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02.07.11 / Zurück zur D-Mark, bitte!

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 26-11 vom 02. Juli 2011

Moment mal!
Zurück zur D-Mark, bitte!
von Klaus Rainer Röhl

Ich erinnere mich noch sehr gut an einen Juliabend im Jahre 1996 in Düsseldorf. Auf Einladung einer Mittelstandsvereinigung diskutierten wir von der FDP über die Abschaffung der D-Mark und die Einführung des Euro. Edmund Stoiber war auch dabei und sprach sich gegen die Einheitswährung aus. Viel hat die Diskussion nicht genützt. Abstimmen durften die Deutschen ja nicht über die Abschaffung der D-Mark, der in der ganzen Welt angesehenen deutschen Währung. Auch in meiner Partei, der FDP, waren die Meinungen durchaus geteilt. Meine Freunde von der „Liberalen Offensive“ um den ehemaligen Generalbundesanwalt Alexander v. Stahl waren für die Beibehaltung der D-Mark, die Parteispitze, zu der damals auch Guido Westerwelle gehörte, war für die Einführung einer europäischen Währung. Sie wollten den Euro, wir, die Euro-Gegner, nicht. Am Ende der lebhaften Diskussion war klar, dass die Mehrheit der Anwesenden sich für die Beibehaltung der D-Mark und gegen den Euro entschieden hatte. Man wollte lieber die deutsche Einheit, die erst sechs Jahre alt war, vernünftig ausgestalten, was schwierig und kostspielig genug schien, als mal eben, ganz schnell, eine neue Einheitswährung aus dem Hut ziehen wie ein Hütchenspieler seine Würfel, der Zauberer ein weißes Kaninchen. Abenteuerlich. Eine Einheit mit zwei Dutzend und noch mehr anderen Europäischen Völkern und Staaten unterschiedlicher Geschichte, Sprache, Kultur und Entwicklung, die wirtschaftlich ohnehin unter keinen Hut zu bringen wären! Diskutiert wurde landauf, landab, aber gefragt wurden die Deutschen nicht – viele andere europäische Völker auch nicht. Norwegen und England wollten ihre Währung überhaupt nicht abgeben. Sie können sich heute glück­lich preisen.

So wurde ich, ohne dass eine politische Einheit Europas auch nur in Ansätzen sichtbar geworden wäre, Zwangs-Europäer, das Geld 2:1 umgetauscht und in den folgenden Jahren Cent um Cent abgewertet. Vor der Einführung des Euro bekam ich 1850 D-Mark Rente. Der Euro, sagte man, sollte doppelt so viel wert sein wie die D-Mark. Also betrug meine Rente jetzt 995 Euro. Klar. Alles sollte dementsprechend nur noch die Hälfte kosten und in den ersten Monaten stand auf dem Kassenzettel auch noch der Betrag in der alten Währung (in Frankreich bis heute). Aber bald kam die langsam schleichende Abwertung. Schon der „Spiegel“, der vor der Währungsumstellung fünf DM gekostet hatte, war nur noch für 3.50 Euro zu haben. Von der Bahnfahrt bis zum Benzin, vom Brötchen bis zum Theaterbesuch kostete das meiste sehr bald so viel wie früher, nur die Rente stieg nicht. Nun sagt mir die Kanzlerin im Fernsehen, dass der Euro gut gewesen sei für „uns“. Wir profitierten alle davon. Und ich frage heute wie damals in Düsseldorf, wer ist das: „wir“? Sind es „die Deutschen“? Die, die Autos und Kühlschränke und U-Boote in die Euro-Zone exportieren und dicke Gewinne machen,  sind das nicht eher VW und BMW, Siemens und AEG?

Wie sehen die Deutschen heute, neun Jahre nach der Einführung des Euro, ihre Lage? Wie ich. Laut einer Umfrage wünschten sich 52 Prozent schon im Mai 2010 ihre alte Währung wieder zurück. Im Juni 2011 hat sich die Zahl der Euro-Gegner noch erhöht. Keine Angst, wir werden auch diesmal nicht gefragt.

