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09.07.11 / Stalin war’s, nicht Hitler / Neue Biografie über Ernst Thälmann bringt nichts wirklich Neues

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 27-11 vom 09. Juli 2011

Stalin war’s, nicht Hitler
Neue Biografie über Ernst Thälmann bringt nichts wirklich Neues

Der Klappentext verspricht eine fundierte Neubewertung des politischen Lebens von Ernst Thälmann. Wird das Buch dieser Ankündigung gerecht? Dass Thälmann in der Weimarer Zeit Stalins Marionette gewesen ist und ungewollt Hitlers Aufstieg begünstigt hat, ist seit Langem wohl allgemein bekannt. Dennoch dürften die meisten aufgeschlossenen Leser die gebotenen Informationen als Bereicherung empfinden, ist doch die Beschäftigung mit Thälmann eine permanente Herausforderung, solange er in den neuen Bundesländern geradezu allgegenwärtig ist. 613 Straßen und Plätze sind nach ihm benannt.

Die Verehrung Thälmanns basiert wie die von Marx weitgehend auf Mythen. So hieß es von Thälmann, er sei ein Sohn der Arbeiterklasse gewesen. In Wirklichkeit hatte es sein Vater vom Knecht zum mittelständischen Fuhrunternehmer gebracht, in dessen Dienste Ernst, der offenbar keine Berufsausbildung erfahren hatte, mehrmals getreten ist. Stalins Bedeutung im Leben Thälmanns ist ein weiterer kritischer Punkt. Er wurde in der DDR nach Chrusch­tschows Abrechung mit dem Tyrannen umgeschrieben. Nun war Lenin das große Vorbild.

Ein „Bildersturm“ müsste einsetzen eingedenk der Tatsache, dass Thälmann die junge Demokratie bekämpft und seinem Konkurrenten Hitler den Weg geebnet hat. Schon 1921 lautete seine Devise: „Diesen Staat bekämpfen wir so lange, bis er nicht mehr als Staat existiert. Wir machen daraus absolut keinen Hehl. Wir haben keine Veranlassung, in dieser oder jener Beziehung gegen diese oder jene Person schonend vorzugehen.“ Stalins Terror fand er ganz in Ordnung. Schließlich wurde er selbst Opfer politischer Skrupellosigkeit wie zehn Jahre zuvor Ernst Röhm, der Chef der SA, den der gewaltsame Tod auch nicht verehrungswürdig macht. Doch zurück zu den wichtigsten Stationen in Thälmanns Lebens. 1886 geboren, tritt er 1903 in die SPD ein. In seiner Gewerkschaft fiel er durch seine Aktivitäten auf. Er wollte mehr Kampf und so begeisterte ihn die russische Oktoberrevolution 1917. In der Weimarer Zeit zählte er zu den verfassungsfeindlichen Scharfmachern der Linken, die auch ihren Genossen gegenüber keine Toleranz kannten. Der Kampf gegen die junge Demokratie im Lande kostete fast Jahr für Jahr zahlreiche Menschenleben, so auch im Oktober 1923. Wenige Wochen später wollten es die Nazis den roten Revoluzzern gleichtun und marschierten, um über Bayern nach Berlin zu gelangen, durch München – ein Ereignis, dessen Beurteilung durch die blutigen Tumulte von links in ein etwas anderes Licht rückt.

Nicht Hitler und seine Bewegung wurden von Thälmann dämonisiert, sondern primär die „Sozialfaschisten“, die Sozialdemokraten. Auf Stalins Geheiß blieb Thälmann der Absurdität treu, die er 1931 in die Worte gefasst hatte: „Der Faschismus beginnt nicht, wenn Hitler kommt, er hat längst begonnen.“ Hitlers Wahlerfolge wurden als Verschiebungen innerhalb des faschistischen Lagers verharmlost.

Den echten Faschismus bekam er, kurz nachdem Hitler Reichskanzler geworden war, zu spüren. Ende Februar 1933 verhaftet, wurde er selbst unter Folter nicht zum Verräter. Doch „Freund“ Stalin intervenierte nicht zu seinen Gunsten, auch nicht während der Geltung des Hitler-Stalin-Paktes. 1944 fand Thälmann unter nicht näher geklärten Umständen ein gewaltsames Ende. Von seinen politischen Freunden fielen mehr den Säuberungen in der UdSSR zum Opfer als der Gestapo. Diese Tatsache sollte stets erwähnt werden, wenn die Sprache auf die vielen westlichen Stalin-Adoranten kommt. Ein tabellarischer Lebenslauf hätte der Übersichtlichkeit gute Dienste getan.            Konrad Löw

Armin Fuhrer: „Ernst Thälmann – Soldat des Proletariats“, Olzog Verlag, München 2011, 352 Seiten, gebunden, 26,90 Euro


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