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16.07.11 / Staatsbesitz im Ausverkauf / Europäische Regierungen werfen alles auf den Markt – Chance für politisch-strategische Investoren

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 28-11 vom 16. Juli 2011

Staatsbesitz im Ausverkauf
Europäische Regierungen werfen alles auf den Markt – Chance für politisch-strategische Investoren

Europäische Regierungen werfen derzeit so viel Staatsbesitz auf den Markt wie nie zuvor. Doch das reichliche Angebot an Privatisierungskandidaten könnte die erhofften Einnahmen geringer ausfallen lassen als geplant. Aber auch für die Steuerzahler könnte sich mache Privatisierung langfristig als teure Angelegenheit mit hohen Folgekosten entpuppen.

Noch bevor der geplante Privatisierungsfonds Griechenlands offiziell eingerichtet ist, dürfte bei den zuständige Stellen in Athen schlechte Stimmung herrschen. Eine Informationsveranstaltung des griechischen Staates im exklusiven Londoner Claridge’s Hotel, welche die milliardenschwere Klientel der Investment-Banken und der Privaten Beteiligungsgesellschaften im Auge hatte, ist mehr als ernüchternd verlaufen. „Selbst in guten Zeiten hat Griechenland keine Investoren angezogen“, so die weit verbreitete Meinung in der „City of London“. Im Angebot waren 850 Häfen, 39 Flughäfen, Energiefirmen, Banken, Rüstungsunternehmen, Straßen aber auch tausende Hektar an Bauland. Kurioser Bestandteil des Angebots war auch ein 1968 stillgelegtes Salzwerk. Für das mangelnde Interesse bei potentiellen Käufern gibt es triftige Gründe: Außer an den negativen wirtschaftlichen Aussichten stoßen sich die Investoren an einer überbordenden Bürokratie, mächtigen Gewerkschaften, weitverbreiteter Korruption und einem Mangel an Transparenz der Verwaltung.

Allesamt Missstände, die über Jahrzehnte gewachsen sind und die sich auf kurze Sicht nicht abstellen lassen. Bei der Zurück­haltung privater Investoren, die sich – wenn überhaupt – nur einige Filetstücke herauspicken werden, wird die Stunde der strategischen Käufer schlagen, die langfristige politische Ziele verfolgen. China hat sich bereits den größten Hafen des Landes in Piräus gesichert und Interesse an der Staatsbahn OSE signalisiert. Ziel ist die Nutzung Griechenlands als Drehscheibe im Handel mit den Balkanländern und Europa insgesamt. Ähnlich langfristige Ziele stehen hinter Russlands Interesse am griechischen Energiesektor.

Griechenland will durch den Verkauf von Staatsbeteiligungen 50 Milliarden Euro einnehmen – noch in diesem Jahr sollen fünf Milliarden und im nächstes Jahr 15 Milliarden Euro realisiert werden. Wie ehrgeizig – aus Sicht vieler Beobachter jedoch realitätsfern – das Vorhaben ist, lässt sich daran ablesen, dass die einkalkulierten 50 Milliarden Euro fast den gesamten Einnahmen entsprechen, die Deutschland innerhalb der letzten 20 Jahre durch Privatisierungen eingenommen hat. Auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hat für das nächste Jahr Privatisierungserlöse in Höhe von 5,1 Milliarden Euro angekündigt – eine Verdoppelung gegenüber den ursprünglichen Planungen. Kandidaten, die für eine Privatisierung in Frage kommen, sind Post und Telekom, die Flughäfen München und Köln/Bonn sowie der Duisburger Hafen. Ein heißer Verkaufskandidat ist auch die TLG Immobiliengesellschaft, die Liegenschaften der ehemaligen „Treuhandgesellschaft“ im Wert von 1,7 Milliarden Euro im Besitz hat und jährlich einen zweistelligen Millionenbetrag an den Bund an Gewinn abwirft.

Die griechischen und deutschen Privatisierungspläne werden auf ein reichhaltiges Angebot anderer Staaten treffen: Das krisengeplagte Irland will fünf Milliarden Euro durch den Verkauf von Beteiligungen an einer Fluglinie und Häfen des Landes einnehmen. Spanien erwägt den Verkauf von Anteilen an der Lotterie „El Gordo“. Neben der traditionsreichen Lotterie werden Beteiligungen an den Flughäfen Madrid und Barcelona auf den Markt geworfen. Nahezu Ausverkaufsstimmung herrscht im Nachbarland Portugal: Der Staat will sich von der Fluglinie TAP, Elektrizitätsversorgern, Wasserwerken, TV- und Radiosendern, Flughafengesellschaften und Banken trennen. Verschwinden soll auch das Instrument der „Goldene Aktie“, mit der sich der portugiesische Staat bisher Einfluss in Unternehmen gesichert hat. Auch Großbritannien denkt über den Verkauf staatlicher Beteiligung nach. Pläne zum Verkauf von Immobilien sind wegen der stark gesunkenen Marktpreise zunächst auf Eis gelegt worden. Eine Entscheidung, vor der angesichts des Überangebots an Lotteriegesellschaften, Fluglinien und Häfen nicht nur die britische Regierung stehen wird.

Allerdings ist dies nicht der einzige Fallstrick, wie Untersuchungen der Weltbank und des internationalen Währungsfonds zeigen. Vor allem bei den Versorgern wie Energie- und Wasserwerken drohen massive Preiserhöhungen, falls im Vorfeld nicht für Wettbewerb auf den Märkte gesorgt wurde. In Lateinamerika musste in den 1990er-Jahren die Hälfte der Verträge bei privatisierten Wasserwerken nachverhandelt werden, da die Preiserhöhungen für die Bürger nicht mehr tragbar waren.

Dass viele Regierungen dem ordnungspolitischen Kardinalfehler, der Privatisierung von Monopolen, widerstehen werden, wenn ihnen finanziell das Wasser bis zum Hals steht, ist kaum wahrscheinlich. Norman Hanert


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