19.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
09.07.11 / Konservativer Charmeur

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 27-11 vom 09. Juli 2011

Konservativer Charmeur

Johnny kommt, bitte den großen Aschenbecher auf den Konferenztisch.“ Es war stets dasselbe Ritual, wenn „Johnny“ unsere „Deutschland-Magazin“-Redaktion in Prien am Chiemsee als Freund und Berater besuchte: Die sonst rauchfreien Räume verwandelten sich in eine Räucherhöhle. Denn die ungehemmte Lust am qualmenden Laster verband den Vizepräsidenten des Deutschen Bundestages Hans „Johnny“ Klein mit Altkanzler Helmut Schmidt.

Ansonsten trennte die beiden so ziemlich alles, was Politiker trennen kann: hier der hanseatisch kühle, oft als arrogant empfundene Sozialdemokrat, der Passivrauchen als Naturrecht sieht, da der konservative böhmisch-bayerische Charmeur, der es versteht, nichtrauchenden Mitmenschen das Gefühl zu nehmen, belästigt zu werden.

Geboren wurde Hans Klein vor 80 Jahren, am 11. Juli 1931, im mährischen Schönberg. Als 13-Jähriger erlebte er die Vertreibung aus der Heimat, landete im württembergischen Heidenheim, wo er eine Schriftsetzerlehre und ein Redaktionsvolontariat absolvierte. 1950 ging der Hochbegabte als Stipendiat an die Universität Leicester – so kurz nach Kriegsende alles andere als eine Selbstverständlichkeit. Von dort brachte er neben fundiertem Wissen in Geschichte und Volkswirtschaftslehre den Beinamen „Johnny“ mit.

Bald schon zog es den jungen Journalisten in die Politik. Von 1959 bis 1964 war er als Presseattaché an diversen Botschaften in Nahost und Indonesien tätig. Dann holte ihn Ludwig Erhard als Pressereferenten ins Kanzleramt.

Bewusst pflegte Klein klassisch-konservative Umgangsformen, profilierte sich äußerlich und politisch als Gegenentwurf zu den 68er Tabubrechern. Das kam an: 1968 wurde er zum Pressechef der Münchner Olympischen Spiele berufen – eine Aufgabe, die er mit Bravour bewältigte. Souverän stand er der Weltöffentlichkeit Rede und Antwort, auch als die Heiteren Spiele vom blutigen Terror überschattet wurden.

Nach den Spielen blieb Klein in Bayern, schloss sich der CSU an, kandidierte 1976 erfolgreich für den Bundestag. 1987 berief ihn Kanzler Helmut Kohl zum Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit. Den Wiedervereinigungsprozess begleitete er als Regierungssprecher im Ministerrang, nach der ersten gesamtdeutschen Wahl 1990 wurde er Bundestagsvizepräsident. Daneben war er stets aktiv in der Sudetendeutschen Landmannschaft. Alten Freunden hielt er die Treue, so auch unserer Redaktion in seiner neuen Heimat im Chiemgau.

Im Spätherbst 1996 – wir wollten gemeinsam die Weihnachtsausgabe vorbereiten – dann der Schock: Herzinfarkt, am 26. November Tod in einer Bonner Klinik. „Johnny“ kommt nie mehr, die Republik ist ärmer um einen aufrechten Konservativen.  Hans-Jürgen Mahlitz


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabobestellen Registrieren