16.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
16.07.11 / Ein Viertel der Jugend will weg / Die Zukunft Königsbergs drängt es nach Russland, in die Bundesrepublik und in die USA

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 28-11 vom 16. Juli 2011

Ein Viertel der Jugend will weg
Die Zukunft Königsbergs drängt es nach Russland, in die Bundesrepublik und in die USA

In diesem Jahrtausend hat sich das Leben im Königsberger Gebiet dank des allgemeinen Wirtschaftswachstums in der Russischen Föderation wesentlich verbessert. Dennoch sieht ein Großteil der jungen Leute dort keine Perspektive und bereitet sich auf seine Ausreise vor.

Seit die Russen durch das Ende von Eisernem Vorhang und Sowjetherrschaft nicht mehr eingesperrt sind, zogen viele Russen ins Ausland. Bis Mitte der 90er-Jahre kehrten jährlich zehntausende Fachkräfte ihrer Heimat den Rücken. Menschen jeder Altersstufe und aller Berufszweige verließen das Land. Dieser Prozess erreichte eine solche Dimension, dass er zu einem ernsthaften Problem für Russland wurde. Die Regierung unternahm allerdings keine großen Anstrengungen, der Auswanderungswelle entgegenzuwirken. Aber selbst, wenn sie sich bemüht hätte, wäre sie damals nicht in der Lage gewesen, den Menschen etwas zu bieten, was sie von ihrer Ausreise hätte abhalten können. Vor allem junge Leute waren auf der Suche nach besseren Berufsmöglichkeiten und einer angemessenen Bezahlung.

Erst in unserem Jahrtausend, als wirtschaftliche Stabilität und eine verhältnismäßig gute materielle Versorgung erreicht wurden, ebbte die Migrationswelle allmählich ab. Dafür waren aber nicht nur das wirtschaftliche Wachstum, sondern auch äußere Gründe verantwortlich. Heute ist es für Russen schwieriger, ins Ausland auszureisen als zu Beginn der 90er-Jahre, als die Einwanderungsbestimmungen noch liberaler waren und man Übersiedler und Fachkräfte aus der Sowjetunion gerne aufnahm. In den vergangenen Jahren hat die russische Regierung einige Bemühungen unternommen, um ausgewanderte Landsleute ins Land zu­rück­zuholen. Spezielle Programme und Einrichtungen wurden gegründet, die für die Rückkehr im Ausland lebender Russen werben sollten. Dass Wissenschaftler und Lehrkräfte in Russland sehr schlecht bezahlt werden, ist ein bekanntes Problem. Für junge Wissenschaftler wurden deshalb zusätzliche Stipendien eingerichtet, damit sie im Lande bleiben.

Dennoch schlugen die jüngsten Umfragen im Königsberger Gebiet wie ein Blitz aus heiterem Himmel ein. Die Ergebnisse waren bei der letzten Jugendratssitzung im Amtssitz des Gouverneurs veröffentlicht worden. Es stellte sich heraus, dass fast ein Viertel der jungen Menschen zwischen 14 und 30 Jahren ihr zukünftiges Leben nicht im Königsberger Gebiet verbringen wollen. Ein Drittel von ihnen würde gerne in Moskau oder St. Petersburg leben, die übrigen Befragten wollen in andere russische Städte oder in andere europäische Staaten ziehen. An erster Stelle steht die Bundesrepublik Deutschland als Wunschziel, gefolgt von den USA. Einer der Hauptgründe für diese Stimmung ist die schlechte Bezahlung und weiter die Schwierigkeit, Arbeit im erlernten Beruf zu finden.

In letzter Zeit sind Zehntausende Gastarbeiter nach Königsberg geströmt, meist aus den asiatischen Republiken der ehemaligen Sowjetunion. Doch das sind nicht die Mitbürger, die der ehemalige Gouverneur Georgij Boos gewollt hatte. Laut offiziellen Angaben der Gebietsregierung hat nur jeder Zehnte dieser Zugereisten eine Arbeitserlaubnis, alle anderen arbeiten illegal. Die Arbeitgeber bedienen sich ihrer nur zu gerne, da sie billig zu haben sind und bis zu zwölf Stunden am Tag arbeiten.

Interessant ist auch die Tatsache, dass die Mehrheit der Jugendlichen sich nicht als Patrioten bezeichnet. Nur für 40 Prozent der Befragten erweckt das Wort „Russland“ positive Emotionen. Als absolute Patrioten bezeichneten sich nur 27 Prozent.

Für Gouverneur Nikolaj Zukanow und seine Beamten war das Umfrageergebnis ein Schock, brachte es doch auch das Vorhandensein von Protestbereitschaft unter den Jugendlichen gegen die politische Führung des Gebiets ans Tageslicht. Diese Information nahm Zukanow mit Unverständnis auf. „Für wen arbeiten wir denn dann?“ Diese Frage stellte der Gouverneur in den Raum. Jurij Tschernyschew


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabobestellen Registrieren