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23.07.11 / Vom Aufschwung in die Krise / Inflation, Korruption, steigende Kreditzinsen und hohe Energiepreise belasten die Wirtschaft in Vietnam

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 29-11 vom 23. Juli 2011

Vom Aufschwung in die Krise
Inflation, Korruption, steigende Kreditzinsen und hohe Energiepreise belasten die Wirtschaft in Vietnam

Der vielgepriesene Aufschwung des kommunistischen Staates Vietnam, der seit 1990 teilweise für privatwirtschaftliche Initiativen geöffnet ist, hält der Wirklichkeit von heute nicht mehr stand. Die rund 90 Millionen Einwohner werden derzeit von der höchsten Inflation in Asien, von Korruption und Vetternwirtschaft heimgesucht, die Rohstoff- und Energiepreise sind zu hoch und zahlreiche ausländische Investoren ziehen sich angesichts der Probleme inzwischen zurück. Von den erwarteten zwölf Milliarden Dollar kam 2010 nicht einmal die Hälfte ins Land.

Ursprünglich wurde die Sozialistische Republik Vietnam für ihren dynamischen Aufschwung bewundert, seit sie wie der große Nachbar China privatwirtschaftliche Aktivitäten zuließ. Sie gehörte lange zu den wirtschaftlich gut entwickelten „Tigerstaaten“. Die großen Hoffnungen der Anfangszeit, als etwa in den Jahren nach 1993 wirtschaftliche Zuwachsraten von zehn Prozent im Jahr einen ähnlichen Boom wie in China versprachen, sind verpufft.

Die Kreditzinsen stellen unter anderem ein Hemmnis für das Wachstum lokaler Firmen dar, sie lagen teilweise bei 25 Prozent. Seit Jahren lebt Vietnam überdies mit einem hohen Defizit der Handelsbilanz. Ein Lichtblick ist die Entwick­lung des Fremdenverkehrs: Mehrere hunderttausend Menschen sind inzwischen in der seit 1999 wachsenden Tourismusindustrie beschäftigt.

Allein in diesem Jahr gab es weit über 300 Streiks mit Schwerpunkt in der Textilindustrie – ein weiterer Faktor zur Abschreckung ausländischer Anleger. Auch die totale Kontrolle der Medien durch den Staat wird als Hemmnis betrachtet. Die meisten Industriebetriebe befinden sich noch immer in staatlicher Hand und arbeiten zum großen Teil defizitär. Vor allem der Norden des Landes hinkt hinter dem südlichen Teil um die ehemalige Hauptstadt Saigon (heute Ho-Chi-Minh-Stadt) her, das von der amerikanisch geprägten Vergangenheit zehrt.

Einen gewissen Wohlstand für den kleinen Mann bringt weniger  die heimische Produktion, obwohl Vietnam nach Thailand der größte Reisexporteur der Welt ist, als vielmehr der Heiratsmarkt und die Zuwendungen von Auswanderen. Rund 200000 „Suzie Wongs“ haben im letzten Jahrzehnt Ausländer, vor allem aus Südkorea und Taiwan, aber auch „Langnasen“ aus Europa und den USA, geheiratet und senden seitdem harte Währung an die Familien daheim.

Die Frauen sind in der Regel jünger als 21, die Männer zwischen 40 und 50. Damit geht Vietnam denselben von der Armut diktierten Weg wie einige andere Länder in Ostasien. On­linedienste wie „Asia Traumfrau“ oder „VietnamCupid.com“ nehmen sich der Heiratswünsche an und offerieren tausende von Mädchen aus dem Katalog. Eine neu gegründete staatliche Agentur soll garantieren, dass die Frauen auch wirklich an heiratswillige Ausländer vermittelt werden und nicht in der Prostitution landen.

 Zudem fließt Geld von zahlreichen nach dem Vietnamkrieg in die USA ausgewanderten Vietnamesen ins Land, was den Traum von der eigenen Auswanderung unterstützt. Der Geldfluss hat eine Größenordnung von rund fünf Milliarden US-Dollar. Das entspricht fast einem Fünftel des Staatshaushalts und hat eine ähnliche Dimension wie die an Vietnam gezahlte internationale Entwicklungshilfe.

Neuerdings sollen auch Importrestriktionen helfen. Um etwa die heimische Autoproduktion von Hyundai Vina zu fördern, wurde kürzlich ein Importverbot für Lastkraftwagen und Busse anderer Marken verhängt. Die Infrastruktur des Landes lässt in einigen Gebieten zu wünschen übrig und ist auf dem Stand der französischen Kolonialzeit stehen geblieben. Da die Regierung in Hanoi die Notwendigkeit einer besseren Erschließung vor allem auch für den zunehmenden Tourismus erkannt hat, sind bis 2020 neue Flug- und Seehäfen geplant, ebenso ein Ausbau des Schienen- und Straßennetzes. Im Norden soll Malaysias „Jaks Resources Berhard“ für 2,25 Milliarden Dollar ein kohlebetriebenes Kraftwerk bauen, das aus heimischen Ressourcen  gespeist wird, um bestehende Energielücken zu schließen. Sicherheitshalber wurde zudem 2011 aus Indonesien Kohle importiert. Im Jahr 2014 soll mit russischer Hilfe ein Atommeiler ans Netz gehen. Noch immer muss Elektrizität zeitweise aus Südchina importiert werden. Zwar gibt es 41000 befahrbare Flusskilometer, wegen des fehlenden Ausbaus sind sie für größere Schiffe jedoch kaum befahrbar. Der Beitritt zur Welthandelsorganisation im Jahr 2007, der die Änderung von 52 Gesetzen erzwang, hat sich allerdings positiv auf die Exporte ausgewirkt. Wichtigste Ausfuhrgüter sind Öl, Textilien, Reis und Kaffee. Immerhin war Vietnam 2008 der Welt größter Kaffeeproduzent. Joachim Feyerabend


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