Der Euro sollte angeblich allen nützen. Statt blühenden Wohlstands aber kam die Wirtschaftskrise, ausgelöst durch Aktivitäten der amerikanischen Lehman-Bank, die mit abenteuerlichen Grundstücks­spekulationen Millionen von Menschen ruiniert und dabei unermessliche Gewinne eingefahren hat. Die Kosten mussten am Ende mit Staatsgeldern, das heißt auf Kosten der US-Bürger und leider, wegen der Verflechtung mit deutschen Banken, auch von der Bundesrepublik, bezahlt werden – mit Milliarden. Danach kam die sogenannte Griechenland-Krise, ausgelöst durch die jahrelang nicht beachtete schlechte Wirtschaftslage des sonnigen Urlaubslandes, aber vor allem durch die gezielte Spekulation einiger amerikanischer Großbanken, der Goldman-Bank vor allem, und der sogenannten Rating-Agenturen. Die Spekulanten schlossen Wetten auf den griechischen Staatsbankrott ab. Der nur mit einer gewaltigen Kraftanstrengung der übrigen (zahlungsfähigen) Euroländer und des IWF mit einem Mammut-Kredit gestoppt werden konnte – entgegen der Europäischen Verfassung, die diesen Eingriff verbietet. 110 Milliarden sollten es zuerst sein. Das reicht inzwischen nicht einmal für die laufenden Kosten und Zinsen.

Das war vor einer Woche. Und ist schon wieder Geschichte. Eine ziemlich miese Geschichte. Weil sich herausstellte, dass die Spieler in den USA – die auf den griechischen Staatsbankrott hohe Wetten abschließenden Spekulanten, keine anonymen „Märkte“ oder Mächte, sondern Menschen mit Namen und Adresse – nun begannen, ihre Spekulationen nicht nur gegen Griechenland und andere wirtschaftlich schwache Länder, sondern gegen die ganze Euro-Zone zu erweitern. Mit dem Ziel, wie eine Gruppe von vier Wissenschaftlern schon 2010 in einer Anzeige in der „FAZ“ die Öffentlichkeit informierte, die ganze Euro-Währung zu entwerten und den entwerteten Rest als Ramsch aufzukaufen. In der Erklärung der Vier, die schon 1996 als Euro-Gegner von sich reden machten und die auch Beschwerde gegen die neue Gemeinschaftswährung beim Bundesverfassungsgericht eingelegt haben, heißt es: „Hat die Politik den Verstand verloren? Glaubt sie wirklich, mit Inflationsexzessen das Vertrauen der Menschen und Märkte zurückzugewinnen? Je größer und fantastischer die Dimensionen dieser Hilfsprogramme werden, desto kühler werden die Märkte ihre Inflationsgewinne berechnen: die Spekulation mit dem Werteverfall und dem billigen Nachkauf der sich entwertenden Vermögenstitel.“

Es ist nur ein kleiner oder eigentlich gar kein Trost, dass es zur Zeit vielen Deutschen so geht wie mir. Uns, den sogenannten „Geringverdienenden“, ein neugebildetes Orwell-Wort für Arme: den Rentnern, den Alten ohne menschenwürdige Alterssicherung und den Jugendlichen ohne sichere Zukunft, den durch den sozialen Rost gefallenen Hartz-IV-Beziehern vom 45. Lebensjahr an, den Intellektuellen ohne Einschaltquote und Marktanteil und den Hochqualifizierten mit zu hoher Qualifizierung – sie alle sind Verlierer des Märkte-Pokers und des Währungs-Roulettes – eines spannenden Spiels für ein paar amerikanische Banker.

Ein Spiel, das Angela Merkel nicht mehr durchschaut. Noch einmal 110 Milliarden? Den Einsatz vervielfachen wie beim Rou­lette? Mit dem „Verdoppelungsspiel“, der großen Illusion aller unglücklichen Spielsüchtigen. Aber die Bank gewinnt immer, die Rating-Agenturen und ihr Haupteigner und die Goldmans und Lehmans in New York auch. Mit denen spielt man nicht, Angela.

Verantwortung? Diese Spekulanten sind ebenso wenig oder so viel verantwortlich wie die kommunizierenden Röhren. Entsteht ein Vakuum, strömen sie hinein. Zuerst 750 Milliarden als Schutzschirm für den Euro und jetzt bald noch ein zweiter Fonds von 750 Milliarden für eventuelle weitere fußkranke Länder? Aber was, wenn auch diese gigantischen, kaum mehr richtig vorstellbaren Summen nicht ausreichen? Mein Freund Hilmar Kopper warnte schon 2010: „Kommissionspräsident Barroso hat gesagt: ‚Wir werden den Euro verteidigen, was immer es kosten mag.‘ Dieser Satz ist hochgefährlich. Der Markt könnte ihn testen wollen.“ Deshalb will ich – ebenso wie nach neuesten Umfragen rund 60 Prozent der Deutschen – unsere gute alte D-Mark wiederhaben.


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