24.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
09.07.11 / »Schöne glänzende Gemälde« / Hannover zeigt eine Ausstellung mit Meisterwerken der Landschaftsmalerei von Brueghel bis Corinth

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 27-11 vom 09. Juli 2011

»Schöne glänzende Gemälde«
Hannover zeigt eine Ausstellung mit Meisterwerken der Landschaftsmalerei von Brueghel bis Corinth

Die Geschichte der Landschaftsmalerei von den Anfängen im Spätmittelalter über den Barock bis zu den Impressionisten dokumentiert eine Ausstellung im Landesmuseum Hannover und gewährt dabei einen Blick in die herausragende Sammlung.

„Es drängt sich alles zur Landschaft“, mit diesen Worten beschrieb der Pommer Philipp Otto Runge (1777–1810) den hohen Stellenwert, den die Landschaftsmalerei im Laufe der Geschichte erreicht hat. Gut vier Jahrzehnte später sang Gottfried Keller in „Der grüne Heinrich“ ein Loblied auf die Landschaftsmalerei: „… in den Städten, in den Häusern der Vornehmen, da hängen schöne glänzende Gemälde, welche meistens stille grüne Wildnisse vorstellen, so reizend und trefflich gemalt, als sähe man in Gottes freie Natur, und die eingeschlossenen, gefangenen Menschen erfrischen ihre Augen an den unschuldigen Bildern und nähren diejenigen  reichlich, welche sie zustande bringen.“

Lange Jahre war die Landschaft nur schmückendes Beiwerk in der religiösen und Historienmalerei. Ab dem späten 16. Jahrhundert aber entwickelte sie sich zu einem eigenen Fach. Besonders in der bürgerlichen Schicht war sie gefragt, da sie preisgünstig war.

Der Blick in die Ferne, auf lichtdurchflutete Landschaften fasziniert den Betrachter noch heute. Die Schau in Hannover zeichnet anhand von über 150 Gemälden, Kupferstichen, Zeichnungen und Landkarten die Geschichte der Landschaftsmalerei nach. Zu sehen sind Meisterwerke aus der Sammlung sowie Schätze aus dem Depot und Kupferstichkabinett, aber auch noch nie gezeigte Neuerwerbungen und Leihgaben.

„In neun Ausstellungsbereichen werden Meisterwerke, unter anderem von Hans Cranach, Jan Brue­ghel dem Älteren, Claude Lorrain, Paul Bril, Jacob van Ruisdael, Caspar David Friedrich, Théodore Rousseau, Auguste Renoir, Max Liebermann, Lovis Corinth, Wilhelm Busch und Otto Modersohn gezeigt“, so die Veranstalter. „Neben der kontextuellen Zusammenstellung sticht vor allem die neue Präsentationsform der Werke, mit farbig passend zum jeweiligen Thema gestalteten Wänden ins Auge.“

In der Abteilung „Die Revolution der Pleinairmalerei – Vom Realismus zum Impressionismus“ ist auch eine Walchensee-Landschaft von Lovis Corinth (1858–1925) zu sehen. Der Maler mit dem ostpreußischen Dickschädel hat es sich nicht nehmen lassen, seine Bilder vom Walchensee unmittelbar vor der Natur zu schaffen, seien es Gemälde oder Kaltnadelradierungen, seien es Aquarelle, ganz gleich welches Wetter herrschte.

Das in Hannover gezeigte Bild war einst im Besitz des Staatlichen Museums Schwerin, bis es 1937 während der Aktion „Entartete Kunst“ beschlagnahmt wurde. Heute gehört es zur Sammlung des Niedersächsischen Landesmuseums Hannover. Das Gemälde „Walchensee mit Abhang des Jochberges“ entstand 1924. Im Gegensatz zu den weiten Ausblicken über den See, die der Ostpreuße Corinth in seinen anderen Bildern meisterhaft festhielt, beherrscht hier eine dichte vegetative Fläche den größten Teil der Leinwand. „Bei Bildern wie diesen lässt sich vorzüglich die geniale Synthese von impressionistischen und expressionistischen Formen analysieren“, erläuterte Werner Timm (1927–1999), langjähriger Direktor des Museums Ostdeutsche Galerie Regensburg. „Einerseits die sensible, nuancenreich differenzierte Farbpalette des Impressionismus … und andererseits die wuchtigen, pastosen Pinselhiebe, expressive Gestik.“

Corinth hatte auch zuvor schon Landschaften mit dem Pinsel festgehalten, doch erst die Begegnung mit dem Walchensee, wo er seit 1918 ein kleines Häuschen in Urfeld besaß, brachte die entscheidende Wende. Die herbe Landschaft zog ihn in seinen Bann. 16-mal hielt er sich dort auf, siebenmal im Sommer, fünfmal im Winter und je zweimal zu Ostern und im Herbst. Er war derart fasziniert von der Landschaft, dass er seiner Frau Charlotte Berend-Corinth, selbst eine namhafte Künstlerin, untersagte, dort zu malen. Er wollte die Motive für sich allein haben. „Voll leidenschaftlicher Hingabe“, so Timm, „vorbehaltlos, wirft Corinth sein innerstes Ich in diese Landschaft, identifiziert sich gefühlsmäßig mit dem großartigen Naturschauspiel der atmosphärischen Erscheinungen, deren wechselnde Stimmungen vom zart Lyrischen bis zum Dramatischen reichen. Wie in der Romantik erfolgt hier eine Projektierung menschlicher Empfindungen und Vorstellungen in Naturerscheinungen. Und es sind wahre Psychogramme, die Corinth wie besessen niederschreibt, wenn er malt, in geheimnisvoller Symbiose der Totalität einer grandiosen Landschaft verbunden.“        Silke Osman

Die Ausstellung „Nah und Fern – Landschaftsmalerei von Brueghel bis Corinth im Niedersächsischen Landesmuseum Hannover, Willy-Brandt-Allee 5, ist bis zum 21. August dienstags bis sonntags von 10 bis 17 Uhr, donnerstags bis 19 Uhr zu sehen, Eintritt 4 / 3 Euro.

Foto: Lovis Corinth: Walchensee mit Abhang des Jochberges (Öl, 1924)


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabobestellen Registrieren