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09.07.11 / Eine DDR im Kleinen / »Hinter der Mauer«: Ausstellung über den Potsdamer Ortsteil Klein-Glienicke im Berliner Schloss Glienicke

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 27-11 vom 09. Juli 2011

Eine DDR im Kleinen
»Hinter der Mauer«: Ausstellung über den Potsdamer Ortsteil Klein-Glienicke im Berliner Schloss Glienicke

Berlin begeht den kommenden 50. Jahrestag des Mauerbaus am 13. August mit einer Vielzahl von Veranstaltungen. Unweit der Glienicker Brücke gelegen, die als Austauschort für Spione im Kalten Krieg weltberühmt wurde, ist im Schloss Glienicke eine Ausstellung zu sehen, die den zu DDR-Zeiten vollständig eingemauerten Potsdamer Ortsteil Klein-Glienicke zum Gegenstand hat. Hier, an der Stadtgrenze zu Berlin, war die alptraumhafte Realität der deutschen Teilung besonders schmerzhaft und brutal durchexerziert. Heute längst wieder zusammengewachsen, durchschnitt der Todesstreifen das Preußische Arkadien, die einzigartige Garten- und Kulturlandschaft, die seit 1990 zum Unesco-Welterbe gehört.

Die einst arme Büdnersiedlung am Fuße des Böttcherberges fand das Gefallen des preußischen Prinzen Carl, der hier seiner romantischen Passion für die Schweiz Ausdruck geben konnte. Der Bruder der Könige Friedrich Wilhelm IV. und Wilhelm I. ließ in den 60er-Jahren des 19. Jahrhunderts zehn Häuser im Schweizer Stil errichten und versah den Hügel mit einer künstlichen Felsenschlucht.

Nach der Jahrhundertwende verlor das Schweizerdorf seinen pittoresk-alpenländischen Kunstcharakter durch den Zuzug wohlhabender Berliner, die das hübsch gelegene Klein-Glienicke als Sommerfrische entdeckten. Mit dem Durchstich der Glienicker Lake zum Griebnitzsee und der Aufnahme einer Schiffsverbindung als Teil des Teltowkanalbaus 1906 erfuhr der Ort zwischen den Schlössern Babelsberg, Jagdschloss und Glienicke als Ausflugsziel einen Aufschwung. Im „Bürgershof“ spielte sommers jeden Mittwoch und Sonntag die Kapelle des preußischen Infanterie-Regiments Nr. 9 zum Tanz auf. Zur Kaiserzeit und in den 20er- und 30er-Jahren galt die Biergartenwirtschaft als „größtes Etablissement der Umgegend Potsdam“.

Die NS-Zeit zog mit einer Bluttat in die 500-Einwohner-Siedlung ein: Während der als „Röhm-Putsch“ verschleierten politischen Säuberungswelle am 30. Juni 1934 wurde hier der letzte Reichskanzler vor Adolf Hitler, General Kurt von Schleicher, zusammen mit seiner Ehefrau in ihrer Villa am Griebnitzsee ermordet. Nach dem Krieg und der Spaltung Deutschlands hofften die Einwohner, dass Klein-Glienicke aus der Sowjetischen Besatzungszone entlassen und dem Amerikanischen Sektor Berlins zugeschlagen würde – ein klarer Grenzverlauf entlang des Teltowkanals hätte sich eingestellt. Doch mit Gründung der DDR 1949 wurde der zu drei Seiten von West-Berlin umgebene Ort Teil des „Arbeiter- und Bauernstaates“. Der Bau der Mauer am 13. August 1961 machte aus der einst mondänen Sommerfrische eine „Sondersicherheitszone“ der DDR-Grenztruppen, die nur noch mit Sondergenehmigung betreten werden durfte. Jeder Bewohner, jeder Besucher konnte ein potenzieller „Republikflüchtling“ sein.

Die verheerenden Konsequenzen für das Ortsbild und die Bevölkerung dieser „DDR im Kleinen“ sind Kernthemen der Ausstellung. Ausstellungskurator Jens Arndt, der selbst seit zwölf Jahren an Ort und Stelle lebt und unzählige Gespräche mit Anwohnern führte, setzt ganz auf Veranschaulichung und „Oral History“: Großfotos und Original-Exponate wie ein Modell der Grenzanlagen rufen die bleigrauen Mauerjahre in Erinnerung, Bewohner schildern an Hör-Stationen ihr eingeengtes Leben unter den Augen der Stasi, ehemals geheime Dokumente von DDR-Organen geben Einblick in die rigorose Gängelung im „Grenzabschnitt Klein-Glienicke“. Der Besucher erfährt von Fluchten, Mauertoten, rücksichtslosem Häuserabriss und der Geschichte des evangelischen Pfarrers Strauss, der allen Schikanen durch das Grenzregime zum Trotz auf abenteuerliche Weise seine drei Havelgemeinden betreute.

Gegenüber der PAZ verriet Arndt seine Sorge hinsichtlich des weiteren Verbleibs der Ausstellung über deren offizielles Ende hinaus. Ein festes Domizil im Jagdschloss Glienicke wäre ihr zu wünschen.          CR

Die Ausstellung „Hinter der Mauer“ ist noch bis zum 3. Oktober in der Orangerie des Schlosses Glienicke, Königstraße 36, 14109 Berlin, dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr zu sehen, Eintritt 8/5 Euro.


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