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16.07.11 / Deutschlands letzter Kronprinz / Wilhelm von Preußen blieb im Gegensatz zu Urgroßvater, Großvater und Vater eine Regentschaft versagt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 28-11 vom 16. Juli 2011

Deutschlands letzter Kronprinz
Wilhelm von Preußen blieb im Gegensatz zu Urgroßvater, Großvater und Vater eine Regentschaft versagt

Wilhelm von Preußen war der älteste Sohn des letzten Deutschen Kaisers und Königs von Preußen, Wilhelm II. Vor 60 Jahren starb er nahe der Stammburg der Hohenzollern in Hechingen.

„Hätte der Kronprinz die Stelle erhalten, für die er geboren war, dem deutschen Volke wäre mit Sicherheit vieles erspart geblieben.“ Der Wahrheitsgehalt der Aussage von Wilhelms Ehefrau Cecilie ist nicht mit letzter Sicherheit zu beurteilen und damit berühren wir ein grundsätzliches Problem bei der Beurteilung des Kronprinzen. Anders als bei anderen preußischen Kronprinzen haben Zeitgenossen und Nachgeborene in diesem Falle nicht die Möglichkeit, den Thronfolger an seiner Regentschaft zu messen.

Ein weiteres Problem kommt hinzu. Nicht umsonst stellt Klaus W. Jonas in seinem Standardwerk zu dem Thema „Der Kronprinz Wilhelm“ dem Vorwort das Schiller-Zitat voran: „Von der Parteien Gunst und Hass verwirrt, schwankt sein Charakterbild in der Geschichte.“ In der Tat ist in der Regel der Esel gemeint, wenn der Sack geschlagen oder gestreichelt wird. Oder um es weniger bildhaft zu formulieren: Das Urteil über den letzten Preußen-Kronprinzen ist häufig vom Urteil über Preußen im Allgemeinen und die Hohenzollernmonarchie im Besonderen überlagert.

Unbestritten ist, dass Wilhelm als ältester Sohn des ältesten Sohnes des damaligen Kronprinzen Friedrich Wilhelm am 6. Mai 1882 in Potsdam zur Welt kam. Er wurde deshalb von Geburt an zum zukünftigen Herrscher Preußens und des Deutschen Reiches erzogen. Zu seinem sechsten Geburtstag im Dreikaiserjahr 1888 bekam der Prinz seine erste Uniform. Gemäß der preußischen Tradition erhielt er eine militärische Ausbildung auf der „Prinzeninsel“ Plön. Entsprechend dem hohenzollernschen Hausgesetz wurde der Prinz anlässlich seines 18. Geburtstages für volljährig erklärt. Mit seiner Großjährigkeitsfeier, die im Beisein des Patenonkels Kaiser Franz Joseph I. im Berliner Schloss stattfand, wurde er in das 1. Garderegiment zu Fuß mit Sitz in Potsdam aufgenommen. Nach einer neunwöchigen Offiziersausbildung übernahm er die Führung eines Zuges der 2. Kompanie, drei Jahre später das Kommando über die gesamte Kompanie.

Allerdings hatte die Ausbildung des Kronprinzen nicht nur eine militärische, sondern auch eine zivile Komponente. Nach alter Hohenzollern-Tradition erlernte er ein Handwerk. Wilhelm entschied sich für das Drechseln. An der von adeligen Familien bevorzugten Universität Bonn studierte er Staats- und Verwaltungsrecht.

1905 heiratete er die vier Jahre jüngere Herzogin Cecilie zu Meck­lenburg. Aus der Ehe mit der attraktiven Tochter des meck­lenburgischen Großherzogs Fried­rich Franz III. gingen vier Söhne und zwei Töchter hervor.

