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25.06.11 / »Flucht, Vertreibung, Eingliederung« / Ein Oberstudiendirektor wird für seine Bemühungen um Freundschaft mit den östlichen Nachbarländern ausgezeichnet

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 25-11 vom 25. Juni 2011

»Flucht, Vertreibung, Eingliederung«
Ein Oberstudiendirektor wird für seine Bemühungen um Freundschaft mit den östlichen Nachbarländern ausgezeichnet

Nach eingehender Beratung wurde von über 50 Kandi­daten Studiendirektor Eck­hard Scheld als verdienter Preisträger vorgeschlagen. Der Hessische Sozialminister Stefan Grüttner folgte diesem Vorschlag.

Eckhard Scheld arbeitet an der Wilhelm-von-Oranien-Schule in Dillenburg. Darüber hinaus ist er seit Jahren in der Lehrerbildung tätig und führt Schülerbegegnungen vor allem in östliche Nachbarländer durch. Unter ihnen ragt eine heraus, die jetzt auch bei der Preiszuerkennung eine Rolle spielte. Sie liegt bereits 20 Jahre zurück und führte 1991 zu einer Schülerbegegnung in der Stadt Aussig an der Elbe (Ústí nad Labem). Die Schüler der 10. Klasse der Wilhelm-von-Oranien-Schule hatten sich bereits im Jahr zuvor sehr intensiv mit dem deutsch-tschechischen Verhältnis beschäftigt und an dem hessischen Schülerwettbewerb „Aufbruch in ein neues Europa“ teilgenommen. Mit dem Gewinn aus dem Wettbewerb verwirklichten sie dann die einwöchige Studienreise. Dr. Stingl hatte für die Hessische Landeszentrale für politische Bildung zur Begründung des Sonderpreises an die Schüler formuliert: „Anerkennung verdient insbesondere das vielfältige Engagement für die Verständigung zwischen beiden Völkern.“

Heute auf diese Begegnung angesprochen, berichtet Eckhard Scheld, dass er 1990 – wie fast alle Welt − neugierig auf die Entwick­lung in der Tschechoslowakei unter ihrem damals charismatischen Präsidenten Václav Havel war. Dieses Gefühl habe sich auf die Schüler übertragen und bei einigen sogar zu Begeisterung geführt. Diese hatten bereits während des Wettbewerbs einen offenen Brief an den Primator der Stadt Aussig gerichtet mit der Bitte, an der Elbebrücke eine Gedenktafel zur Erinnerung an das Massaker von 1945 anzubringen. Eine Antwort erhielten sie nicht. Das ungesühnte Massaker ließ den deutschen Schülern aber keine Ruhe. Sie schrieben dann an Jirí Gruša, den tschechoslowakischen Botschafter in Bonn, der zur deutschfreundlichen Elite seines Landes gehörte und aufgeschlossen genug war, die Idee gut zu finden und die Schüler in ihrem Anliegen zu bestärken. In die Hoheit der Stadt konnte er zwar nicht eingreifen. Er ermutigte aber die Dillenburger Schüler in ihren Bemühungen auch zum Besuch ihres tschechischen Nachbarlandes „das nach langer Zeit mit offenen Händen seine Gäste empfängt“.

Ihrem Fachlehrer Eckhard Scheld war es inzwischen gelungen, zur Durchführung einer Schülerbegegnung mit dem örtlichen „Gymnazium Stavbaru“ Kontakt aufzunehmen. Die Schüler erlebten bei dieser Begegnungsreise in Aussig und trotz der Abweisung durch den Primator einige unerwartet interessante Tage mit den tschechischen Schülern. Sie wurden begleitet von dem Schriftsteller Ota Filip und einem Team des Bayerischen Rundfunks.

Nicht wenig erstaunt waren die deutschen Schüler, als sie mit den tschechischen Mitschülern und Lehrern über das Geschehen auf der Brücke sprechen wollten. Die tschechischen Schüler und offenbar auch die Lehrer wussten fast nichts. Das tat der Freundschaft der jungen Leute keinen Abbruch. Der Begegnung in Aussig folgte der Gegenbesuch der tschechischen Schüler 1992 in Dillenburg. Für eine Gedenktafel an der Aussiger Brücke war die Zeit Anfang der 90er-Jahre noch nicht reif. Aber diese Aktion wurde jedenfalls zu einem kleinen Anstoß, der die Bewegung zu einem Strom anschwellen ließ, der schließlich allen Hindernissen zum Trotz im Jahre 2005 zu der ersten Gedenktafel an den Pogrom auf der Brücke führte. Nach Anregung ihres Lehrers hatten die Schüler nach der Devise gehandelt, wer der Wahrheit zum Sieg verhelfen wolle, dürfe sie sich nicht selbst überlassen.

Mitentscheidend für die Zuerkennung des Preises waren auch zwei DVDs über den „Weg der Königsberger Diakonissen von Königsberg nach Wetzlar“. Ein Unterrichtsprojekt zur Spurensuche in Hessen am Altenberg bei Wetzlar, das über die Zwischenstation Berlin bis Königsberg weiterführte, brachte die Schüler dazu, diesen Film zusammenzustellen. Die unterrichtliche Entfaltung des Projekts und die Mobilisierung der Fertigkeiten der beteiligten Schüler brachten es mit sich, dass der Film auch in Russisch synchronisiert werden konnte und somit das Projekt auf diese Weise eine besondere Wirkung der Verständigung im Königsberger Gebiet bewirkte. Es sei nur darauf hingewiesen, dass das russische Personal des heute weiterbestehenden Krankenhauses in Königsberg eine genaue Information darüber sehen kann, wer ihr Krankenhaus zu preußisch-deutscher Zeit gegründet hat, wie das Schick­sal derer verlief, die es einst vor ihnen führten und wie die Wetzlarer Diakonissen nach der Wende den Königsberger Schwestern geholfen haben.

Eckhard Scheld hat mit Schülern und Lehrern – auch über Hessen hinaus – zahlreiche Begegnungen angeregt und durchgeführt. Schüler führt er immer wieder bei Projekt- und Hausarbeiten sowie in Wettbewerben zu Höchstleistungen. Das geht weit über die üblichen Pflichten eines Lehrers hinaus. Einige Male wurde das im Lande Hessen bereits bekannt. So verlieh ihm 2007 der Magistrat der Stadt Dillenburg für die engagierte Verständigung zwischen Menschen verschiedener Religionen und Herkunft die Charlotte-Petersen-Medaille. 2009 erhielt er die Goldene Ehrennadel der Landsmannschaft der Russlanddeutschen, da er, wie die russlanddeutsche Autorin Nelly Däs dabei anmerkte, nicht nachlasse in seinem Bemühen, russlanddeutschen Kindern nicht nur eine Chance zu geben, sondern ihre Fähigkeiten erkenne und ihnen Mut mache, sie zu nutzen. Am 18. Juni erhielt er nun – wie es in einem Text heißt – in Anerkennung seiner Verdienste als außerordentlicher Anreger und Inspirator vieler Schüler und Lehrer den Hessenpreis „Flucht, Vertreibung, Eingliederung“ des Jahres 2011. Gerolf Fritsche


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