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02.07.11 / »Gorch Fock« rehabilitiert / Staatsanwaltschaft stellt Todesermittlungsverfahren ein

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 26-11 vom 02. Juli 2011

»Gorch Fock« rehabilitiert
Staatsanwaltschaft stellt Todesermittlungsverfahren ein

Die Kieler Staatsanwaltschaft hat das Ermittlungsverfahren im Fall der bei der seemännischen Basisausbildung aus der Takelage der „Gorch Fock“ gestürzten Offizieranwärterin eingestellt. Es hätten sich „keine zureichenden Anhaltspunkte“ für ein strafrechtlich zu bewertendes Fehlverhalten von Verantwortlichen der Schiffsführung, Mitgliedern der Besatzung oder sonstigen Angehörigen der Marine ergeben, so Oberstaatsanwältin Barbara Heß. Monatelang stand die Stammbesatzung des Segelschulschiffes der Deutschen Marine unter dem Verdacht, den Tod der 25-jährigen Sarah Lena Seele durch übertriebenen Drill mitverschuldet zu haben.

Zur Aufklärung des Sachverhalts befragte die Staatsanwaltschaft mehr als 50 Zeugen und sah alle zur Beurteilung erforderlichen Akten, Dokumente, Befehle und Vorschriften ein. Im Laufe der Ermittlungen ergab sich ein anderes Bild der Geschehnisse als das in den Medien überwiegend gezeichnete: Nach den Erkenntnissen der Anklagebehörde war Obermaat Seele uneingeschränkt borddienstverwendungsfähig. Auf ihre Kameraden machte sie einen selbstsicheren, motivierten und konzentrierten Eindruck. Zu Beginn der Segelausbildung erfolgte eine ausführliche Belehrung und Einweisung in die Verhaltensmaßregeln beim Aufentern in die Takelage und die Sicherheitsvorkehrungen. Nachdem sie bei den Übungen keine Schwierigkeiten hatte, äußerte Seele in einer längeren Pause gegenüber ihren Kameraden, dass sie die Anstrengung deutlich spüre. Den Rat, sich deshalb an die Ausbilder zu wenden, befolgte sie nicht. Beim erneuten Aufentern wies sie ein Ausbilder an, nicht weiter aufzuentern und die Sicherung einzuhaken. Diesem Befehl kam sie jedoch nicht nach und absolvierte problemlos die weiteren Übungen, wobei sie die ihr zugewiesene Position heimlich mit einem Kameraden tauschte, um diesem den Einsatz auf einer tiefer gelegenen Rah zu ermöglichen. Das Hilfeangebot eines Ausbilders lehnte sie ab. Beim Niederentern verzichtete sie wieder auf Hilfe, verlor schließlich den Halt und stürzte ab. Für die Ausbilder sei, so die Staatsanwaltschaft, zwar „eine Belastungssituation, aber keine Überlastungssituation“ bei der Kadettin erkennbar gewesen. Der Vorwurf, es sei von der Stammbesatzung unverhältnismäßiger Druck auf sie ausgeübt worden, ließe sich nicht bestätigen.

Im Ergebnis ihrer Ermittlungen kam die Staatsanwaltschaft zu dem Schluss, dass „keine zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte für eine objektive Pflichtverletzung“ vorlägen, und stellte das Verfahren ein. Gleichwohl schreibt sie der Marine etwas ins Stammbuch: Den für die Segelvorausbildung vorgesehenen Zeitansatz von zehn Tagen hält die Staatsanwaltschaft angesichts der vielen weiteren Aufgaben der Besatzung für äußerst knapp bemessen. Auch sei die Dienstgestaltung während dieser zehn Tage trotz vieler zu beachtender Vorschriften und Befehle nur unzureichend geregelt. Vieles läge im Ermessen der Schiffsführung, was zu Unklarheiten und unterschiedlichen Herangehensweisen führe. Die Vorgehensweise der Schiffsführung nach dem Unfall habe jedoch gezeigt, dass klare Strukturen und Vorgaben möglich seien. So sei die Segelvorausbildung umgestellt worden, ohne dass die erforderliche Flexibilität in der Ausbildung verloren gegangen sei.      Jan Heitmann


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