Trotz Spannungen zwischen Vater und Sohn verband Kaiser und Kronprinz ein Hang zur Forschheit und Burschikosität. Mit einer unvorschriftsmäßigen Uniform bei einer Kaiserparade auf dem Tempelhofer Feld, mehr noch aber mit nicht abgesprochenen Äußerungen zur Politik erregte der Sohn des Vaters Unmut. Um den Sprössling aus dem Scheinwerferlicht zu nehmen, schickte Wilhelm II. Wilhelm in die westpreußische Provinz nach Danzig-Langfuhr. Dort übernahm der Kronprinz das Kommando über das 1. Leibhusarenregiment. Ähnlich wie sein Vorfahre Friedrich der Große verlebte auch Wilhelm die glücklichsten Jahre seines Lebens nach eigenem Bekunden fernab der Metropole. War es bei Friedrich Rheinsberg, so bei Wilhelm Danzig-Langfuhr.

Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges endete diese unbeschwerte Zeit. Standesgemäß erhielt der Kronprinz von seinem Vater das Oberkommando über eine Armee. Da Wilhelm zu diesem Zeitpunkt aber erst 32 Jahre alt war, befahl sein Vater ihm, sich auf das Repräsentieren zu beschränken: „Ich habe Dir das Oberkommando der 5. Armee anvertraut. Du bekommst Generalleutnant Schmidt v. Knobelsdorf als Chef des Generalstabes. Was er Dir rät, musst Du tun.“

Folgt man Wilhelms Erinnerungen, dann wäre es wohl besser gewesen, der Kaiser hätte trotz des jugendlichen Alters seines Sohnes diesen nicht an die Leine des Stabschefs gelegt. Denn Wilhelm zufolge war er selber, im Gegensatz zu von Knobelsdorf, für den Abbruch der Abnutzungsschlacht von Verdun, die unzähligen Soldaten das Leben kostete und den Deutschen mehr schadete als deren Gegnern, weil Letztere über die größeren Ressourcen verfügten. 1916 erreichte Wilhelm die Versetzung seines Generalstabschefs und stieg selber zum Oberbefehlshaber der Heeresgruppe „Deutscher Kronprinz“ auf.

Wenn die Kritik an der Abnutzungsschlacht dem Kronprinzen auch zur Ehre gereicht, so wird ihm doch heutzutage seine Mitwirkung beim Sturz des Reichskanzlers Theobald von Bethmann Hollweg übel genommen. Bethmann Hollwegs Rolle beim Ausbruch des Ersten Weltkrieges wird heutzutage zwar nicht unkritisch gesehen, doch hatte er sich zu Ende seiner Amtszeit im Angesicht der sich verschlechternden Kriegslage um Demokratisierung und Friedensverhandlungen bemüht. Zudem folgte seinem Sturz die Machtübernahme der Obersten Heeresleitung und damit in den Augen der heutigen Geschichtsschreibung ein weiterer Schritt in Richtung Militarisierung der preußischen und deutschen Politik.

Nach dem Ausbruch der Novemberrevolution und der Abdankung seines Vaters beabsichtigte Wilhelm, seine Truppen an deren Spitze nach Hause zurück zu führen, aber als Deutschlands neuer starker Mann, Friedrich Ebert, ihm dieses untersagte, folgte der Prinz seinem Vater ins niederländische Exil. Allerdings wurde Wilhelm im Gegensatz zu seinem Vater nicht als Zivilist betrachtet und unter ungleich ungünstigeren Bedingungen interniert.

Von daher griff Wilhelm, nachdem er 1919 auf alle Rechte an der preußischen und der deutschen Krone verzichtet hatte, gerne zu, als sein Freund Reichskanzler Gustav Stresemann ihm die Möglichkeit verschaffte, nach Deutschland zurückzukehren. Ab 1923 lebte der Prinz mit seiner Familie abwechselnd in seiner Potsdamer Residenz aus Kronprinzentagen Cecilienhof und dem Landsitz Oels in Schlesien.

