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25.06.11 / Protektionismus vertreibt Investoren / Verunsicherung über den weiteren Kurs in Russland wächst − Vertrauen in Medwedew schwindet

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 25-11 vom 25. Juni 2011

Protektionismus vertreibt Investoren
Verunsicherung über den weiteren Kurs in Russland wächst − Vertrauen in Medwedew schwindet

Russland ist es im ersten Quartal des Jahres gelungen, die Talfahrt seiner Wirtschaft − dank des hohen Ölpreises − zunächst zu stoppen. Dennoch droht Stagnation wegen der rohstofflastigen Wirtschaftsstruktur und des widersprüchlichen Handelns des Regierungstandems Medwedew / Putin. Ausländische Investoren ziehen vermehrt Kapital ab.

Vom 16. bis 18. Juni fand das Internationale Wirtschaftsforum in St. Petersburg, die wichtigste Verkaufsbörse des Landes, statt. Unter den 4000 Teilnehmern waren auch 221 Chefs ausländischer Firmen, 50 Verträge mit einem Gesamtvolumen von umgerechnet sieben Milliarden US-Dollar wurden abgeschlossen. Die Ministerin für Wirtschaftsentwick-lung, Elvira Naibullina, zeigte sich zufrieden, obwohl es keine Steigerung zum Vorjahr gab.

Präsident Dmitrij Medwedew versprach eine raschere Modernisierung des Landes, nicht nur der Wirtschaft, sondern auch der Politik. Putins vor zehn Jahren gestartetes Modell der Rohstoff-Ökonomie und des Dirigismus sei Anfang der 90er Jahre notwendig und richtig gewesen, aber inzwischen erschöpft. Medwedew sagte, er wolle keinen „Staatskapitalismus“ und er werde den Verkauf von Staatsanteilen an wichtigen Unternehmen wie dem Öl-Giganten Rosneft vorantreiben, wenn er denn 2012 wiedergewählt würde. Ob er kandidieren wird, ließ Medwedew offen. Es sei sekundär, wer das Land führe, sagte der Präsident. Mit dieser Unbestimmtheit verliert Medwedew, der in früheren Jahren genau das Gleiche versprach, aber keine Taten folgen ließ, das Vertrauen der ausländischen Anleger, die Planungsgewissheit erwarten, wenn sie ihr Geld in Russland investieren sollen. Die Folge: Seit letztem Jahr nimmt die Kapitalflucht aus Russland zu. Laut Wirtschaftsminister Alexej Kudrin betrug die Kapitalabwanderung im ersten Quartal dieses Jahres umgerechnet 21 Milliarden Euro. Der  Minister macht die Regierung Putin dafür verantwortlich. Er wirft ihr vor, die Wettbewerbsfähigkeit der einheimischen Wirtschaft durch Protektion einzelner Branchen oder sogar einzelner Geschäfte innerhalb von Branchen zu bremsen.

Die Wirtschaftskrise hat die strukturelle Schwäche der russischen Wirtschaft schonungslos offengelegt: Die Korruption hat in der Krise zugenommen, mangelnde Rechtssicherheit, fehlender Schutz des Eigentums sowie fehlende Kontrolle im Finanzsektor zählen zu den größten Hinderungsgründen. Regierungschef Wladimir Putin hält dagegen unbeirrt an seinem System des staatlichen Lenkens fest. Daran wird sich vermutlich nichts ändern, sollte er im nächsten Jahr wieder das Amt des Präsidenten übernehmen. Gezielt setzt er Protektionismus von Staatsbetrieben als politisches Mittel ein: Die EU blockiert den Kauf weiterer Anteile an westlichen Energieversorgern durch den Gasriesen Gazprom, Putin legt neue Spielregeln für Autoimporte fest. Das beste Beispiel ist die Knebelung ausländischer Autohersteller. In diesem Jahr sind beispielsweise die deutschen Exporte nach Russland deutlich gestiegen. Vor allem der Maschinen- und Fahrzeugbau profitieren von der Konjunktur in Russland. Die Exporte legten im ersten Quartal auf 7,4 Milliarden Euro zu. Einziger Wermutstropfen: Die russische Regierung zwingt ausländische Autokonzerne, in Russland zu fertigen, wenn sie ihre Modelle dort verkaufen wollen. Um die russische Autoindustrie, die wie der in Toljatti ansässige Konzern Avtovaz (Lada) in der Wirtschaftskrise ins Bodenlose stürzte, zu unterstützen, müssen internationale Hersteller und ihre Zulieferer künftig in Russland produzieren. Wollen sie ihre Marktanteile nicht verlieren, müssen sie 300000 Fahrzeuge vor Ort bauen und bis zu 60 Prozent der Teile von Zulieferern in Russland beziehen. Ein Problem für die Hersteller, denn russisches Personal ist knapp und die Produktivität geringer als in Deutschland. Fachkräfte müssen erst aufwändig qualifiziert werden. Trotzdem plant VW den Ausbau seines Werks in Kaluga, die Stuttgarter Bosch-Gruppe den des Werks in der zentralrussischen Stadt Engels. Zur Zeit kaufen Russen jedes Jahr 1,9 Millionen neue Fahrzeuge, bis 2020 werden vier Millionen prog-nostiziert. Putins Rechnung ist aufgegangen. Seit der Renault-Konzern mit seinem japanischen Partner Nissan Anteile am Lada-Hersteller Avtovaz hält, werden in Toljatti wieder Billigautos produziert. Putin könnte es auf diese Weise gelingen, was er bis 2008 nicht geschafft hat, die „Diversifizierung“ der Wirtschaft, wenn auch auf Kosten anderer.

Russland reagiert auf Störungen empfindlich und unmittelbar. Erst im Juni, also nachdem die Ehec-Warnung für Gurken wieder aufgehoben war, verhängte die Regierung ein Importverbot für Gemüse aus Europa. Eine Reaktion auf die ergebnislosen Treffen (siehe Seite 2)?

Seit dem Konflikt mit Georgien übt der Kreml Druck mittels eines Importverbots für georgischen Wein und Mineralwasser auf Präsident Michail Saakaschwili aus. Georgien verhindert deshalb den Beitritt Russlands zur Welthandelsorganisation WTO. Während Medwedew auf einen WTO-Beitritt Russlands drängt und die USA und die EU vor „neuen Spielchen“ warnt, steht Putin dem Beitritt eher gleichgültig gebenüber. Die Blockade seitens Georgiens gibt ihm die Möglichkeit, sich damit herauszureden, schließlich kein WTO-Mitglied zu sein. Manuela Rosenthal-Kappi


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