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02.07.11 / Den richtigen Ton getroffen / Wiederauflage eines Bestsellers aus der »guten alten Zeit«

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 26-11 vom 02. Juli 2011

Den richtigen Ton getroffen
Wiederauflage eines Bestsellers aus der »guten alten Zeit«

Immer wieder einmal wird ein Verkaufsschlager von vorgestern unter die Neuerscheinungen auf dem Büchermarkt gemischt in der nicht ganz unberechtigten Annahme, dass solch ein Fossil seine Liebhaber findet. So auch ein, nein das früher einmal allseits bekannte „Wochenendbuch“ der Engländer, ein hübsch illustrierter Allzweck-Ratgeber für kultivierte Menschen der „Middle“- und „Upperclass“ zur Bereicherung ihrer Freizeitvergnügungen im Freien oder daheim. Mehreren Generationen war das Wochenend-Buch ein Begriff, da es ab 1924 in mehreren Auflagen bis 1955 erschien, jeweils um einige zeittypische „Perlen“ vermehrt. Sein Erfolg beruhte zum Teil darauf, dass es mehrere Bücher ersetzen konnte, was insbesondere bei einer Wandertour mit Rucksack von Vorteil war. Mit Bedacht und aufgrund eigener Erfahrungen hatten die Herausgeber und Autoren Francis und Vera Meynell den abwechslungsreichen Inhalt zusammengestellt. Und sie trafen den richtigen Ton, indem sie zu jedem Thema charmant, nicht zu trocken abgefasste Beiträge schrieben und dabei schräge Einlassungen nicht scheuten – eben sehr britisch. 2006 wurde das Lieblingsbuch der Groß- und Urgroßeltern-Generation in England wiederentdeckt und neu aufgelegt. Nun liegt der herrlich altmodische Klassiker mit dem Titel „Das Wochenend-Buch – Freizeit, bevor es Fernsehen gab“ auch in deutscher Übersetzung vor.

Besonders Naturliebhaber dürften ihre Freude daran haben, verraten doch schon die Überschriften der Anfangskapitel eine gründliche und hingebungsvolle Beschäftigung der Herausgeber mit der Tier- und Pflanzenwelt ihrer Heimat: „Die Erde und ihre Geschöpfe“, „Das grüne und liebliche Land“. Vogelbeobachtung stand hoch im Kurs. Kurioserweise hat man versucht, den Vogelgesang in Noten wiederzugeben.

Grundkenntnisse der englischen Architekturstile vom späten Mittelalter bis zur Neuzeit waren ebenfalls ein „Muss“. Bei der Vorbereitung einer Zelttour waren Camper gut beraten, sich mit dem Entziffern von Wetterkarten wegen der vielen Abkürzungen vertraut zu machen. Hinweise für die „Erste Hilfe“ waren unverzichtbar und für alle Fälle wurden selbst die Regeln des Immerwährenden Kalenders mitgeteilt. Noten und Texte von Liedern und Kanons, die gern in Gesellschaft gesungen wurden, durften keinesfalls fehlen und auch Poesie gehörte zum gepflegten Müßiggang.

Unter den Beispielen berühmter und weniger berühmter Gedichte fehlen natürlich nicht die humoristischen. Der Leser wird sich spätestens hier schmerzlich bewusst, welch schöne und sinnstiftende Beschäftigungen der prä-multimedialen Zeit ihm inzwischen so gut wie abhandengekommen sind. In den Landhäusern wurde nach dem Essen gespielt, neben Bridge und Backgammon auch Spiele mit Papier und Bleistift.

„Etikette“ war ein wichtiges Thema. Wichtig für das Gelingen eines mit der Familie oder mit Freunden verbrachten Abends oder eines Wochenendes waren und sind selbstverständlich Koch- und Cocktailrezepte.

Das Wochenend-Buch repräsentiert eine Welt, die so nicht mehr existiert, heißt es zutreffend im Vorwort von John Julian Norwich (geboren 1929), der sich noch gut an das Werk als beliebte Bettlektüre erinnert. Aber brauchen wir ein Buch, das sich großenteils auf die britischen Inseln und die damalige englische Lebensart bezieht? Tatsächlich wird der ausschließliche Bezug zu England bei einer Reihe von Themen überaus deutlich – wenn es auch die angeführten unterschiedlichen Haustierrassen auf den britischen Inseln mit Sicherheit nicht mehr gibt. Ob also etwas für oder gegen die Beschäftigung mit dem Lieblingsbuch der Engländer in der Zwischenkriegszeit spricht, das noch den Geist der viktorianischen Ära verströmt, sollte einfach dahingestellt bleiben. Das rät auch John Julian Norwich: „Ich überlasse es Ihnen, das zu beurteilen. Haben Sie ein schönes Wochenende.“ Dagmar Jestrzemski

Francis Meynell (Hrsg.): „Das Wochenend-Buch – Freizeit, bevor es Fernsehen gab“, Piper Verlag, München 2010, broschiert, 427 Seiten, zahlreiche Illustrationen, 9,95 Euro


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