Anfänglich hielt Wilhelm sich streng an seine Zusage gegenüber den neuen Herren in seiner Heimat, sich politisch nicht zu betätigen. Das änderte sich etwas, als er Morgenluft für die Monarchie zu wittern begann. 1930 trat er dem Stahlhelm, Bund der Frontsoldaten bei. Ihm lag an einer Einigung der nationalen Rechten. Er begrüßte den Zusammenschluss des Stahlhelms mit der Deutsch­nationalen Volkspartei und den Nationalsozialisten zur Harzburger Front im Jahre 1931 und war nicht abgeneigt, als Kompromisskandidat der nationalen Rechten eine Selbstzerfleischung von Hindenburg- und Hitler-Anhängern beim zweiten Wahlgang der Reichspräsidentenwahl von 1932 zu verhindern. Allerdings verbot ihm dieses sein Vater mit der Begründung: „Wenn Du diesen Posten übernimmst, so musst Du den Eid auf die Republik schwören. Tust Du das und hältst ihn, so bist Du für mich erledigt. Ich enterbe Dich und schließe Dich aus meinem Hause aus. Schwörst Du nur, um den Eid bei Gelegenheit zu brechen, so wirst Du meineidig, bist kein Gentleman mehr und für mich auch erledigt. Hohenzollern brechen ihren Eid nicht. Es ist ein Ding der Unmöglichkeit, dass die Hohenzollern über den republikanischen, roten Ebertschen Präsidentenstuhl wieder zur Macht gelangen.“

Selber am Kandidieren gehindert, unterstützte Wilhelm die Kandidatur Adolf Hitlers. Folgerichtig begrüßte er auch dessen „Machtergreifung“ im darauffolgenden Jahr. In seiner Uniform der Danziger Leibhusaren gab er dem „Tag von Potsdam“ am 21. März 1933 zusätzlichen Glanz und Legitimation. Im selben Jahr trat er in die Motor-SA ein.

Wie für viele andere Konservative wurde auch für Wilhelm 1934 das Jahr der Desillusionierung. Adolf Hitler ging im Kirchenkampf vom Kampf um die Kirche zum Kampf gegen die Kirche über, erteilte der Monarchie eine Absage und brach mit der „Nacht der langen Messer“ offen das Recht. Letztere ging Wilhelm insofern nahe, als die Nationalsozialisten in jener Sommernacht seinen Adjutanten verhafteten und mit General Kurt von Schleicher einen seiner Freunde ermordeten. Wilhelm zog sich wieder aus der Öffentlichkeit ins Privatleben zurück. 1936 trat er aus dem Nationalsozialistischen Kraftfahrkorps (NSKK) aus, mit dem die Motor-SA zwischenzeitlich verschmolzen worden war. Fünf Jahre später, im Todesjahr seines Vaters, nahm er lose Verbindung zu einem Widerstandskreis um den preußischen Finanzminister Johannes Popitz auf, der monarchische Restaurationspläne hegte.

Allerdings tat Wilhelm etwas, wofür heutige Geschichtspolitiker wenig Verständnis aufbringen. Er differenzierte nämlich zwischen dem Land und dessen politischem System. So bot er – wenn auch erfolglos – der Wehrmacht seine Dienste an, als 1939 der Zweite Weltkrieg ausbrach. Und als seiner Nation unter Adolf Hitler mit dem Sieg über Frankreich gelang, was ihr unter der Regentschaft seines Vaters versagt geblieben war, drück­te der Hohenzoller dem Nationalsozialisten dafür in einem Telegramm seine Bewunderung aus.

Das nahm die Grande Nation ihm übel und sie ließ es ihn spüren, als er bei Kriegsende in ihre Gewalt geriet. Sie nahm ihn gefangen und deportierte ihn nach Lindau. Später durfte er sich zwar seinen Wohnort innerhalb der französischen Besatzungszone frei wählen, blieb aber weiterhin unter Arrest. Der Hohenzoller entschied sich für die Burg Hohenzollern. Da die Burg sich nicht heizen ließ und der Militärgouverneur von Hechingen, Oberst Henri Brochu, ihm wohlgesonnen war, konnte er fürs Erste in die Villa Wolf am Fuße der Hohenzollernburg wechseln. Als dieses ruchbar wurde, bekam jedoch der französische Oberst den Befehl, die Villa für sich selber zu requirieren. Wilhelm blieb in Hechingen. In einem Fünf-Zimmer-Haus fand der vormalige Thronfolger der mächtigsten der fünf Großmächte sein letztes Domizil. Gebrochen ob der erlittenen Enttäuschungen, Demütigungen und Schicksalsschläge erlag der passionierte Raucher dort am 20. Juli 1951 seinem zweiten schweren Herzanfall. Manuel Ruoff


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