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23.07.11 / Die »Großen Drei« im Zwielicht / Politik verhalf den US-Ratingagenturen zu ihrer beherrschenden Stellung

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 29-11 vom 23. Juli 2011

Die »Großen Drei« im Zwielicht
Politik verhalf den US-Ratingagenturen zu ihrer beherrschenden Stellung

Ratingagenturen sehen sich derzeit dem Vorwurf ausgesetzt, die Krise in der Euro-Zone zu verschärfen. Der Rating-Markt, die Bewertung der Kreditwürdigkeit von Staaten und Unternehmen, wird von den Agenturen Standard & Poor’s, Moody’s und Fitch beherrscht. Bei der Klage, dass diese drei Unternehmen mittlerweile einen Marktanteil von über 90 Prozent haben, gerät in Vergessenheit, dass es politische Entscheidungen waren, die ihnen zu ihrer beherrschenden Stellung verholfen haben.

Seit der erneuten Herabstufung der Bonitäten von Portugal, Irland und Griechenland herrscht in Europas Hauptstädten Alarmstimmung. Insbesondere seit der Herabstufung Portugals auf „Ramsch-Niveau“ durch die Agentur Moody’s am 7. Juli liegen bei der EU-Kommission die Nerven blank. Die fachlich eigentlich nicht zuständige EU-Jus­tizkommissarin Viviane Reding hat angekündigt, dass sie die Macht der großen Ratingagenturen „zerschlagen“ wolle. Binnenmarktkommissar Michel Barnier hat ein Verbot des Ratings von Staaten in die Diskussion gebracht, wenn diesen durch internationale Kreditprogramme geholfen wird. Verhältnismäßig sachlich nimmt sich noch der Vorschlag von FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle nach Gründung einer unabhängigen EU-Ratingagentur aus. In der öffentlichen Diskussion ist die Forderung nach einer solchen Agentur bereits im Zusammenhang mit der Pleite der Investmentbank „Lehman Brothers“ im Jahr 2008 aufgetaucht. Von Seiten der Politik ist seitdem nichts geschehen. Bis unmittelbar zum Zahlungsausfall war die Bank von allen drei Ratingagenturen mit der höchstmöglichen Bonitätswertung, einem „AAA“, versehen gewesen.

In der Geschichte der Agenturen nicht das einzige Fehlurteil: Der US-Kongressabgeordnete Henry Waxman hält die Geschichte der Kredit-Ratingagenturen sogar für eine „Geschichte des kolossalen Versagens“. Die „Großen Drei“ haben nicht nur im Vorfeld der US-Immobilienkrise bei der Bewertung von Hypotheken-Verbriefungen weitgehend versagt, sondern haben auch milliardenschwere Unternehmens-Pleiten wie die von Enron, WorldCom und Parmalat nicht kommen sehen. Diese Firmen waren, fast bis kurz vor ihrem Zusammenbruch, als erstklassige Schuldner eingestuft gewesen. Ereignet haben sich diese Fehleinschätzungen teilweise bereits vor zehn Jahren. Genug Zeit, damit sich die Politik in den USA und Europa intensiver mit der Arbeit der Rating-Riesen hätte beschäftigen können. Etwa mit dem Interessenkonflikt bei der Honorierung der Agenturen. Seit dem Ende der 60er-Jahre zahlen nicht mehr die Anleger für die Bewertung, sondern die Herausgeber der zu bewertenden Papiere selbst. Die mathematischen Modelle, nach denen die Agenturen vorgehen, werden aus Wettbewerbsgründen geheimgehalten. Diese Schwachpunkte sind lange bekannt. Trotzdem wurde den drei US-Ratingagenturen mit ihrem Geschäftsmodell auch noch der Weg geebnet, damit sie in Europa die Bedeutung erlangen, die jetzt lautstark beklagt wird.

Erst mit dem 2004 auf den Weg gebrachten „Basel II-Abkommen“ haben sich die Eigenkapitalanforderungen europäischer Banken nach dem Urteil der drei US-Agenturen zu orientieren. Nach den Versäumnissen der Vergangenheit setzt die Politik angesichts der Schuldenkrise in der Euro-Zone nun auf Aktionismus. Wo die Forderung nach einer „Europäischen Ratingagentur“ enden könnte, lässt sich am Beispiel der Europäischen Zentralbank sehen. Innerhalb von nur zehn Jahren wurden dort nahezu alle Vorsätze zur geldpolitischen Unabhängigkeit über Bord geworfen. Auf diesem Weg schreckt die EZB mittlerweile auch nicht mehr vor unkonventionellen Mitteln zurück. Im Fall Griechenland will man, um weiterhin Anleihen des Landes akzeptieren zu können, zukünftig auf das Rating der kleinen kanadischen Agentur DBRS (Dominion Bond Rating Service) zurückgreifen, die Griechenland nach wie vor eine gute Bonität bescheinigt.     Norman Hanert


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