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02.07.11 / Eigene Ideen nicht gefragt? / Erfahrungen einer Lehrerin, die versuchte, die Schule zu verbessern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 26-11 vom 02. Juli 2011

Eigene Ideen nicht gefragt?
Erfahrungen einer Lehrerin, die versuchte, die Schule zu verbessern

Wenn irgendwo in der  Bundesrepublik  Deutschland eine der 16 Landesregierungen wechselt, ist es nahezu schon ein Selbstläufer, dass im Koalitionsvertrag der neuen Regierungsparteien auch eine Schulreform angekündigt wird. Deutschlands Schulen scheinen bei Landesregierungen ein beliebtes Versuchsfeld zu sein. Dass an Deutschlands Schulen vieles nicht optimal läuft, beweisen seit einigen Jahren die in regelmäßigen Abständen durchgeführten sogenannten Pisa-Studien. Doch zu häufig stehen bei den politischen Reformen ideologische Motive im Vordergrund. Schule scheint ein idealer Ort für die Selbstverwirklichung von Politikern zu sein. Dass dies jedoch keineswegs für Lehrer und Schüler gilt, weist Inge Faltin in „Schule versagt – Warum Bildung ein Glücksspiel ist und wie sich das ändern kann” nach. Noch als ihr eigener Sohn zur Schule ging, kam die 1955 geborene studierte Politikwissenschaftlerin und Germanistin auf die Idee, den wissenschaftlichen Bereich, in dem sie tätig war, gegen die Schule zu tauschen und all das, was sie bei den Lehrern ihres Sohnes ärgerte, besser zu machen. Voller guter Vorsätze und Theorien startete sie ihre Lehrerlaufbahn als Referendarin, doch relativ schnell landete sie auf dem harten Boden der Realität.

Natürlich sind Inge Faltins Ausführungen äußerst subjektiv: Sie startete als hoch motivierte Schulverbesserin, die die Schule vor allem aus der eigenen Schüler- und inzwischen Elternperspektive kannte, und versuchte zehn Jahre lang, ihre Vorstellungen umzusetzen, bevor sie erneut den Beruf wechselte und jetzt als Autorin tätig ist. Vielleicht fielen ihr aber auch gerade wegen ihres Quereinstiegs in den Lehrerberuf Dinge auf, die andere Kollegen, die von der eigenen Schulbank und der Universität ohne Umweg ans Lehrerpult ziehen, gar nicht wahrnehmen. Doch bevor sie über ihre eigenen Erfahrungen – manchmal etwas zu detailverliebt – berichtet und diese auswertet, lässt sie ihren 1982 geborenen Sohn Daniel über seine Schulzeit erzählen. Und zumindest die Rezensentin erkannte zahlreiche der von Daniel Faltin geschilderten Lehrertypen aus ihrer eigenen Schulzeit. Auch die manchmal mysteriösen Wege der Notenfindung, die der Absolvent verschiedener Filmhochschulen darstellt, lassen Zweifel bezüglich der Vergleichbarkeit von Schulnoten aufkommen.

Natürlich sind sich Mutter und Sohn einig, dass in der Schule vor allem Menschen am Werk sind, und die sind schließlich selten unfehlbar, dennoch monieren sie, dass die Motive, den Lehrerberuf zu ergreifen, nicht unbedingt dazu geschaffen sind, den Schülern wirkliche Vorbilder zu bringen. Beamtenstatus, vergleichbar gutes Gehalt und lange Ferien, zudem der Mangel über ein Wissen über das Leben außerhalb von Lehreinrichtungen stellen aus ihrer Sicht schon gewisse Schwachpunkte im System dar.

Inge Faltin stört es auch, dass Lehrerausbildung so sehr  von Bundesland, Mode und Zeitgeist abhängig ist. Als sie ihr Referendariat machte, lag es gerade im damaligen Trend, dass der Lehrer sich als Persönlichkeit völlig zurücknimmt und stur dem Lehrplan folgt. Doch das war nicht ihr Ding. Sie hatte eigene Ideen, wie man den Lernstoff vermitteln könne, wurde jedoch ausgebremst. Außerdem sei sie zu dominant und solle sich dem Leistungsniveau der Schüler anpassen, kritisierten ihre Vorgesetzten, während sie konterte, sie dächte, es sei ihre Aufgabe, das Leistungsniveau zu heben. In vielen Klassen herrschte Chaos, das einige Kollegen durch Kontrolle zu beheben versuchten. Faltin hingegen entwickelte für sich selbst die Theorie, dass es sinnvoll sei, die Schüler zu motivieren und ihnen bewusst zu machen, dass sie alles, was sie taten, nur für sich taten: Sie wollte nicht nur reine Disziplin einfordern, sondern zu Selbstdisziplin erziehen. Überhaupt wünscht sie sich mehr Eigeninitative von Schülern, doch das deutsche System würde Schülern zu oft die Möglichkeit lassen, sich als Opfer in die Untätigkeit zu verkriechen. Zu häufig würden Herkunft und  Lebensumstände Milde bei den Kollegen auslösen.

Meist ist die Autorin in ihrem Urteil sehr hart, manche ihrer Vorschläge sind auch vom Ansatz her zu idealistisch, nicht jeder hat eine starke Persönlichkeit und einen ausgeprägten Wissensdrang, aber sie hat recht, dass es Aufgabe eines Lehrers ist, so vielen Schülern wie möglich bei der Ausbildung zu helfen, sie zu inspirieren und ihnen zu verdeutlichen, wofür man das präsentierte Wissen verwenden kann. Aus diesem Grund findet Faltin auch fächerübergreifendes Lernen positiv.

Ganz zum Schluss geht die Autorin noch auf das Thema Immigranten an deutschen Schulen ein. Hier hat sie ebenfalls eine sehr feste Meinung und verweist auch auf das Beispiel Australien, wo den Zuwanderern angeboten wird, sich zu integrieren, während in Deutschland die aufnehmende Gesellschaft von der fixen Idee getrieben würde, sie müsse integrieren. „Es werden Angebote gemacht, und wenn sie nicht wahrgenommen werden, fragen wir uns, was wir falsch gemacht haben. Wir unternehmen noch mehr Anstrengungen und machen noch mehr und bessere Angebote. Aber die Aufgabe der Integration ist die des Einwanderers. Er muss aktiv seine Eingliederung angehen und konsequent umsetzen“, so Faltin am Ende ihrer in der Bilanz durchaus lesenswerten Ausführungen, die zahlreiche interessante Ansätze für Verbesserungen bieten.

            Rebecca Bellano

Inge Faltin, Daniel Faltin: „Schule versagt – Warum Bildung ein Glücksspiel ist und wie sich das ändern kann“, dtv Premium, München 2011, kartoniert, 14,90 Euro


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