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16.07.11 / Weder Titel noch Posten entscheiden / Respekt muss man sich heute erst erwerben − Leistungsfähigkeit und gutes Vorbild zählen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 28-11 vom 16. Juli 2011

Weder Titel noch Posten entscheiden
Respekt muss man sich heute erst erwerben − Leistungsfähigkeit und gutes Vorbild zählen

Vorbei sind die Zeiten, wo einem Menschen allein deswegen Respekt entgegengebracht wird, weil er einen Titel oder einen leitenden Posten innehat. Hamburger Forscher fanden in einer neuen Studie heraus, wann es leicht oder richtig schwer fällt, jemandem Respekt zu zollen.

Respekt erwartet eigentlich jeder. Besonders jugendliche Immigranten fordern häufig genug lautstark „Respekt“ ein, obwohl sie selbst sich oftmals respektlos gegenüber Lehrern oder Mitschülern verhalten. Sie gehören zudem zu der Gruppe, von denen rund 20 Prozent die Schullaufbahn ohne Abschluss verlassen. Respekt kann man aber nicht einfach einfordern, sondern er beruht im Berufsleben auf Leistung und Höflichkeit, fanden die Forscher der Respect Research Group der Hamburger Universität heraus.

„Respekt ist eine der wesentlichen Voraussetzungen dafür, dass das alltägliche soziale Miteinander gelingen kann“, sagt Niels van Quaquebeke, der Leiter der neuen Studie. Viele Mitarbeiter gaben an, dass es für sie wichtiger sei, vom Chef respektiert zu werden und selbst den Vorgesetzten zu respektieren, als viel Geld zu verdienen. Damit bestätigt die Studie der Hamburger Forscher Erkenntnisse aus früheren Untersuchungen, die zeigen, dass das Arbeitsklima auf Dauer für die Zufriedenheit von Mitarbeitern wichtiger ist als die monetäre Entlohnung.

Allerdings weiß auch Niels van Quaquebeke, wie schwierig und facettenreich der Umgang mit dem Wort „Respekt“ sich gestalten kann. Leicht verstehe jeder Mensch etwas anderes darunter. Manchmal verbergen sich hinter dem Begriff auch Frustrationen wie im obigen Beispiel von jugendlichen Immigranten, die sich nicht akzeptiert fühlen und Schwierigkeiten mit den Schulleistungen haben. Daher sei es wichtig, zwischen zwei Formen von Respekt, dem horizontalen und dem vertikalen, zu unterscheiden.

Wer etwa den Geschäftsführer einer Firma, auch wenn dieser als richtiges „Ekelpaket“ gilt, nicht begrüßt, tut sich in der Regel keinen Gefallen. Das ist eine Frage der Höflichkeit. Der vertikale Respekt beruht jedoch in der Regel auf mehr als der höflichen Akzeptanz einer höheren Stellung des anderen. „Je nachdem, wie gut jemand in einer Sache ist, desto mehr kann ich ihm Respekt zollen“, erklärt der Wissenschaftler. Man müsse heute als Leiter „einfach besser sein als die anderen“. Natürlich werde nach wie vor bestimmten Ämtern oder Stellungen ein gewisser Respekt entgegengebracht, aber der Vertrauensvorschuss könne sich schnell aufbrauchen. „Immer weniger Leute können sich in punkto Respekt auf ihr Amt berufen“, so die Hamburger Studie.

Die oft geäußerte Vermutung, dass die Respektlosigkeit zunehme, kann van Quaquebeke nicht bestätigen. Dies zeige sich besonders beim horizontalen Respekt, wo es um das Miteinander von Mitarbeitern geht. Obwohl hier fast alle Menschen Respekt für sich selbst und die eigene Arbeitsleistung erwarten, fällt es den meisten Menschen schwer, anderen Mitarbeitern im Team Respekt zu erweisen. Hier müsse man nachdenken und fragen: Was ist für den anderen wichtig? Was treibt mein Gegenüber an? Warum macht er das so? „Das ist anstrengend, weil ich mich zurücknehmen muss und die Wünsche und Wahrheitsdefinitionen des Anderen im eigenen Handeln stets berücksichtigen muss“, sagt van Quaquebeke. In vielen Betrieben wird daher heute vermehrt darüber gesprochen, wie man miteinander umgehen will. Persönliche Lebenslagen wie Krankheit, Schwangerschaft und familiäre Probleme spielen in dieses Feld ebenso hinein wie die persönlichen Fähigkeiten und Begabungen. Ehe man zwei schlechte Eigenschaften eines Kollegen anspricht, empfiehlt es sich eher, fünf gute Seiten zu nennen, so die einfache, aber schwierige Regel.

Die Wissenschaftler sind sich darüber einig, dass sich die Arbeitsleistung in einer Firma oder Behörde steigern ließe, wenn ein respektvollerer Umgang herrschen würde. Dazu gehören vermeintliche Kleinigkeiten, die schon in der Schule oder im Elternhaus gelernt sein sollten: Jemanden ausreden lassen, vor Entscheidungen die Meinungen anderer einholen, Vertrauen entgegenbringen und Höflichkeit zeigen.

Wie aber können sich Chefs zusätzlichen Respekt verdienen? Immer noch zählt es zu den Pluspunkten, wenn sie sich mehr verausgaben als andere. Wenn sie einmal, besonders in Krisenzeiten, auf einen Bonus verzichten oder für Fehler der Firma geradestehen, erhöht das ihren Respekt bei den Mitarbeitern, so die Hamburger Forscher. Die Vorgesetzten zeigen mit solchen mehr symbolischen Gesten, dass ihnen ihre Mitarbeiter nicht egal sind und sie noch mit beiden Beinen auf dem Boden stehen. In der letzten Wirtschaftskrise waren solche Zeichen mehr die Ausnahme als die Regel. Hinrich E. Bues


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