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25.06.11 / Sandkastenspiele / Neid und Freundschaft dicht beieinander

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 25-11 vom 25. Juni 2011

Sandkastenspiele
Neid und Freundschaft dicht beieinander

Hubert Moser schlenderte durch den kleinen Park. Er strebte dem Spielplatz zu, auf dem reges Treiben herrschte. Junge Mütter saßen reihum auf den Bänken, unterhielten sich miteinander und warfen ab und zu besorgte Blicke auf ihre spielenden Kinder. Zufrieden lächelnd setzte sich Hubert auf eine gerade frei gewordene Bank, und seine neugierigen Blicke verfolgten das Spiel der Kleinen. Hier war doch wenigstens mal etwas los!

Auf der langen Rutsche ging es friedlich zu. Keiner schubste seinen Vordermann hinunter, jeder wartete geduldig, bis er dran kam. Auch auf den beiden Schaukeln herrschte Einigkeit. Die Mütter ließen sich in diesen Frieden fallen und erholten sich. Der alte Herr auf seiner Bank nickte ein wenig ein, schreckte aber durch lautes, wütendes Geschrei wieder auf.

Im Sandkasten war Krieg ausgebrochen. Zwei Blondschöpfe stritten sich. Der mit dem runden, rosigen Gesicht, ungefähr zwei Jahre alt, brüllte wie am Spieß, der etwas größere mit der Schmachtlocke über der Stirn schrie beinah noch lauter: „Blödkopf, du hast meine Burg kaputt gemacht!“

Die beiden Jungen saßen mit etwa einem Meter Abstand nebeneinander und hatten eben noch friedlich Schippe auf Schippe zu ihrer ganz persönlichen Burg gehäuft, bis der mit dem runden Gesicht merkte, dass sein Werk aus Sand etwas kleiner geraten war als das des anderen. Da kam Neid auf, und mit einem Wutschrei hieb er das sandige Ärgernis mit ein paar schnellen Schlägen kurz und klein. Schmachtlocke geriet in Zorn und tat mit Mondgesichts Burg das Gleiche. Nun wurde es gefährlich, denn die beiden Streithähne setzten ihre Schippen als Schlagzeuge ein.

Im Nu waren ihre beiden Mütter zur Stelle. Die zu Mondgesicht gehörte, stand schon am Rande des Sandkastens, die andere, deren Söhnchen Schmachtlocke war, stiefelte mitten hinein ins Vergnügen und entriss dem bösen Buben, der ihren Sohn bedrohte, die Schippe. Geschrei und Tränen im Sandkasten ohne Ende.

Auch die beiden Frauen schrien sich an. „Ihr unerzogenes Balg verdient Prügel“, drohte die eine, die andere konterte mit überschwappender Stimme: „Ihrer hat doch angefangen, ich habe es genau gesehen!“

Empört oder amüsiert verfolgten die Mütter ringsum das hässliche Geschehen, aber sie mischten sich nicht ein. Ein paar Kinder standen daumenlutschend um den Sandkasten herum. Hubert Moser ging jetzt langsam auf den Kriegsschauplatz zu, wo das heftige Gezeter der beiden Frauen noch zunahm.

Sanft fasste er die ihm zunächst Stehende an der Schulter und zeigte auf die beiden Kleinen. Die saßen mit tränen- und rotzverschmierten Gesichtern zufrieden lächelnd nebeneinander und schippten Sand. Sie bauten Schippe auf Schippe an einer Burg.

Die Frauen sahen sich kurz an. Schmachtlockes Mama lachte verlegen, während Mondgesichts Mutter kopfschüttelnd meinte: „Das ist ja ’n Ding!“ Beide gingen zu ihren Bänken zurück und wuss­ten nicht, wo sie hinsehen sollten.

Der alte Herr saß da und wartete. Fünf Minuten lang herrschte Ruhe, dann hieb Schmachtlocke mit seiner Schippe auf die Burg ein. Mondgesicht tat es ihm nach und traf versehentlich die Hand des anderen. Wiederum lautes Gebrüll. Aber ihre Mütter kümmerten sich nicht darum. Sie saßen nebeneinander und tauschten Rezepte aus. Aus den Augenwinkeln heraus schielten die beiden Schreihälse zu ihnen hin, doch als keiner reagierte, schnieften sie kurz auf, griffen sich ihre Schippe und fingen an, eine neue Burg zu bauen, dieses Mal jeder seine eigene. Hubert Moser lächelte. Gabriele Lins


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