29.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
16.07.11 / Näher an Moskau statt an Europa und mehr Tourismus / Neuer Senator des Königsberger Gebiets im Russischen Föderationsrat setzt neue Prioritäten – und hat eigene wirtschaftliche Interessen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 28-11 vom 16. Juli 2011

Näher an Moskau statt an Europa und mehr Tourismus
Neuer Senator des Königsberger Gebiets im Russischen Föderationsrat setzt neue Prioritäten – und hat eigene wirtschaftliche Interessen

Die Königsberger Gebietsduma hat einen neuen Senator gewählt, der die Interessen der Exklave im Russischen Föderationsrat in Moskau vertreten soll. Es handelt sich um den in Palmnicken geborenen Abgeordneten der Präsidentenpartei „Einiges Rußland“ Nikolaj Wlasenko. Der Russe ist vor allem als Gründer und Hauptanteilseigner der russischen Supermarktkette „Viktoria“, zu der mehrere hundert Geschäfte in Königsberg, Moskau und Sankt Petersburg gehören, bekanntgeworden. In geheimer Abstimmung erhielt Wlasenko die Stimmen von 28 der 37 anwesenden Parlamentarier.

Der frischgebackene Senator kündigte eine Kehrtwende in der bisherigen Königsberger Haltung bei Verhandlungen mit der Zentralregierung in Moskau an. Bisher hätten die Königsberger Vertreter stets gefordert, man solle das Gebiet angesichts seiner isolierten Lage vor allem gegenüber Europa öffnen. Er wolle dies in Zukunft nicht mehr tun, sondern vielmehr eine „realitätsnähere“ Anbindung an das russische Zentrum erreichen. Sein Ziel sei vor allem ein Ausbau des innerrussischen Tourismus, der das wesentliche wirtschaftliche Potenzial der Region darstelle. Mit der Möglichkeit einer Öffnung nach Westen und einer nennenswerten Zahl europäischer Besucher rechnet Wlasenko nicht. Königsberg wäre aufgrund seiner fremdartigen historischen Denkmäler und seiner besonderen Natur für viele Russen eine Art Kuriosum, und es würde daher für sie einen ausgezeichneten Erholungsort darstellen. Dem stünden allerdings bisher die exorbitanten Flugkosten zwischen Russland und Ostpreußen sowie ein erheblicher Mangel an touristischer Infrastruktur entgegen. Bei letzterer denkt der Unternehmer seinen Verlautbarungen zufolge noch ganz in sowjetischer Tradition vorwiegend an staatliche Einrichtungen wie Kuranstalten in Trägerschaft der russischen Regionen sowie staatseigene Ferienzentren. Unlängst hatte Wlasenko eine Erziehungs- und Ausbildungsoffensive im Königsberger Gebiet angemahnt, da die Bevölkerung für eine Arbeit im Dienstleistungsgewerbe und dabei speziell im Tourismus völlig ungeeignet sei. Allgemein würden solche Tätigkeiten als minderwertig gelten. Offensichtlich möchte der neue Senator damit insbesondere weitere Subventionen für den Luftverkehr und für den Aufbau touristischer Strukturen aus Mos­kau gewinnen.

Ob Wlasenko dabei auch an sich selbst denkt? Im Juni hat er in Rauschen das Hotel „Rus’“ erworben. Zugleich lässt er in Palmnicken ein neues Haus unter dem deutschen Namen „Schloß-Hotel“ bauen. Als Managerin für beide Projekte hat er die agile frühere Königsberger Vize-Industrieministerin Marina Drutman engagiert, deren Durchsetzungsfähigkeit im Gebiet weithin bekannt ist. Zudem ist Wlasenko auch anderweitig im Tourismus engagiert. Fördermaßnahmen aus Moskau würden sich daher auch für ihn persönlich positiv auswirken. Ein Zusammenhang von wirtschaftlichen Eigeninteressen und politischen Entscheidungen ist im Königsberger Gebiet immer wieder zu beobachten. Inwieweit es dem Oligarchen Wlasenko gelingen wird, den Bau des nicht nur in den Nachbarstaaten höchst umstrittenen „Baltischen Atomkraftwerks“ am Südufer der Memel zu stoppen, der von Moskauer Lobbyisten unter Absegnung der Zentralregierung betrieben wird und naturgemäß für den Aufbau des Tourismus alles andere als förderlich ist, bleibt abzuwarten.

Thomas W. Wyrwoll

Der neue Vertreter des Königsberger Gebietes im russischen Parlament will dieses von Europa abwenden und vor allem auf das russische „Mutterland“ hin ausrichten. Als den wesentlichen Wirtschaftszweig der Region betrachtet er den Fremdenverkehr.


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabobestellen Registrieren