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02.07.11 / Ideologie trifft Wirklichkeit / Rot-rote Energiewende in Brandenburg: Mangelnde Bürgerakzeptanz, technische Probleme

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 26-11 vom 02. Juli 2011

Ideologie trifft Wirklichkeit
Rot-rote Energiewende in Brandenburg: Mangelnde Bürgerakzeptanz, technische Probleme

Brandenburgs Regierungskoalition aus SPD und Linkspartei sieht den Ausbau alternativer Energie in Gefahr. Laut einem internen Bericht zu ihrer jetzt überarbeiteten Energiestrategie erfährt der bisherige massive Ausbau erneuerbarer Energie in der Mark kaum Rückhalt in der Bevölkerung. Zudem ist von „mangelnder Energieeffizienz“ die Rede. Die Energiewende kommt nicht voran.

Die beschauliche Kreisstadt Bad Belzig im Naturpark Hoher Fläming hat für ihre rund 11000 Einwohner jetzt klimafreundliche Energie ohne Großversorger und fossile Brennstoffe beschlossen. Die Stadtverwaltung erarbeitet ein Konzept, wie diese Wende umsetzbar sein soll. Bereits 17 Prozent des Verbrauchs werden aus einem Blockheizkraftwerk und aus Photovoltaik-Anlagen gespeist. Dass noch mehr erneuerbare Energie möglich, ja nötig ist, glaubt auch Brandenburgs Landesregierung.

Laut Wirtschaftsminister Ralf Christophers (Linkspartei) sind im Rahmen der erneuerbaren Energien bereits 12000 Arbeitsplätze in der Mark entstanden – das sei ein Zukunftssektor. Nun jedoch vergällen ernüchternde Erkenntnisse die energiepolitischen Visionen der Landesregierung. Ein Bericht zur überarbeiteten Energiestrategie zählt gleich fünf Probleme auf: Neben einem zu langsamen Netzausbau ist vor allem von „mangelnder Akzeptanz der Betroffenen vor Ort“ für die neuen Energien in dem 110 Seiten starken Papier die Rede.

Ständige Bürgerproteste gegen Solaranlagen und Biogaserzeugung verunsichern Rot-Rot. Bürgerinitiativen wehren sich gegen „vermaiste Landschaften“, in denen keine Fruchtfolge mehr erkennbar sei. Rund 300 weitere Biogasanlagen haben in Brandenburg noch Platz, schätzen Experten. Die im Papier beschriebenen fehlenden Speicherkapazitäten, zu geringen Flächen („Nutzungskonkurrenzen“) und die „mangelnde Energie­effizienz“ stellen dagegen deutliche Hindernisse dar. Das „langfristig wenig planbare Förderumfeld“ für Solar und Biomasse schränkt verlässliches Planen zusätzlich ein.

Dazu kommt: Alternativ-Energien sichern bekanntlich keine Grundversorgung. Diese Erkenntnis spiegelt das Papier auch im neuen „Zielviereck“, das die künftigen Schwerpunkte der Energiepolitik beschreibt. Umweltverträglichkeit, Versorgungssicherheit, Wirtschaftlichkeit und Akzeptanz sind darin gleichberechtigt.

Die rot-rote Regierung muss dies mit weniger Mitteln als bisher umsetzen, das zeigt ihr aktueller Sparhaushalt. Der sieht massive Einschnitte in allen Ressorts vor. Selbst bisher zum Schwerpunkt erklärte Bereiche wie die Wirtschaftsförderung erhalten weniger Geld.

Städte wie Bad Belzig setzen dessen ungeachtet unverdrossen auf die Förderbereitschaft des Landes. Das sieht seine bisherige Energiepolitik nun in Gefahr. „Weitgehend gering“ ist nach dem Papier aus Christophers Behörde die Akzeptanz unterirdischer Kohlendioxydspeicher (CO2-Speicher) bei den Bürgern. Das Land setzt wie kaum ein anderes auf diese CSS-Technologie (Carbon Capture and Storage, deutsch: CO2-Erfassung und Speicherung). Nur Brandenburg betreibt eine Pilotanlage. Rot-Rot hofft auf die unterirdischen Speicher, denn erst sie erlauben angeblich eine „klimafreundliche“ Nutzung der Braunkohle. Die Regierung bezeichnet das überarbeitete Papier weiter als „Eckpfeiler“ der märkischen Energiepolitik.

Tatsächlich bleibt der Anteil der Braunkohle am gesamten CO2-Ausstoß des Landes unverändert bei über 60 Prozent. Das sei kein Signal einer Abkehr von fossilen Brennstoffen, kritisieren Umweltschützer. Die Bundesregierung will die CSS-Technologie ohnehin entgegen Brandenburgs Wünschen nur mit einem Vetorecht für jedes Bundesland erlauben. „Nicht akzeptabel“, sagt Christophers. Schleswig-Holstein und Niedersachsen lehnen das Verfahren wegen angeblicher Risiken ohnehin ab. Ende Mai scheiterte Brandenburgs Sicht zur CO2-Speicherung auch im Bundesrat. Doch benötigt das energiepolitisch derart isolierte Land das Verfahren, um Braunkohle weiter verstromen und mit der Einhaltung der eigenen ehrgeizigen Klimaziele bis 2030 verbinden zu können. Zudem versteht sich die Linkspartei inzwischen in weiten Teilen als Gegner der Kohle, ist jedoch in der Frage dieser „Brückentechnologie“, so der Parteijargon, gespalten. Sollte unter Christophers das Ende der Kohle mit dem Scheitern von CSS besiegelt sein, droht der Koalition also eine Zerreißprobe. Der Handlungsspielraum schwindet, denn Christophers sagt Nein zu einem Alleingang bei der CO2-Speicherung.

Auch sonst weist das Regierungspapier mehr neue Probleme als Lösungen auf. Die Frage nach der Grundversorgung bleibt offen, ebenso, welche Folgen die Energiewende der Bundespolitik für Brandenburg hat. „Unzureichende Netzkapazitäten“, wie das Papier sie beschreibt, sind der Kern künftiger Verteilungs- und Versorgungsprobleme. Vor allem aber die Ängste vor ähnlichen Protesten wie um „Stuttgart 21“ beschäftigen nicht nur die jüngste „Handlungskonferenz Windenergie/Bioenergie“, auf welcher Brandenburgs Forscher über aktuelle Trends sprechen, sie verunsichern auch die Landesregierung. Deren „Energiestrategie 2030“ soll Ende des Jahres stehen, sagt Christophers. Er muss darin beweisen, was auf den Internet-Seiten seines Ministeriums steht: „Brandenburg ist nicht mehr Energielabor, sondern Energieland.“       SV


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