländern die Arbeitslosigkeit von Jugendlichen unter 10 Prozent. Einen wesentlichen Anteil an diesem Resultat dürfte das System der dualen Berufsausbildung haben – ein in Deutschland und Österreich lange bewährtes Mittel, zu dem es in anderen europäischen Ländern kaum vergleichbare Gegenentwürfe gibt. Milliardenschwere Programme der EU, wie zum Beispiel die des Europäischen Sozialfonds (ESF) zur Erhöhung der Berufschancen, haben daran bisher wenig ändern können.

Ohnehin ist fraglich, ob in Brüssel die Brisanz der Lage erkannt worden ist. Während die „Strategie 2020“ in der Nachfolge der weitgehend gescheiterten „Lissabon-Strategie“ das Wunschbild eines „intelligenten, nachhaltigen und integrativen Wachstums“ durch mehr Wirtschaftskoordination malt, wird von außenstehenden Beobachtern der EU eine eher düstere Zukunft prophezeit. Etwa von den Forschern des „Trends Research Institute“, dessen Leiter Gerald Celente im Gegensatz zu dem Rest seiner Branche nicht nur den Zusammenbruch der Sowjetunion richtig vorhergesehen, sondern auch bereits im Jahr 2005 vor dem Ausbruch der US-Immobilienkrise gewarnt hatte. Für Europa sagt sein Institut inzwischen den Ausbruch von schweren Unruhen voraus, die vor allem von den frustrierten und perspektivlosen Jugendlichen des Kontinents getragen sein werden. SV


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