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25.06.11 / Bescheidener Luxus / Privatausgaben Friedrichs II. ausgewertet und ins Internet gestellt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 25-11 vom 25. Juni 2011

Bescheidener Luxus
Privatausgaben Friedrichs II. ausgewertet und ins Internet gestellt

Im Rahmen der Vorbereitungen der großen Präsentation „Friederisiko. Friedrich der Große“ kommendes Jahr im Neuen Palais in Potsdam hat die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (SPSG) in Kooperation mit dem Geheimen Staatsarchiv zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz (GStA PK) und in Zusammenarbeit mit der Publikationsplattform für die Geisteswissenschaften „perspectivia.net“ die Schatullrechnungen Friedrichs des Großen erforscht, digital erschlossen und auf der Plattform www.perspectivia.net veröffentlicht. „perspectivia.net“ ist eine internationale, epochenübergreifende und interdisziplinäre Online-Publikationsplattform für die Institute der bundesunmittelbaren Stiftung Deutsche Geisteswissenschaftliche Institute im Ausland (DGIA) und ihre Kooperationspartner mit dem Ziel, die wissenschaftlichen Ergebnisse der Auslandsinstitute transparent und barrierefrei zugänglich zu machen.

Bei den nun im Internet veröffentlichten Schatullrechnungen handelt es sich um eine Art privater Kontoaufstellungen mit rund 20000 Einzelposten, die überaus private Einblicke in die Ausgaben des Regenten geben. Nur sehr wenigen Vertrauten bekannt, hätte ihre Veröffentlichung sicher Hochverrat bedeutet, kommentiert Ralf Zimmer, Historiker der Stiftung Deutsche Geisteswissenschaftliche Institute, die Relevanz des nun jedermann zugänglichen Materials. Über ein Jahr forschte der Wissenschaftler im Staatsarchiv. So sind die originalen Rechnungen zunächst Blatt für Blatt eingescannt, transkribiert sowie digitalisiert worden. Eine Steuerung ermöglicht eine Navigation zwischen den Dokumenten. Einzelne Ausgabenposten können anhand von Schlagwörtern gezielt gesucht werden.

Die historischen Unterlagen umfassen 41 gebundene Mappen mit jeweils vier bis 63 Blättern. Für die Online-Stellung konnten die insgesamt 910 Blätter aus den Jahren 1742 bis 1786 erfasst werden.

Die in über 41 Jahren durch die Schatullrechnungen dokumentierten Ausgaben schwanken zwischen 200000 Reichstaler im Jahr 1750 und 30840 im Sterbejahr Friedrichs 1786. Dem Staate Preußen standen zum Vergleich im Jahre 1781 Staatseinnahmen in Höhe von etwa 19 Millionen Reichstaler zur Verfügung.

Bei der Analyse der Schatullenrechnungen kamen die Staats- beziehungsweise staatsnahen Historiker zu dem Ergebnis, dass Fried­rich der Große nicht unbedingt dem Ideal der preußischen Tugend der selbstlosen Bescheidenheit entsprochen habe. So sei der Preußenkönig ein derart fanatischer Kirschenliebhaber gewesen, dass er sich dieses Vergnügen auch in der kälteren Jahreszeit gegönnt und an einem Nachmittag für das leckere Obst mit 180 Talern mehr als das halbe Jahresgehalt eines Hofmusikus ausgegeben habe. So habe Wilhelm Friedemann Bach für seine Arbeit 300 Taler jährlich bekommen. Auch habe sich Fried­rich regelmäßig Orangepuder, Rosenwasser, kostbaren Champagner und Weine geleistet, habe „ein Kleid für den kleinen Hund“ als Kälteschutz herstellen lassen und habe Künstler, die er schätzte, durch finanzielle Zuwendungen an seinen Hof gebunden.

Neben den akribisch geführten Schatullrechnungen hätten noch weitere „schwarze Kassen“ existiert, die Friedrich jedoch als „rote oder grüne“ bezeichnet habe. Hieraus habe er seine geliebten und sehr kostbaren Tabatieren bezahlt. Diese „bunten“ Kassen würden aber noch einer genaueren Untersuchung unterzogen, so das Geheime Staatsarchiv und „perspectivia.net“.

Trotz all dieser „Enthüllungen“ über das private Konsumverhalten des Preußenkönigs, die Hartmut Dorgerloh von der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg von einem „wahren Geschenk“ für alle und einen Meilenstein der Forschung über Friedrich II. schwärmen lassen, lässt sich doch konstatieren, dass der preußische König im Vergleich zu den unmäßigen Ausschweifungen an anderen europäischen Höfen dann doch wieder bescheiden war. Silvia Friedrich / PAZ


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