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16.07.11 / Teurer Notstrom statt Atomstrom / Bundesnetzagentur erfasst verzweifelt Energiereserven für den Winter

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 28-11 vom 16. Juli 2011

Teurer Notstrom statt Atomstrom
Bundesnetzagentur erfasst verzweifelt Energiereserven für den Winter

Die Sicherheit der Energieversorgung in Deutschland ist nach der Abschaltung von Kernkraftwerken gefährdeter als gedacht: Die Bundesnetzagentur prüft letzte Reserven und einen Notplan, vor allem für den Winter. Waren früher Eingriffe ins Netz selten, sind sie zur Aufrechterhaltung einer flächendeckenden Stromversorgung nun zum Normalfall geworden. Stromausfälle mit weitreichenden Folgen für die Wirtschaft und auf Dauer auch den Standort Deutschland drohen.

In Japan sei im nächsten Frühjahr keines der bisher 54 Atomkraftwerke (AKW) mehr an das Stromnetz angeschlossen, spekulieren deutsche Medien und freuen sich auf die „atomfreie Zone“. Die Regierung des Kaiserreichs hat nämlich jüngst umfangreiche Tests aller AKW verkündet, um dem „Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung“ zu entsprechen, so das Wirtschaftsministerium in Tokio. Rund zwei Drittel der Atomanlagen sind derzeit vom Netz abgekoppelt. Wenn die Tests das Hochfahren der Anlagen verzögern, droht sich der durch das Erdbeben von Fukushima bedingte sowie durch Prüfungen von Kraftwerken noch verschärfte Stromengpass auszuweiten. Knapp ist Strom schon jetzt. Das Handelsministerium drängt daher zugleich darauf, Reaktoren wieder ans Netz anzuschließen, was teils an der mangelnden Zustimmung der Anwohner scheitert. Das Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln warnte bereits davor, dass in Japan der Strom knapp werden könnte. Obwohl Japan als drittgrößter Atomstromproduzent der Erde gilt, beträgt der Anteil dieser Energieart an der Gesamtversorgung nur rund 25 Prozent. Das Land ist daher mit Deutschland vergleichbar: Die hiesigen 17 Meiler tragen knapp 23 Prozent zum Energiemix bei.

In Deutschland ist die Stimmung in der Bevölkerung indes weitaus ablehnender gegenüber jeder Nutzung von Kernkraft, und das ganz ohne Atomunglück. Das weiß auch die Bundesnetzagentur. Nachdem acht Atomanlagen im März abgeschaltet wurden, ist die Belastung des Netzes hoch. Die Energieversorger mussten seither bereits hunderte Male mit aufwändigen Extramaßnahmen die Netzstabilität aufrechterhalten, Kraftwerke zu- oder abschalten. Doch die Regelungstechnik hat Grenzen und die alternativen Energien jedenfalls halten mit den Atom-Abschaltplänen der Politik nicht mit. Ein „jährlicher Zubauwert von etwa 2800 Megawatt“ an Photovoltaikanlagen ist laut jüngstem Bericht der Bundesnetzagentur für dieses Jahr vorhersehbar. Zum Vergleich: Ein größeres Kernkraftwerk wie das KKE im Emsland liefert 1400 Megawatt, und zwar berechenbar und unabhängig von der Sonneneinstrahlung oder der weiteren Entwicklung am Solarmarkt. Die „Daten verschaffen allen Marktakteuren Klarheit“, titelte die Bundesnetzagentur im Juni zurückhaltend zu ihren „aktuellen Zahlen über den Zubau von Photovoltaikanlagen“.

Tatsächlich machen die Daten die Not der Netzverwalter offenkundig, bei zu wenig Zuwachs an erneuerbaren Energien die Versorgung stabil zu halten. „Nach dem Moratorium für Kernkraftwerke wollen wir die Reserven erfassen“, sagt nun eine Behördensprecherin. Im Sommer herrscht demnach noch keine Gefahr eines Kollaps’, doch was im Winter passiert, kann die Netzagentur nicht beantworten. Experten befürchten jedoch schon in einigen Monaten einen Engpass, wenn der Winter kommt und die Stromnachfrage steigt. Vor allem der Süden Deutschlands könnte dann im Dunkeln bleiben, denn ein Großteil der von Politikern eilig stillgelegten AKW trug dort bisher zur Grundversorgung bei. Wenn im Winter der Wind ausbleibt und zudem wenig Sonnenenergie gewonnen werden kann, drohen dem Süden der Republik dunkle wie kalte Tage und Nächte. Die Bundesnetzagentur müsste dann alle Kraftwerksreserven aufbieten, um gegenzusteuern. Ob sie ausreichen, weiß sie offenbar noch nicht – ein Armutszeugnis für die Politik.

Die Agentur benötigt daher nun eine genaue Bestandsaufnahme. Ein Register soll nun auch Kleinanlagen mit einer Leistung ab 20 Megawatt erfassen. Diese Art der Erfassung auch kleinster Kapazitäten ist neu. Die großen Stromerzeuger, aber auch Stadtwerke und andere Betreiber müssen jetzt ihre Anlagen zwecks möglicher Notfallsteuerung melden. Selbst Generatoren sind gefragt. Damit stehen auch alte Reservekraftwerke, beispielsweise Kohlekraftwerke, bald wieder im Einsatz und somit auch im Zentrum des Streits um die Sauberkeit der Energie.

Die Energiekonzerne warnen indes, eine Wiederbelebung alter Kraftwerke stoße trotz aller Bemühungen an Grenzen. Gemeint sind Grenzen der Wirtschaftlichkeit. Strom könnte somit im Winter nicht nur knapper, sondern auch schmutziger und teurer werden, eben Notstrom für alle. SV


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